Arbeitsgemeinschaften auf dem BAKJ-Kongress



AG 1: Juraausbildung
AG 2: Feministische Rechtswissenschaft: Differenzen um Einschluss und Ausgrenzung durch Recht
AG 3: Verbot faschistischer Parteien und Organisationen
AG 4: Befreiung durch Arbeitsrecht?
AG 5: Naturrecht - zeitgemässe Strafrechtsantwort auf die "Kriminalität der Mächtigen"?
AG 6: Europarecht - Ein Instrument des Fortschritts oder Vehikel kapitalistischer Globalisierung?
AG 7: Verbrechen Wirtschaft
AG 8: Macht Recht Ehe - Ideen zur Gleichstellung aller Lebensweisen
AG 9: Die Integration von patriachalischen Geschlechterrollen?
AG 10: Marxistische Rechtstheorie
AG 11: Irreführung und Propaganda - Wofür Medien sich hergeben. Weshalb. Mit welchen Methoden. Und was dagegen zu tun ist.
AG 12: Von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft
AG 13: Das Rechtssystem der DDR - Anspruch und Wirklichkeit
AG 14: Demokratie bei Rosa Luxemburg
AG 15: Postmoderne Theorien als Befreiung?
AG 16: Militarismus - Frauen und Schwule in der Bundeswehr



AG 1:

Juraausbildung

BAKJ

Ein Text liegt leider nicht vor.



AG 2:

Feministische Rechtswissenschaft: Differenzen um Einschluss und Ausgrenzung durch Recht

PD Dr. Susanne Baer, LL.M.; HU-Berlin

Recht regelt Zugehörigkeiten, und es tut dies nicht nur anhand des Rechts der Staatsabgehörigkeit oder der Regelungen zur Rechtssubjektivität. Vielmehr erfolgen Einschlüsse und Ausgrenzungen anhand der Kriterien “Geschlecht” oder auch anhand des Kriteriums der “Rasse” auf vielen juristischen Gebieten und für viele Lebensbereiche. Viele dieser Regeln verstecken sich hinter einem Anschein von Neutralität; in anderen Fällen sind gerade die Regelungen imstritten, die nicht neutral sind, sondern sich explizit gegen Diskriminierungen wenden. Wer sich mit “Geschlecht” und anderen Ausgrenzungen auseinandersetzt, stellt die Neutralität und auch die Objektivität des Rechts und der Rechtswissenschaft radikal in Frage. Der Workshop bietet eine Einführung in die zentralen Fragen feministischer Ansätze in der Rechtswissenschaft und die Möglichkeit, aktuelle Probleme der Rechtspolitik und Rechtsdogmatik aus dieser Perspektive zu diskutieren. Letztlich geht es darum, wie juristisch angemessener mit Fragen der Un-/Gleichheit umzugehen wäre.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Nachmittag statt.

Textauswahl:
Inexcitable Speech. Zum Rechtsverständnis postmoderner feministischer Positionen am Beispiel Judith Butler. In: Hornscheidt, Antje / Jähnert, Gabriele / Schlichter, Annette (Hrsg.): Kritische Differenzen - geteilte Perspektiven, Opladen 1998, 229.

Feministische Ansätze in der Rechtswissenschaft. Zur großen Unbekannten im deutschen rechts-wissenschaftlichen Diskurs und ihrer Integration in die juristische Ausbildung. In: Rust, Ursula (Hrsg.): Juristinnen an den Hochschulen - Frauenrecht in Forschung und Lehre, Baden-Baden 1997, 153.

Dilemmata im Recht und Gleichheit als Hierarisierungsverbot - Der Abschied von Thelma und Louise, KrimJ 28 (1996) 242.

Objektiv - neutral - gerecht? Feministische Rechtswissenschaft am Beispiel sexueller Diskriminierung im Erwerbsleben, KritV 77 (1994) 154.



