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Studienkonten

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Im Mai 2002 wurden in Nordrhein-Westfalen Pläne der sozialdemokratisch geführten Landesregierung bekannt, von allen Studierenden 50 Euro Einschreibegebühren und 650 Euro Langzeit- und Zweitstudiengebühren zu erheben. Mittelfristig soll diese Regelung durch ein Sogenanntes Studienkontenmodell abgelöst werden.

Diese Pläne lösten eine massive Streikwelle in Nordrhein-Westfalen aus, an der sich über 15 Hochschulen beteiligten, unter anderem Köln, Bielefeld, Gießen, Aachen, Düsseldorf, Essen, Siegen, Duisburg, Trier und Wuppertal. Es fanden Demonstrationen mit mehreren zehntausend Teilnehmenden statt. Diese Proteste wurden von der Presse weitgehend ignoriert und fanden darum kaum Resonanz außerhalb Nordrhein Westfalens, obwohl fast überall ähnliche Szenarien drohen.


Nachdem die Proteste zu Semesterbeginn wieder aufflammten und massive Kritik auch von Seiten der SPD-Basis artikuliert wurde ist die Landesregierung scheinbar zurückgerudert und will statt dessen auf die Langzeitstudiengebühren verzichten und dafür die Einführung von Studienkonten vorziehen. Neben Nordrhein-Westfalen wollen Rheinland-Pfalz und aller Voraussicht nach auch Schleswig-Holstein und Hessen ab 2004 das „Studienkonten-Modell“ einführen und auch in Berlin gibt es solche Ideen innerhalb rot-roten Koalition. Aber was sind überhaupt Studienkonten und warum sollte man sie Studiengebühren vorziehen?


Es funktionieren wie eine Telefonkarte. Am Anfang bekommt jedeR Studierende ein Studienkonto mit einem gewissen Guthaben. Jede Veranstaltung kostet Geld und jedes Semester wird der entsprechende Betrag vom „Studienkonto“ abgebucht - die genauen Tarife sind noch unklar. Ist das Konto leer, muss für weiteres Studium bezahlt werden, geplant sind vorerst entweder pauschal pro Semester ca. 500 Euro oder pro Semesterwochenstunde ca. 25 Euro. Das Anfangsguthaben liegt dabei 10-20% über der minimalen Stundenzahl, die man für den Abschluss benötigt.


Das „Aufbrauchen“ des Kontos kann in einem gewissen Rahmen - vermutlich der anderthalbfachen Regelstudienzeit - verzögert, gestreckt, gesplittet werden. Dabei werden aber jedes Semester mindestens 8-10 Semesterwochen vom „Studienkonto“ abgebucht, auch wenn eigentlich gar keine oder nur wenige Veranstaltungen besucht wurden, dies kann beispielsweise bei einem Auslandsaufenthalt oder einem Praktikum der Fall sein.


Wie kann es nun überhaupt dazu kommen das man sein Anfangsguthaben überzieht oder mehr als das doppelte der Regelstudienzeit für sein Studium braucht? Die Gründe dafür sind vielfältiger als gedacht. Bei einem Studiengangswechsel beispielsweise fehlen im neuen Studiengang die „verbrauchten“ Semesterwochenstunden des alten, oder bei nicht bestanden Prüfungen müssen Veranstaltungen wiederholt werden, diese schlagen dann doppelte zu Buche, hinzukommen Veranstaltungen, die man aus Interesse und interdisziplinärem Anspruch heraus zusätzlich besucht. Es ist auch klar, das studierende Eltern oder Menschen, die neben dem Studium arbeiten müssen, einer Mehrfachbelastung unterliegen und kaum in der gleichen Zeit ihren Abschluss erlangen, wie diejenigen, die sich voll auf ihr Studium konzentrieren können. Hinzukommt, dass die Studienbedingungen es häufig gar nicht erlauben in der Regelstudienzeit fertig zu werden, insofern wird bereits hier von falschen Vorraussetzungen ausgegangen.


Es wird finanzieller Druck auf die Studierenden aufgebaut, unter Ausblendung der realen Studienbedingungen, die nicht in der Verantwortung der Studierenden liegen. Beispiele hierfür sind schlecht strukturierte Studiengänge, die den Abschluss in der vorgegebenen Zeit unmöglich machen, oder die unzureichenden Beratungs- und Betreuungsangebote. Damit wird die Beweislast und Verantwortung für das Einhalten der Regelstudienzeit an die Studierenden weitergegeben - kurz: privatisiert. Der Rheinland Pfälzische Bildungsminister und Erfinder der Studienkonten spricht im selben Zusammenhang von der Stärkung des Kundenbewusstseins bei den Studierenden.


In ihren qualitativen Auswirkungen sind sich Studienkontenmodelle und konventionelle Langzeitstudiengebühren überaus ähnlich:

  • Sie geben einen Rahmen sowohl für die Zeit als auch für den Umfang des Studiums vor und bestrafen Studienfachwechsler (20 % aller Studis).

  • Sie blockieren persönliche und berufsqualifizierende Weiterbildung, wie z.B. Sprachkurse.

  • Sie sanktionieren ein Studium über die reine Berufsausbildung hinaus.

  • Sie erschweren das Studium für Eltern (6,7 % aller Studis) und für Menschen, die neben dem Studium arbeiten (66 % aller Studis).


Der AStA der Ruhr-Universität Bochum erklärte deshalb nach der Entscheidung der Nordrhein-Westfälische Landesregierung auf die pauschalen Langzeitstudiengebühren zu verzichten: „Studiengebühren leider noch nicht vom Tisch: Auch Studienkonten sind Studiengebühren“. Der Bildungsreferent des Kölner AStAs sagte im gleichen Zusammenhang: „Die Studienkonten beinhalten im Kern ebenfalls Studiengebühren, und deshalb werden die Proteste jetzt weitergehen, um auch die Studienkonten noch zu kippen“.


Vor diesem Hintergrund erscheint die Erklärung Studienkonten einzuführen um Studiengebühren zu verhindern etwas paradox, vielmehr zeigt die bundesweite Entwicklung, dass Studienkonten von der Politik scheinbar als geeignetes Mittel betrachtet werden – die Protestbereitschaft der Studierenden durch Umbenennung des Sachverhalts zu umgehen.

Sollte dies gelingen, so könnte dies einem Dammbruch gleichkommen, denn sind Gebühren in welcher Form auch immer erst einmal eingeführt, ist deren schrittweise Erhöhung und Verschärfung relativ leicht durchsetzbar.


Und in Berlin? Aus Senatsverwaltung für Finanzen gab es bereits Andeutungen, dass man sich Studiengebühren zur Verbessung der desolaten Finanzlage vorstellen könnte und auch in der PDS gibt es Stimmen, die sich ein Studienkontenmodell für die Berliner Hochschulen vorstellen können. Es ist also damit zu rechnen, dass bei der geplanten Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes Studienkonten Diskussion stehen werden. Es bleibt zu hoffen, dass bis dahin allen Studierenden klar geworden ist, dass sich hinter der beschönigenden Umschreibung Studienkonten nicht anderes als altbekannte Studiengebühren verbergen.