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Bauklötze

Stellungnahme von Dr. Wolfgang Aßmann, Verwaltungsleiter Jur.Fak. auf den freischüler-Artikel "Das Spiel mit den Bauklötzen"

Zuerst einige Thesen zu denen ich gern bei Gelegenheit noch einiges sagen würde, die aber auch zur Diskussion anregen sollen.

Als zweites habe ich einige wichtige Punkte zur Studienreform 2003 aufgeschrieben.

Und als drittes versuche ich, auf einige Punkte ihrer Verbesserungsvorschläge direkt einzugehen.


These 1
Die Juristische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin ist eine studienreformfreudige Fakultät. Die Studierenden waren und sind auch stets aktiv daran beteiligt. Und dies sollte unbedingt auch so bleiben.

These 2
Die wesentlichen Probleme der Juristenausbildung sind Folge der Reform von 2003 und nicht der der Modularisierung.

These 3
Die Modularisierung des Studiengangs Rechtswissenschaft erfolgt in Umsetzung des Hochschulvertrages.

These 4
Für die Stellung der Juristischen Fakultät in der Humboldt Universität zu Berlin und damit auch für die finanzielle und personelle Ausstattung ist zu Ausbildungsfragen die Position der Wissenschaftsverwaltung und nicht die der Justizverwaltung maßgebend.

These 5
Die Inhalte der Juristenausbildung werden von der Justizverwaltung bestimmt, die aber keinen Einfluss auf die personelle und finanzielle Ausstattung der Fakultät hat.

These 6
Die Juristische Fakultät hat sich entschlossen, die Modularisierung ernsthaft zu betreiben, d.h. die verschiedenen Vorgaben so weitgehend wie möglich umzusetzen und nur dort, wo es andere Vorgaben gibt, davon abzuweichen.

These 7
Das Studium der Rechtswissenschaft geht über acht Semester. Dabei sind das 7. und das 8. Semester einerseits direkte Vorbereitung auf die staatliche Pflichtfachprüfung und andererseits ist hier die Gelegenheit den Pflichtfachstoff in seiner Einheit zu erfassen. In der Neugestaltung diese beiden Semester liegt die Möglichkeit der Hochschule den Herausforderungen der Studienreform von 2003 zu begegnen.

These 8
Der Kampf gegen private Repetitorien ist viel zu kurz gefasst. Die derzeitige Neukonzeption des Uni-Rep ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eindeutig unzureichend im Sinne der These 7.

These 9
Das Lehrangebot des 7. und 8. Semester muss zukünftig einmal auf die staatliche Pflichtfachprüfung vorbereiten (und dies mindestens so gut wie die privaten Angebote) und zugleich den fachübergreifenden bzw. interdisziplinären Zugang zur Rechtswissenschaft bieten.

These 10
Das Jura-Studium erfordert einen hohen Zeitaufwand. Die 40-Stunden-Woche über 9 Semester mit nur kurzen Erholungspausen ist die Untergrenze der geforderten Belastung. Es gibt derzeit nur geringe Flexibilität ohne Studienzeitverlängerung.

These 11
Die Einführung von studienbegleitenden Prüfungen bereits in den 90er Jahren hatte das Ziel der frühzeitigen Rückkopplung über die Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss. Mit der Begrenzung der Wiederholungsmöglichkeiten ist nun eine deutliche Verschärfung eingetreten. Es ist aber eine gewollte und in anderen Fächern übliche Verfahrensweise. Das man in anderen Fächern nicht oder nur sehr selten dreimal durchfällt, kann nicht durch die Anzahl der Versuche ausgeglichen werden.

These 12
Die Reduzierung der Abbrecherquote ist derzeit kein allgemeines Ziel deutscher Hochschulpolitik. Gegenwärtig und wohl auch in den Folgejahren sind hochschulpolitisch die Studienanfängerzahlen relevant und nicht die Absolventenzahlen. Wenn eine Fakultät sich diesem Trend entgegenstellt und den Studierenden die Möglichkeit gibt, frühzeitig Eignung bzw. Nichteignung zu erkennen, ist dies ein mutiger Schritt, der auch immer Widerspruch hervorrufen wird.

These 13
Es gibt bisher keine Klarheit zur Frage, was das Ziel des Schwerpunktbereichs ist. Insbesondere unsere Schwerpunktangebote zeigen hier Unausgewogenheit.

These 14
Die Grundphilosophie der Modulstruktur ist bisher nicht umgesetzt. Es erfolgt keine Mischung der Veranstaltungsarten mit dem Ziel jeweils konkrete Kompetenzen zu vermitteln. Es fehlen z.B. konkrete Angebote zur Technik des Klausurenschreibens und zum Gutachtenstiel.