AG 3:

Verbot faschistischer Parteien und Organisationen

Prof. Dr. Norman Paech; HPW Hamburg

Rechtsradikale Hetze und neonazistische Gewalt haben sich in den letzten Jahren immer stärker im öffentlichen Leben der neuen Bundesrepublik durchgesetzt und terrorisieren ganze Ortschaften und Regionen. Für einzelne Gebiete ist der Neofaschismus bereits zu einer akuten Gefahr geworden, der das normale Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger direkt bedroht. Die Reaktion auf diese Gefahr ist uneinheitlich und verunsichert. So einhellig die Ablehnung neofaschistischer Umtriebe ist, so unterschiedlich ist die Einschätzung ihrer Gefährlichkeit für die demokratische Gesellschaft. Während in jüngster Zeit antifaschistische Bündnisse von Gewerkschaften unter dem Motto "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" den Staat zum Verbot von Neonazi-Organisationen und deren Demonstrationen auf\/fordern, halten zahlreiche Behörden aber auch Medien ein staatliches Vorgehen gegen den Rechtsradikalismus eher für kontraproduktiv. Sie reklamieren auch für diese Organisationen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und setzen mehr auf "geistige Auseinandersetzung" und "freien Diskurs", die durch administrative Maßnahmen nicht unterbrochen werden dürften. Da in dieser Auseinandersetzung Grundgesetz, Strafgesetzbuch und Gerichte eingesetzt werden, ist der Neofaschismus auch ein juristisches Problem, welches in diesem AK behandelt werden soll.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Nachmittag statt.



AG 4:

Befreiung durch Arbeitsrecht?

Dr. Henna Wolter; RA Berlin, Dozent HU-Berlin

Arbeitsrecht ist das Recht der doppelt freien Lohnarbeit - also gleich doppelte Befreiung durch Arbeitsrecht? Es steht an der Hauptbruchstelle der kapitalistischen Gesellschaft, dem Konflikt zwischen Kapital und Arbeit. Dabei offenbaren sich aus der Sicht der abhängig Beschäftigten zahlreiche strukturelle Defizite des Arbeitsrechtssystems bei der Regelung oder gerade Nichtregelung daraus entstehender Konflikte. Insbesondere beim aktuellen Umbau des kapitalistischen Systems, welcher geprägt ist durch Deregulierung betrieblicher Produktionsprozesse und gleichzeitiger Zentralisierung der Verfügungsgewalt, aber auch durch Flexibilisierung und Individualisierung zeigen sich wieder Angriffe auf das Arbeitsrechtssystem (Kündigung, Betriebsverfassung, Tarifvertrag). Als Argument dient dabei die freie unternehmerische Entscheidung. Diese wird auf Art. 2, 12, 14 GG gestützt und rückt die Eigentumsverfassung, die Rechte der Eigentümer, Unternehmer, Arbeitgeber in den Mittelpunkt. Dem soll die Arbeitsverfassung, die durch Grundrechte und Rechtsordnung gewährleisteten Rechte der Arbeitenden untergeordnet werden. Im Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit und seiner Regulierung im Arbeitsrecht lassen sich Schutz-, Gegenmacht-, Mitgestaltungs- sowie Integrationsfunktion des Arbeitsrechts unterscheiden. In der AG soll neben diesen Grundstrukturen ihre konkrete Bewegung bei der Fallösung, Rechtsprechung, das Richterrecht analysiert werden. Stärkere Beachtung soll auch hierbei die Argumentationsfigur der freien Unternehmerentscheidung finden, die in der Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung (Rationalisierungskündigung) und der Ausgliederung von Betriebsteilen relevant ist. Die Rechtsprechung weist Defizite bei der Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen auf und beschneidet Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten und Gewerkschaften sowie individuelle Klagemöglichkeiten. Neben der Kritik sollen Handlungsalternativen für ArbeitnehmerInnen und ihre VertreterInnen entwickelt werden. Berücksichtigt werden muss die Trennung und punktuelle Verbindung von individuellem und kollektivem Arbeitsrecht, wobei eine engere Verzahnung von individual-, betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Handlungsebenen auch Handlungsmöglichkeiten eröffnen kann.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Nachmittag statt.



