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Presseerklärung



Demonstrationsbeobachtung anlässlich des Kundgebungsrings um das Berliner Abgeordnetenhaus am 15.1.2004

"Von den vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen, die rund um die Bannmeile an fünf verschiedenen Orten parallel stattfanden, gingen insgesamt keine Aggressionen aus. Einige der Aktionen waren darauf gerichtet, die Bannmeile zu verletzen und den Ablauf der Plenarsitzung zur ersten Lesung des Landeshaushalts zu stören. Mehrfach kam es bei Festnahmen zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung seitens der Polizei."

Aufgrund der Vielzahl von Kundgebungsplätzen muss auch die Beurteilung des polizeilichen Verhaltens differenziert beurteilt werden. Während die Situation am Anhalter Bahnhof und Ecke Wilhelmstraße/Niederkirchner Straße entspannt war, trat die Polizei am Potsdamer Platz deutlich aggressiver auf. Das anfänglich verständnisvolle Verhalten der BeamtInnen gegenüber den vorübergehenden Blockaden der Kreuzung Wilhelmstraße/Leipziger Straße schlug später um. Dabei kam es in mehreren Fällen zu brutalen Festnahmen, bei denen Demonstrationsteil-nehmerInnen verletzt wurden. Kristallisationspunkt der Proteste stellte von Anfang an die Kundgebung in der Dessauer Straße / Ecke Stresemannstraße dar. Dort gab es einige Versuche, die Polizeisperren um die Bannmeile des Abgeordnetenhauses zu umgehen oder zu überwinden. Vielfach reagierte die Polizei darauf unangemessen gewaltbereit. Dabei wurde neben Schlägen und Tritten auch Pfefferspray eingesetzt. Dieses Verhalten provozierte schließlich Eierwürfe aus der Versammlung gegen einzelne PolizistInnen.

Insgesamt wurden 22 vorübergehende Festnahmen dokumentiert. Davon erfolgten sieben im Abgeordnetenhaus Berlin, nachdem einige DemonstrantInnen in der Plenarsitzung Transparente entfaltet und Flugblätter verteilt hatten. Die Personen wurden erkennungsdienstlich behandelt, d.h. ihre Fingerabdrücke und Fotografien sind in den Polizeidateien gespeichert worden.

Zweck unserer Demonstrationsbeobachtung war es, die Geschehnisse umfassend zu dokumentieren und durch unsere Anwesenheit deeskalierend zu wirken. Die Beobachtung wurde nötig, nachdem es in den letzten Wochen des Streiks immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei kam, welche jedoch überwiegend gewaltfrei verliefen. Allerdings provoziert der Versuch der Berliner ParlamentarierInnen, durch eine Bannmeile um das Abgeordnetenhaus die Kritik des Souveräns (also der Bevölkerung) auszusperren, eine Eskalation der Formen, in denen Protestierende ihre Meinung zu platzieren versuchen. Unabhängig von dem Anliegen der Demonstration ist für uns entscheidend, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit zu schützen. Dieses Grundrecht stellt eine tragende Säule unserer Demokratie dar und ist geeignet, "den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren" (aus dem Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes). Durch die Bannmeile entzieht sich die Politik der demokratischen Meinungsbildung und wälzt ihr Unvermögen auf die Polizei ab.

Kritisiert werden muss weiterhin, dass die Polizei auf den Versammlungen umfangreiche Videoaufnahmen machte, ohne dass eine Gefährdungslage bestand. Auch wurden massiv zivile BeamtInnen in szenetypischer Bekleidung eingesetzt. Dagegen erscheint das Konzept der Antikonflikt-Teams (AHA) nicht ernsthaft betrieben zu werden. In Konfliktsituationen griffen manche selbst auf Ersuchen der DemonstrantInnen nicht vermittelnd ein. An vielen Stellen trugen BeamtInnen Tarnüberzüge über ihren Helmen, so dass die Nummern der jeweiligen Einheiten verdeckt waren. Eine Individualisierung wird so unmöglich, die Strafverfolgung bei Körperverletzungen im Amt wird damit de facto ausgeschlossen. Auch Dienstnummern wurden auf Verlangen nur in Einzelfällen herausgegeben. Vielfach wurden Nachfragende statt dessen auf die Einsatzleitung verwiesen, die den befragten BeamtInnen teilweise auch nicht bekannt war, da sie ihre Befehle über Funk erhielten.

Die Arbeit der DemonstrationsbeobachterInnen erfolgte weitgehend ungehindert, allerdings ist diese Form der BürgerInnenbeteiligung bei den einzelnen BeamtInnen noch immer nicht sehr bekannt. Weitere Demonstrationsbeobachtungen z.B. am 1. Mai werden folgen.


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