akj
Aktuell
|
Demobeobachtung
Presseerklärung zur Demobeobachtung
am 1. Mai 2004
Komitee für Grundrechte
und
Demokratie e.V.
Aquinostr. 7-11, 50670 Köln
Telefon: 0221 - 97 269 -30; Fax: -31
info@grundrechtekomitee.de
Dr. Elke Steven: 0177 - 76 21 303
elkesteven@grundrechtekomitee.de
Köln, den 2. Mai 2004
Mit 45 Demonstrationsbeobachtern und -beobachterinnen haben der arbeitskreis
kritischer juristinnen und juristen und das Komitee für Grundrechte und
Demokratie die Versammlungen am 30. April und 1. Mai 2004 in Berlin beobachtend
begleitet.
Die erste Erfahrungen, die wir zusammengetragen und vorläufig ausgewertet
haben, führen zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Die Polizei hielt sich
zurück und trug zur Deeskalation der Konflikte bei. Die angemeldeten Demonstrationen
verliefen friedlich und in ihren Ablauf griff die Polizei nicht ein -
über Ausnahmen ist zu berichten. Auch die Feste, vor allem das in Kreuzberg
am 1. Mai, konnten in weiten Teilen ohne polizeiliche Anwesenheit und
ohne polizeiliche Eingriffe stattfinden. Diese Einschätzung betrifft jedoch
nur die sicht- und erkennbaren Teile der Polizei. Denn diese arbeiteten
mit Zivilen Einsatzkräften und mit „szenetypisch“ gekleideten Ermittlern
zusammen, die unserer Beobachtung weitgehend entzogen sind. So müssen
wir eben auch konstatieren, dass eine Kontrolle und Überwachung aller
Versammlungen, ein massives polizeiliches Eingreifen bei Überschreitung
polizeilich gesetzter Grenzen und übermäßig harte Ingewahrsam- oder Festnahmen
vieler Einzelner stattfanden.
Im einzelnen ist zu benennen:
- Sowohl am Mauerpark in den frühen Morgenstunden des 1. Mai als auch
in den Abendstunden des 1. Mai in Kreuzberg wurden einzelne Personen
von Festnahmeeinheiten der Polizei aus der Gruppe der Feiernden herausgerissen
und festgenommen. Viele BeobachterInnen berichten von rücksichtslosen
Würge- und Hebelgriffen, vom Schleifen über den Boden, vom heftigen
Stoßen auf den Boden, so dass es zu starken Verletzungen bis hin zur
Bewusstlosigkeit kam. Die Videoüberwachung aller TeilnehmerInnen soll
angeblich gezielte Festnahmen ermöglichen, erhöht jedoch vor allem die
Unkontrollierbarkeit polizeilicher Eingriffe und schürt Ängste.
- Der angekündigte Einsatz von Polizisten in „szenetypischer“ Kleidung
konnte dem Ansatz entsprechend von uns nur begrenzt beobachtet werden.
Mehrmals fielen jedoch Zivilpolizisten auf, die sogar Waffen - Schlagstöcke
- gegen BürgerInnen einsetzten.
- Am Ende der 13.00 Uhr Demonstration vom Oranienplatz zum Kottbusser
Tor, die völlig friedlich verlief, konnten sich Versammlungsleitung
und Polizei nicht sofort auf den Ort der Abschlusskundgebung einigen.
Statt zu vermitteln und eine Abschlusskundgebung zu ermöglichen, beschlagnahmte
die Polizei den Lautsprecherwagen. Eine Person wurde in diesem Zusammenhang
festgenommen.
- Beim Zugang zur Gegendemonstration gegen die NPD-Demonstration am
Morgen des 1. Mai am Strausberger Platz wurden fast alle TeilnehmerInnen
durchsucht, viele wurden gar abgetastet. Teilweise wurden trotz Sonne
und geplantem längeren Zeitablauf sogar Plastikflaschen mit Getränken
einbehalten.
- So schwierig der Umgang mit zwei sich gegenseitig bekämpfenden Demonstrationen
für die Polizei ist - die NPD-Demonstration konnte zeitweise von einer
spontanen Gegendemonstration blockiert werden - so ist doch festzustellen,
dass das Recht auf Versammlungsfreiheit für die Gegendemonstrierenden
unverhältnismäßig eingeschränkt wurde. Über mehrere Stunden befand sich
ein Teil der Gegendemonstranten in einem Kessel. Zeitweise wurden Wasserwerfer
aus kurzer Distanz unmittelbar auf Personen eingesetzt.
Mehrmals fanden Identitätsüberprüfungen von Demonstrationsbeobachter-Innen
statt. Die Personalien von zwei Demonstrationsbeobachtern wurden am 30.
April in Berlin-Mitte eine dreiviertel Stunde lang geprüft. Dann erhielten
sie Platzverweise. Sie hatten sich das Kennzeichen eines Polizeiwagens
notiert.
Statt den Forderungen nach individueller Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen
nachzukommen, musste mal wieder beobachtet werden, dass ganze Einheiten
keinerlei Kennzeichnung ihrer Herkunft und ihrer Einheit aufwiesen.
gez.: Volker Gerloff (akj-berlin)
gez.: Elke Steven (Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.)
|