AG 5:

Naturrecht - zeitgemässe Strafrechtsantwort auf die "Kriminalität der Mächtigen"?

- Radbruchsche Formel und "DDR-Unrecht" -

Dr. Volkmar Schöneburg; HU-Berlin

"Die Strafverfolgung wegen Gewalttaten des Nazifaschismus in Deutschland nach 1945 und des Staatssozialismus in der DDR nach 1990 verhält sich umgekehrt proportional" - so das Urteil des Berliner Strafrechtslehrers Herwig Roggemann.

Honecker-Prozess, Politbüro-, "Mauerschützen"- und Dopingverfahren dominierten in den letzten Jahren die öffentliche rechtspolitische Debatte. Haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Oder gibt es andere Gründe für die hohe Verfolgungsintensität? Wodurch unterschied sich der Einsatz des Strafrechts nach den Systemumbrüchen in Deutschland 1918/19 und 1945 im Vergleich zu 1989/90? Warum erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Staatssozialismus in vielen osteuropäischen Staaten in anderer Form? Was vermag das Strafrecht überhaupt bei der "Aufarbeitung" der Vergangenheit zu leisten? Ist der Rückgriff auf naturrechtliche Konstruktionen - wie etwa auf die 1946 von Gustav Radbruch entwickelte Formel vom gesetzlichen Unrecht und übergesetzlichen Recht - die passende Antwort des Strafrechts auf jene "Alttaten"? Diese und andere Fragen sollen auf der Basis des Einführungsvortrags diskutiert werden.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Nachmittag statt.

Literatur:
Grünberg, Gerald: Das Rückwirkungsverbot und die deutsche Vereinigung, in: Grundrechte-Report 1998, Hamburg 1998, S. 266 ff.

Herzog, Felix: Recht und Gerechtigkeit. Rückwirkende strafrechtliche Aufarbeitung mit der DDR?, in: Grundrechte-Report 1997, Hamburg 1997, S. 205 ff.

Dreier, Horst: Gustav Radbruch und die Mauerschützen, in: JZ 1997, S. 431

Schlink, Bernhard: Rechsstaat und revolutionäre Gerechtigkeit, in NJ 1994, S. 433 ff.

Roggemann, Herweg: Die strafrechtliche Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit am Beispiel der "Mauerschützen-" und der Rechtsbeugunsverfahren, in NJ 1997, S. 228 ff.

Wesel, Uwe: Der Honecker-Prozess. Ein Staat vor Gericht, Frankfurt/M. 1994



AG 6:

Europarecht - Ein Instrument des Fortschritts oder Vehikel kapitalistischer Globalisierung?

Prof. Dr. Martin Kutscha; FHfVR Berlin

Das Urteil des EuGH zum Thema "Frauen in die Bundeswehr" macht die Ambivalenz des Europarechts einmal mehr deutlich - einerseits (hier problematische!) Gleichstellung der Geschlechter, andererseits Aushebelung nationalstaatlichen Verfassungsrechts. Überwiegen die fortschrittlichen Elemente des Europarechts, oder sind sie nur legitimatorische Begleitmusik zur juristischen Nivellierung im Interesse europa- und weltweiter "neoliberaler" Wirtschaftspolitik? Dies wird nicht zuletzt das Ergebnis der aktuellen Auseinandersetzungen um Inhalt und Stellenwert einer Europäischen Grundrechtscharta zeigen.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Vormittag statt.

Literatur:
Losch/Radau, Europäische Grundrechte als Integrationsfaktor, in: Neue Justiz 1999, 632 ff.

Kutscha, Demokratischer Zentralismus? Vom zweifelhaften Schicksal bundesdeutscher Verfassungsprinzipien bei der EG-Integration, in: Kritische Justiz 1990, 425 ff.



