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Die Gradwanderung zwischen sozialer Mobilität und Zwangsausbeutung


Der Siegeszug der Semestertickets kennzeichnete die Hochschullandschaft der 90er Jahre. Jetzt wird er durch überzogene Preisforderungen der Verkehrsunternehmungen in Gefahr gebracht. Als vor 12 Jahren in Darmstadt das erste Semesterticket eingeführt wurde, war klar, da es aufgrund des Zwangscharakters des Tickets zu vorteilhaften Konditionen und Preisgestaltungen kommt und da soziale Probleme und Ausschlusstatbestände für sozial schwache Menschen bei der Rückmeldung zum Semester nicht entstehen.

Das Motto war einfach: Der von Studierenden bezahlte Betrag vor Einführung eines Semestertickets wird auf alle Studierenden umgelegt. Dabei profitieren die Studis zuerst dadurch, dass relativ kleine Lasten auf viele Schultern verteilt werden, ihre Fahrtberechtigung fast automatisch erteilt wird und sie auf eine starke Verhandlungsposition der ASten bei der Preisgestaltung bauen konnten. Auch die Betreiber des öffentlichen Personenverkehrs haben Vorteile auf ihrer Seite: Sie sparen Verwaltungskosten (Fahrkartendruck, Verkaufs-provisionen, etc.) und erreichen eine hohe Kundenbindung. Außerdem erhalten sie zu einem vertraglich festgelegten Termin von den Verfassten Studierendenschaften im Voraus eine vertraglich festgelegte Summe.


In der BRD liegt das Preisniveau der allermeisten Semestertickets laut Umfragen des Dt. Studentenwerkes und der BSÖ zwischen 50 und 90 Euro. Auch die Gerichte haben das Semesterticket für zulässig erklärt, solange sich die den Vertrag mit den Verkehrsbetrieben im Auftrage ihrer Studierenden abschließende Verfasste Studierendenschaft (in Ausnahmefällen das StudentInnenwerk) an ihre gesetzlich definierte Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Belange" hält und die Preis/Leistungsgestaltung im Vergleich zur Rückmeldegebühr verhältnismäßig ist.

Zusätzlich wurden von den ASten kleine Fonds angelegt, die zur Abfederung von sozialen Härten (wie Unfall, soziale Notlage, Krankheit etc.) dienen, aus denen auch nicht PNV-Fahrer durch die Einrichtung von Fahrradwerkstätten etc. Vorteile ziehen und die damit Klagen gegen das Semesterticket verhindern helfen.


Doch die Ausgewogenheit, Verhältnismäßigkeit und Sozialverträglichkeit ist in Gefahr: Im Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) wurde das Ticket außerhalb der Stadt Frankfurt/M. 1999 um 32 % von damals 92,50 DM auf 121, 20 DM (62 Euro) angehoben; in Frankfurt/Main hat der RMV das Semesterticket um 46,5 % erhöht, von damals 174,50 DM auf rund 255 DM (130,38 Euro). In Hamburg wehrten sich 2000 die StudentInnen gegen die Preiserhöhungsforderungen der HVB, die das teuerste Semesterticket der BRD nochmals deutlich erhöht hatten, gleichzeitig aber durch eine Rückzahlung von ca. 200.000 DM zugaben, dass die Verkehrsunternehmen in den letzten Jahren zuviel von den StudentInnen abzockten.

In Berlin weigern sich die Verkehrsunternehmen gedeckt durch die Landesregierungen bisher gänzlich, die Verkaufszahlen des von Studierenden benutzten Azubitickets offenzulegen. Eine Berechnung der Kostenneutralität wird dadurch unmöglich und die Preisdiktate durch politischen Druck auf die Vertragspartner durchgesetzt.


Diese Beispiele führen vor Augen, wie wichtig bei Einführung eines SemesterTickets der Einstiegspreis mit der Offenlegung der Verkaufszahlen der Verkehrsunternehmen ist. Preiserhöhungsforderungen können nur verantwortungsvoll geprüft werden, wenn das auf der Grundlage der attestierten Einnahmebilanzen unter Berücksichtigung der Studierenden-entwicklung und der Teuerungsrate geschieht. Zu viel vereinnahmtes Geld fließt bei kommunalen und im Besitz des Bundes oder des Landes befindlichen Unternehmen größtenteils direkt in die jeweiligen Staatshaushalte.

Ein SemesterTicket „um jeden Preis" kann somit bedeuten, dass studentische Zwangsgelder zur Finanzierung von Verlustrechnungen der Verkehrsunternehmen und öffentlichen Haushalten zweckentfremdet werden.


Eine in Hamburg und teilweise in Berlin jetzt faktisch praktizierte PNV-Sonderabgabe der Studierenden an Aktiengesellschaften und Firmen bzw. öffentliche Haushalte war und ist nicht im Sinne der Studierenden, die das Semesterticket Anfang der 90 Jahre entwickelten.

Das Semesterticket könnte in Gefahr geraten, sich von einem emanzipatorischen Projekt für soziale Mobilität in sein genaues Gegenteil, einem Ausschlussmittel aus Mobilitäts-möglichkeiten und Hochschulbildung, zu verwandeln.


Oliver Stoll

Bundeskoordination Studentischer Ökologiearbeit (BSÖ) e.V.

Themensprecher Verkehr


mehr zum Thema Semesterticket unter http://www.studis.de/bsoe



Infoveranstaltung
Dienstag, den 12. November 2002 - 19 Uhr (c.t.)

im Raum 1070 im Hauptgebäude der Humboldt-Universität
(Unter den Linden 6, Tram: 1, 50, Bus: 100, 200, 348)



Vom 13. bis 15.11. Urabstimmung
zum Semesterticket nicht vergessen!!!

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