Die Studienreform von 2003

Die Juristische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin hat eine lange Tradition der Studienreform. Studienbegleitende Klausuren wurden bereits in den neunziger Jahren eingeführt. Für eine Reform des Hauptstudiums gab es konkrete Vorstellungen, als 2003 die neue Ordnungen eingeführt worden. Die Studienreform 2003 erfolgte auf Initiative der Justizverwaltung und nur unter geringer Beteiligung der Hochschulen.

Dieses für die Juristenausbildung typische Phänomen, dass aus Sicht der Hochschule die Ausbildungsinhalte von außen diktiert werden, hat dazu geführt, dass in den juristischen Fakultäten nur selten über Studiengestaltung, Lehrinhalte und ähnliches nachgedacht wurde. Hier hatte wie gesagt, in der Juristische Fakultät bereits ein Umdenken eingesetzt.

Die Studienreform 2003 hat Vorgaben formuliert, ohne zu Fragen, ob die Fakultäten in der Lage sind, diesen Vorgaben umzusetzen.

Was waren die Kernpunkte der Studienreform 2003?

  • Ziel des Gesetzes ist die Verbesserung der Juristenausbildung. Unter Beibehaltung der Zweistufigkeit der juristischen Ausbildung und der Einheitlichkeit der Berufsqualifikation für alle Juristinnen und Juristen (Einheitsjurist) soll besser auf den jeweiligen juristischen Beruf, insbesondere den des Anwalts, vorbereitet werden.
  • Die Juristenausbildung wird von Anfang an stärker berufsfeldorientiert und fächerübergreifend sein. Die anwaltsorientierte Ausbildung wird bereits Bestandteil des Universitätsstudiums sein.
  • Die Studieninhalte werden um die Vermittlung der erforderlichen Schlüsselqualifikationen erweitert (z.B. Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit).
  • Die Fremdsprachenkompetenz aller Studierenden wird gefördert (fremdsprachige rechtswissenschaftliche Veranstaltung oder rechtswissenschaftlich ausgerichteter Sprachkurs). Das Gewicht der Wahlfächer ("Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten") steigt. Die Schwerpunktbereichsprüfung wird auf die Universitäten verlagert, die staatliche Prüfung beschränkt sich auf die Pflichtfächer.
  • Das Ergebnis der universitären Schwerpunktbereichsprüfung geht zu 30 % in die Gesamtnote der ersten Prüfung ein.
  • Der Vorbereitungsdienst dauert weiterhin 2 Jahre. Neben jeweils mindestens 3-monatigen Pflichtstationen bei einem Zivilgericht, einer Staatsanwaltschaft und einer Verwaltungsbehörde haben alle Referendarinnen und Referendare eine 9-monatige Pflichtausbildung beim Anwalt zu absolvieren.

Zusammenfassend ergibt das

  • stärkere Berufsorientierung, insbesondere Vorbereitung auf den Anwaltsberuf
  • größere Interdisziplinarität (innerhalb der juristischen Fächer wie auch darüber hinausgehend z. B. Wirtschaftswissenschaften)
  • Vermittlung von Schlüsselqualifikationen in Kleingruppen
  • Verstärkung der Profilierung

Das sind alles Ziele, die zusätzlich Zeit und Personal erfordern, und zwar z. T. Personal, das an den juristischen Fakultäten nicht vorhanden ist.

Die Übertragung der Schwerpunktbereichsprüfung in die Zuständigkeit der Fakultäten, hat diesen einer Reihe von zusätzlichen Aufgaben gebracht. Es bleiben zusätzliche Aufgaben, auch wenn die Abnahme von Prüfungen zu den alltäglichen Aufgaben der Hochschullehrer gehört. D. h. wir können für diese "normale" Leistung nichts "Zusätzliches" von der Universität erwarten.

Einen Ausgleich gab es nicht. Für Berlin könnte man es als einen Ausgleich betrachten, dass erstmals der Prüfungsstoff in der JAO definiert wurde und das festgelegt ist, was in Grundzügen und was vertieft beherrscht werden soll. (Es ist mir allerdings nicht bekannt, ob dies auch in den Prüfungen so umgesetzt wurde.)

Wir haben es also primär mir Problemen der Studienreform von 2003 zu tun und nicht mit Problemen, die sich aus der Modularisierung ergeben.

Die Beurteilung der Studienreform 2003 muss auch im Berlin-Brandenburger Umfeld erfolgen. Da ist einmal das GJPA Berlin Brandenburg. Da ist zum anderen die Konkurrenzsituation FU – HU auf der einen Seite und der beiden rechtswissenschaftlichen Fakultäten auf der anderen Seite. Was die Fakultäten betrifft, so wird konsequent der Gedanke der Kooperation in den Vordergrund gestellt und die Studierenden sollen möglichst viel Möglichkeiten nutzen können.