AG 7:

Verbrechen Wirtschaft

Conrad Schuhler; Journalist, ISW München

Im folgenden einige Thesen, die als Einleitungstext zur AG Verbrechen Wirtschaft fungieren können:

1. Die meisten wirtschaftlichen Faktoren, die über Existenz und Perspektive eines Unternehmens entscheiden, werden immer politikabhängiger. Dies gilt besonders für die Transnationalen Konzerne, die im globalen Wettbewerb optimale Standortbedingungen brauchen und in der internationalen Arena zuverlässige politische Agenten ihrer Nationalstaaten. Die Wirtschaft versucht, dieses Problem dadurch zu lösen, daß sie sich möglichst vollständig des Staates bemächtigt.

2. Die Korruptionsgeschichte der Bundesrepublik weist verschiedene Etappen auf. In der ersten Nachkriegsphase haben Konzerne und Verbände ihre Eliten persönlich in wesentliche politische Ämter geschickt. Später hat die Wirtschaft in der Regel über Verbände bzw. gemeinsam betriebene Geldwaschanlagen illegal die Parteien finanziert. Schon seit Mitte der Neunziger Jahre und erst recht nach der CDU-"Spendenaffäre" haben die einzelnen Konzerne ihre Spezialisten direkt im Parlament und/oder beschäftigen hochspezialisierte "Politik-Kommunikations-Agenturen" zur Durchsetzung ihrer Interessen. Politische Entscheidungen werden auf "legalem" Weg gekauft.

3. Korruption und kommerzielle "Politik-Kommunikation" sind nicht auf die oberste politische Ebene beschränkt. Sie sind in Politik, Verwaltung und Wirtschaft an der Tagesordnung.

4. Wirtschaft und Organisierte Kriminalität wachsen zusammen - das Scharnier zwischen ihnen bilden die Großbanken.

5. Für Konservative und Neoliberale ist das ruchlose, auch kriminelle Streben nach Höchstprofit ein theoretisch begründetes Ideal - für die Masse der Bevölkerung hat es elende Konsequenzen. Eine Mehrheit hält dem System dennoch nach wie vor die Stange, eine Minderheit sieht in dem fortschreitenden globalen Kapitalismus eine Bedrohung. Hier liegt ein Ansatzpunkt für prinzipielle, antikapitalistische Kritik.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Nachmittag statt.

Literatur:
Werner Rügemer: Die Konkurrenz der Korrupteure. In: See/Spoo: Wirtschaftskriminalität - Kriminelle Wirtschaft. Heilbronn 1997, S. 46 - 51.

Conrad Schuhler: Verbrechen Wirtschaft. isw-Report Nr. 42. Kapitel 4: Schmieren lohnt sich. ( S. 19 - 21).



AG 8:

Macht Recht Ehe - Ideen zur Gleichstellung aller Lebensweisen

Christina Schenk, MdB PDS

Die Vielfalt der Lebensformen hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm zugenommen. Bislang hat jedoch die Gesetzgebung darauf kaum reagiert. Noch immer werden die verschiedenen Familienformen rechtlich sehr unterschiedlich behandelt. Ich möchte ein Konzept vorstellen, das nicht nur die Diskriminierung von lesbischen und schwulen Beziehungen beendet, sondern alle Lebensformen rechtlich gleichstellt - unabhängig von der sexuellen Orientierung, der biologischen Verwandtschaftsverhältnisse oder der Zahl der beteiligten Personen. Jeder Mensch soll seine Wahlfamilie selbst bestimmen und in Bezug auf diese Rechte in Anspruch nehmen können.

Die Forderung nach Gleichstellung aller Lebensweisen ist ein Beitrag zur Neubestimmung des Familienbegriffs. Sie befördert so das notwendige Weiterdenken über das gegenwärtig scheinbar realisierbare Modell der Eingetragenen Partnerschaft hinaus.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Vormittag statt.

Christina Schenk ist familien- sowie lesben- und schwulenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion.

Literatur:
Ilona Bubeck (Hrsg.): Unser Stück vom Kuchen? - 10 Positionen gegen die Homo-Ehe, quer-Verlag, 2000.



AG 9:

Die Integration von patriachalischen Geschlechterrollen?

