»Ich kann nur nachträglich den deutschen Juristen danken, dass sie das alles nicht verfassungsrechtlich untersucht haben.«
—Bundeskanzler Helmut Schmidt, 1979

Die juristischen Folgen des Deutschen Herbstes

 

Ausgangspunkt
Dreißig Jahre nach dem „Deutschen Herbst“ ist diese gesellschaftspolitisch brisante Epoche erneut Gegenstand medialer Betrachtung. Die Auseinandersetzung ist meist geprägt von einem emotionalisierenden Schwerpunkt allein auf die von der Roten Armee Fraktion verübten Anschläge. Dabei wird nicht nur der gesellschaftspolitische Kontext ausgeblendet, sondern auch der staatliche, insbesondere der juristische Umgang mit diesen Formen militanter linker Aktionen ignoriert, welcher empfindlich in rechtsstaatliche Standards eingegriffen hat. Zu den vergessenen Themen gehören das Kontaktsperregesetz, die strafrechtliche Verfolgung und anderweitige Behinderung anwaltlicher Tätigkeit sowie die Umfeldkriminaliserung und extreme Ausweitung von Ermittlungsmöglichkeiten durch die Einführung des § 129a StGB. Bei der Veranstaltung wollen wir einen Blick werfen auf diese strafrechtlichen und strafprozessualen Gesetzesverschärfungen, ohne die die bundesdeutsche Geschichte nach dem „Deutschen Herbst“ anders aussehen würde.

Diese historische Perspektive soll jedoch nicht allein stehen. Stattdessen soll sie genutzt werden, um die aktuelle rechtspolitische Situation und neue Entwicklungen zu bewerten. Die meisten der damaligen rechtlichen Verschärfungen sind weiterhin in Kraft, ohne dass sich dagegen wahrnehmbarer Widerstand regt. Manche rechtsstaatlich fragwürdigen Verfolgungsinstrumente werden sogar fortentwickelt, wie es mit der Schaffung des § 129b StGB (Bildung ausländischer terroristischer Vereinigungen) geschehen ist. Auch die in den letzten Jahren erneut aufgekommene Debatte um ein „Feindstrafrecht“ zeigt, dass einmal errungene Rechtsgarantien für Individuen immer angreifbar bleiben und gegen staatliche Angriffe verteidigt werden müssen. Dies mag umso mehr gelten in Zeiten wachsender sozio-ökonomischer Unterschiede, in denen mit einer rigiden Durchsetzung staatlicher Strafansprüche nicht nur unliebsame Meinungen bekämpft werden können, sondern gleichzeitig der von Kriminalisierung nicht betroffenen Allgemeinheit ein Gefühl von Sicherheit vermittelt werden kann.

Ablauf
Zunächst halten die ReferentInnen einführende Referate. Daran anschließen wird sich eine Podiumsdiskussion, bei der natürlich auch Zeit für Nachfragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum sein wird.