Zum Muslimischen Kopftuch an deutschen Schulen

Kirsten Wiese; Doktorandin, akj Berlin

In den letzten Jahrzehnten sind MuslimInnen in Deutschland zu einer faktischen Realität geworden. Im Alltag scheint das Leben mit MuslimInnen auch fast selbstverständlich geworden zu sein. Wenn die MuslimInnen aber Rechte einfordern, kommt es zu Konflikten: Die Zulässigkeit von Schächten, Muezzinrufen, Moscheen und des Tragens von Kopftüchern wird in der Rechtspraxis nicht einheitlich beurteilt. Islamunterricht an staatlichen Schulen und die Frage der Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften wird zudem in der Öffentlichkeit sehr hitzig diskutiert. Der Umgang mit den MuslimInnen als größter religiöser Minderheit in Deutschland stellt die deutsche Demokratie auf den Prüfstand: Wie fähig ist sie, ethnische und religiöse Minderheiten zu integrieren?

Die Integrationsfähigkeit der deutschen Demokratie soll beispielhaft untersucht werden an dem Wunsch muslimischer Frauen, in der Öffentlichkeit das Kopftuch zu tragen oder nicht zu tragen.

Die Problematik dieses Wunsches ist ins Blickfeld gerückt worden, als 1998 die Kultusministerin von Baden-Württemberg entschied, die Lehramtskandidatin Fereschda Ludin eine deutsche Staatsangehörige afghanischer Herkunft wegen ihres muslimischen Kopftuches nicht in den öffentlichen Schuldienst aufzunehmen. Diese Entscheidung ist im März 2000 vom Verwaltungsgericht Stuttgart bestätigt worden.

Im Widerspruch dazu ist im März dieses Jahres in Bayern entschieden worden, daß Iranerinnen dazu gezwungen werden können, sich vor ihrer Abschiebung in den Iran für Paßbilder zu verschleiern.

Der Konflikt um das muslimische Kopftuch entsteht rechtlich insbesondere durch das Zusammentreffen der Verfassungsgrundsätze Religionsfreiheit und staatliche Neutralitätspflicht.

Zudem ist das Gleichheitsrecht in mehreren Aspekten betroffen: Das Verbot der Geschlechterdifferenzierung ist betroffen, zum einen weil das Kopftuchverbot nur Frauen trifft, zum anderen weil das Kopftuch als Symbol für und Instrument von Unterdrückung verstanden wird. Auch das Verbot der Differenzierung aufgrund der Religion und der Ethnie - es trifft insbesondere Nicht-Deutsche - ist betroffen.

Entscheidend für die rechtliche Bewertung des Kopftuchtragens der Lehrerin ist also zunächst, welchen Anforderungen die staatliche Neutralitätspflicht genügen muß, ob die Lehrerin sich mit dem Kopftuch als Bürgerin oder als staatliche Hoheitsträgerin kleidet und welche Bedeutung dem Kopftuch zugemessen wird.

Gleichzeitig wird der Konflikt von weiteren drei Aspekten bestimmt:

Säkularismus, Toleranzgebot und die Bedeutung von Fremd- und Selbstverständnis bei der Inanspruchnahme von Religionsfreiheit.

Daran knüpfen sich verschiedene Fragen an:
1. Ist der Säkularismus des Rechtsstaates die unerläßliche Voraussetzung für eine politische Gestaltung des weltanschaulichen Pluralismus oder ist Säkularismus seinerseits eine Art von Glauben da, der nicht für alle verbindlich erklärt werden kann?
2. Gebietet das Toleranzgebot auch Verhalten zu integrieren, das dem bundesdeutschen Wertesystem zu widersprechen scheint, wie das muslimische Geschlechterverhältnis?
3. Ist es notwendige Voraussetzung für die Gewährung der Religionsfreiheit religiöse Handlungen zu definieren - wie hier das Tragen des Kopftuches - oder ist die Definition Einschränkung der Freiheit?

Um diese Fragen soll es vor allem in der Diskussion in der AG gehen.

Einleitend werde ich versuchen, kurz die faktische Situation von MuslimInnen in Deutschland, das Geschlechterverhältnis im Islam und die Bedeutung des Kopftuches darzustellen. Die rechtliche Debatte, insbesondere die Argumentation für die Ablehnung von Frau Ludin, soll ebenfalls kurz skizziert werden.

In der Diskussion können auch die folgenden Fragen noch aufgegriffen werden:
1. Wie kann und muß unser Recht auf kulturelle Besonderheiten von MuslimInnen - vor allem in der Öffentlichkeit gelebte - reagieren?
2. Welche Präsenz von MuslimInnen in den verschiedenen Institutionen - z.B. im öffentlichen Dienst - kann das deutsche Recht zulassen?
3. Ist unser Recht geeignetes Instrument, um ethnische und religiöse Minderheiten zu integrieren?

Zum Teil wird behauptet, in der Diskussion über Tragen des Kopftuches werden Themen der Mehrheitsgesellschaft - nämlich unser eigenes problematisches Geschlechterverhältnis mitverhandelt. Welche Bedeutung das muslimische Kopftuch für das deutsche Geschlechterverhältnis hat, ist also ein weiterer möglicher Diskussionspunkt

Die Referentin promoviert in Berlin zu der Frage, ob muslimische Lehrerinnen das Kopftuch an öffentlichen Schulen tragen können.

Wann die Arbeitsgemeinschaft stattfindet, entscheidet sich kurzfristig.

Zur Vorbereitung empfehlen sich folgende Texte:
Alan, Ömer/Steuten, Ulrich: Kopf oder Tuch - Überlegungen zur Reichweite politischer und sozialer Akzeptanz, ZRP 1999, 209

Alberts, Hans: Neue Religionen und Beamtenrecht - Sannyasin als Lehrer? NVwZ 1985, 92

Battis, Ulrich: Kopftuchverbot im Schuldienst, ZTR 1998, 529

Debus, Anne: Der Kopftuchstreit in Baden-Württemberg - Gedanken zu Neutralität, Toleranz und Glaubwürdigkeit, KJ 1999, 430

Karakasoglu-Aydin, Yasemin: Religionsfreiheit für Muslime? Die Kopftuchdebatte im "Fall Ludin", in: Müller-Heidelberg/Finck/Narr/Soost (Hrsg.): Grundrechtereport 1999



AG 10:

Marxistische Rechtstheorie

Prof. Dr. Peter Römer; em. Uni Marburg

Ausgehend von der klassischen Basis - Überbaulehre und den Aussagen von Marx zum Recht wird die Entwicklung der marxistischen Rechtstheorie skizziert werden. Behandelt werden vor allem die Thesen von Stutschka über die Beziehung der Rechtsverhältnisse zu den allgemeinen Rechtsnormen und von Paschukanis zur Rechtsform. Auch die Kritik marxistischer Theoretiker an der bürgerlichen Rechtswissenschaft wird thematisiert. In der Diskussion soll vor allem versucht werden, die Frage zu beantworten, welche Bedeutung marxistischer Rechtstheorie gegenwärtig zukommt.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Vormittag statt.

Literaturhinweise:
H. Klenner, Was bleibt von der marxistischen Rechtsphilosophie? In: W. Maihofer, G. Sprenger, Hrsg., Praktische Vernunft und Theorien der Gerechtigkeit, ARSP Beiheft 50, Stuttgart 1992, S.12 ff.

H. Klenner, Rechtsleere. Verurteilung der Reinen Rechtslehre, Berlin (DDR), Frankfurt a. M. 1972

P. E. Nedbailo, Einführung in die allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, mit einem Vorwort von R. Arlt, Berlin (DDR) und mit einem Vorwort von G. Stuby, Frankfurt a. M. 1973

E. Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus. Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe, Wien, Berlin 1929, Neudruck mit einer Rezension von K. Korsch, Frankfurt a. M. 1966 und Freiburg, Berlin 991

N. Reich, Hrsg., Marxistische und sozialistische Rechtstheorie, Frankfurt a. M. 1972

P. Römer, Rechtliche Grundlagen der Politik. Zur Bedeutung einer politischen Rechtslehre, Demokratie und Recht, 3/73, S.232 ff., auch gekürzt abgedruckt in: N. Dimmel, A. J. Noll, Hrsg., Politik und Recht. Beiträge zum Wechselverhältnis von Gesellschaft und Recht, Edition Fortschrittliche Wissenschaft, Wien 1988, S. 45 ff.

P. Römer, Entstehung, Rechtsform und Funktion des kapitalistischen Privateigentums, Köln 1978, insbes. S. 30 ff.

H. Rottleuthner, Hrsg., Probleme der marxistischen Rechtstheorie, Frankfurt a. M. 1975

P. I. Stutschka, Die revolutionäre Rolle von Staat und Recht. Einleitung von N. Reich, Frankfurt a. M. 1969

I. Szabo, Karl Marx und das Recht, Vorträge, Berlin (DDR) 1981

W. A. Tumanow, Kritik der bürgerlichen Rechtsideologie, Berlin (DDR), mit einem Vorwort von P. Römer, Köln 1975

H. Wagner, Recht als Widerspiegelung und Handlungsinstrument., Köln 1976



AG 11:

Irreführung und Propaganda - Wofür Medien sich hergeben. Weshalb. Mit welchen Methoden. Und was dagegen zu tun ist.

Eckart Spoo; Journalist

Eine Vierte Gewalt ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Aber das Volk, von dem in der Demokratie alle Gewalt ausgehen soll, braucht Medien zur Information und Selbstverständigung. Wie erfüllen die Medien in der Bundesrepublik Deutschland diese Aufgabe? Welche reale Macht liegt in den Besitzverhältnissen der Medien?

Nach welchen Interessen sortieren sie gut und schlecht (böse), Freund und Feind? Welche Möglichkeiten haben die einzelnen JornalistInnen, von der Linie abzuweichen? Wie lernen sie, sich anzupassen? Was ist aus Bemühungen um Mitbestimmung und Selbstkontrolle geworden? Müssen die Medienkonsumenten sich alles gefallen lassen? Woran können wir überhaupt merken, ob Medien manipulieren bzw. manipuliert werden?

Wir wollen das Wirken von Medien anhand von Beispielen aus der Kriegs- und Gerichtsberichterstattung erörtern. Eckart Spoo, der 16 Jahre lang Bundesvorsitzender der Deutschen JournalistInnen-Union in der IG Druck und Papier/IG Medien gewesen ist und als Redakteur bei der "Frankfurter Rundschau" gearbeitet hat (jetzt ist er verantwortlicher Redakteur der Zweiwochenschrift OSSIETZKY im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte), wird seine Erfahrungen auch aus dem Deutschen Presserat und dem Vorstand der Internationalen Journalisten-Föderation beisteuern. Er ist seit Ende der 60er Jahre Autor und Herausgeber zahlreicher medienkritischer Publikationen, darunter "Die Tabus der bundesdeutschen Presse" und "Anspruch auf Wahrheit".

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Vormittag statt.



AG 12:

Von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft

Ralf Oberndörfer und Henning Flad; Redakteure "Faust"

Videoüberwachung öffentlicher Plätze, Massenscreenings für genetische "Fingerabdrücke", elektronische Fußfesseln, Privatisierung öffentlicher Räume: Die Informationsgesellschaft geht bei der Verfolgung tatsächlicher und vermeintlicher Delinquenz neue Wege. Die Vorstellungen von Repression, die bis vor zehn Jahren noch prägend waren, sind nicht mehr zeitgemäß. Wie lassen sich die neuesten Entwicklungen mit Hilfe eines theoretisch-kritischen Instrumentariums analysieren? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen dem alten Paradigma der Disziplinargesellschaft (Michel Foucault) und dem neuen der Kontrollgesellschaft (Gilles Deleuze)? In unserem Seminar wollen wir versuchen, aktuelle rechts- und vollzugspolitische Beispiele mit theoretischen Überlegungen zu verknüpfen und den Zusammenhang zwischen neuen Formen des Strafens und dem veränderten Arbeitsbegriff herauszuarbeiten.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Vormittag statt.

Literaturtips:
Gilles Deleuze: Postskriptum über die Kontrollgesellschaften, in: Unterhandlungen 1972-1990?, Frankfurt, 1993, edition suhrkamp 1778, Neue Folge Band 778, S. 254-262

Henning Flad: Brauchbare Illegalität, FAUST 99.04, S. 9 (über Doping und Spitzensport)

Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, 1977, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 184

Ralf Oberndörfer: Fesselspiele im Wohnzimmer, in FAUST 99.03, S. 11 (über die elektronische Fußfessel)

Ralf Oberndörfer: Eiserne Faust und unsichtbare Hand. Foucaults Gefängnis und die Suche nach den Sanktionen der Zukunft, in Forum Recht 98/1, 4-8

Widersprüche (Kleine Verlag), Heft Nr. 63, 1997: Schwerpunktnummer zu Strafvollzug

E-mail: faustmail@gmx.de

Homepage: www.gretchenverlag.de



AG 13:

Das Rechtssystem der DDR - Anspruch und Wirklichkeit

Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer; MdB PDS

Das Bild des DDR-Rechts wird sehr stark davon bestimmt, welche Rechtszweige im Einzelnen der Analyse zu Grunde gelegt wurden. Bei der Betrachtung des Arbeitsrechts, Familienrechts, Zivilrechts rücken Verständlichkeit, Bürgerfreundlichkeit von Recht und Rechtsanwendung in den Vordergrund, erscheint die Durchsetzung subjektiver Rechte gewährleistet. Wo sich Bürger und Statt direkt gegenüberstanden, lagen die Dinge anders. Im Verwaltungsrecht gab es eine juristisch gestützte Einflußnahme der Bürger im wesentlichen nur über Eingaben, die aus juristischer Sicht kein ausgebautes Instrument waren, deren Wirkung im Grunde in hohem Maße politisch war. Im Strafrecht, am stärksten im politischen Strafrecht (Arnold schätzt den Anteil auf 5 %) wird der repressive Charakter des Rechtsganz deutlich, sind auch die meisten Eingriffe, Ungesetzlichkeiten und Ungerechtigkeiten zu verzeichnen. Das Verfassungsrecht der DDR bedarf besonders kritischer Sicht. Die beiden Verfassungen der DDR "standen stets im Spannunsfeld von Recht und Politik, in dem die Verfassung selten obsiegte". Sie wurde weitgehen als der wirklichen gesellschaftlichen Entwicklung entrücktes Rechtsdenkmal begriffen.

Daraus ergibt sich, daß die DDR-Rechtsordnung, alle Rechtszweige zu allen Phasen ihrer Entwicklung, nicht auf einen einzigen Begriff zu bringen sind. Das gilt für den Begriff des Unrechtsstaats und des des totalitären Staates. Beide haben sich als politische Kampfbegriffe erwiesen, deren Anwendung auf die DDR ihr nicht gerecht wird. Der Einfluß des Rechts, der Juristen in der DDR, war in den Achtziger Jahren eindeutig stärker als in den fünfziger Jahren.

Aber auch der Begriff des Rechtsstaates trifft nicht zu. Offiziell war nur zeitweise, bis 1948, von 1963 bis 1967 und seit Juni 1988 vom Rechtsstaat die Rede. Überwiegend wurde aber darunter weniger eine prinzipielle Änderung verstanden, als eine weitere Legitimation analog der historischen Legitimation der DDR. Ein Rechtsstaat nach dem Maß des Grundgesetzes der BRD konnte und wollte sie nicht sein. Die führende Rolle einer Partei schloß ein Gericht als letzte Instanz wie das Bundesverfassungsgericht aus.

Die Arbeitsgemeinschaft findet am Samstag Vormittag statt.



AG 14:

Demokratie bei Rosa Luxemburg

Annelies Laschitza; Historikerin (angefragt)



AG 15:

Postmoderne Theorien als Befreiung?

Christoph Hesse; Doktorand Uni Bochum (angefragt)



AG 16:

Militarismus - Frauen und Schwule in der Bundeswehr

Dr. Claudia Haydt; Informationsstelle Militarismus (angefragt)