Die FU hat gleichzeitig die Modularisierung des Studiengangs Rechtswissen-schaft durchgeführt. Dort ist er auch zum Wintersemester 2007/08 bereits in Kraft getreten. Es wäre deshalb sinnvoll, die beiden Studiengänge zu vergleichen.


Einzelpunkte

Die Modularisierung durfte keinesfalls die mit der Studienreform 2003 verbundenen zusätzlichen Belastungen weiter erhöhen. Und diese Forderung galt sowohl für die Studierenden als auch die Lehrenden.

Der wesentlichste Einschnitt erfolgt in der Prüfungsphilosophie. Der besonderen Schwere der Abschlussprüfung stand bisher die "unendliche" Anzahl der vorausgegangenen Prüfungsversuche gegenüber. Das wurde als gut empfunden. Nun ist die eine Seite weggebrochen. Das ist tatsächlich ein Einschnitt. Aber Systemwechsel, zumal so unvollkommene wie dieser, sind von solchen Einschnitten gekennzeichnet. Es kommt meines Erachtens darauf an, auch den Lehrenden diesen Einschnitt bewusst zu machen, damit sie mit den neuen Instrumenten umzugehen lernen.

Man muss sich auf eine neue Philosophie verständigen. Die könnte lauten: Eine kurzfristige Wiederholung macht Sinn, wenn ich eigentlich gut vorbereitet war, aber die Prüfung einfach verhauen habe. Zweimal verhaut man eine Prüfung nur, wenn man schlecht vorbereitet ist, also muss man sich besser vorbereiten, d.h. die entsprechende Veranstaltung noch mal besuchen, was immer zur Studienzeitverlängerung führt.

Einführungsveranstaltungen sind in vielen Fakultäten üblich. Bisherige Vorstöße in der Fakultät stießen auf vielfältigen Widerstand.

Die Absprachen zwischen den Hochschullehrern sind sicher verbesserungswürdig. In der Praxis hat es sich als vorteilhaft erwiesen, die Notwendigkeit der Absprachen zu verringern, d.h. einen Hochschullehrer beide Teile lesen zu lassen.

Dem Tausch von Grundrechten und Staatsorganisationsrecht steht nach meiner Kenntnis nichts entgegen. Andererseits lässt sich wohl auch die Veranstaltung zu Staatsorganisationsrecht so aufbauen, dass dort Kompetenzen erworben werden und nicht nur Stoff "geschüttet" wird.

Klausuren
Das Interesse am Klausurenschreiben ist völlig verständlich. Es geht aber darum ein Regime zu finden, das die verschiedenen Aspekte von personellen und finanziellem Aufwand und dem Nutzen in Einklang bringt.

Voraussetzung dafür ist aber eine Klarheit über das angestrebte Ziel. Die Klausuren der Modulprüfungen sollen zeigen, dass das notwendige Wissen und die notwendigen Kompetenzen für einen bestimmten Stoffbereich (mindestens ein oft auch Semester) vorhanden ist. Die vielfach gewünschten Übungsklausuren haben viel engere Ziele und können deshalb wohl auch unter anderen Bedingungen geschrieben werden.

Der Aufwand bei den Klausuren liegt insbesondere bei den Korrekturassistenten und bei der Raumfrage wenn zusätzlicher Raum erforderlich ist.

Hauptstudium
Die bereits vorgenommene Änderung im Öffentlichen Recht löst das eigentliche Problem der Vielfalt der Stoffbereiche nicht [Anmerkung d. Red.: gemeint ist hier der im Fakultätsrat beschlossene Tausch von Europarecht (vom 3. in das 4. Semester) mit dem Allgemeinen Verwaltungsrecht (vom 4. in das 3. Semester]. Das Problem für die Studierenden besteht auch darin, dass im Schwerpunktbereich z. T. an das Hauptstudium angeknüpft wird und zum Teil nicht. Bis das Thema ggf. im Repetitorium wieder aufgegriffen wird, ist ggf. viel vergessen. Andererseits ist das Hauptstudium Vorbereitung der Entscheidung für einen Schwerpunkt.

Für die Stoffvielfalt kann ich keine Vorschläge unterbreiten. Es wäre aber sicher hilfreich, wenn der Studierende das Wissen und die Sicherheit hätte, wann bzw. wo er noch etwas zum jeweiligen Thema erfahren wird.

Hausarbeiten
Es gibt nur noch eine Hausarbeit im bisherigen Sinne und dies ist die Studienarbeit. Hausarbeiten nach der neuen Ordnung sollen dazu dienen, das wissenschaftliche Arbeiten zu erlernen. Es geht nicht darum Wissen oder andere Kompetenzen nachzuweisen oder sich vertieft mit einem Thema auseinanderzusetzen. Das erfolgt erst in der Studienarbeit. Insofern ist hier ein Umdenken auf beiden Seiten erforderlich.

Hausarbeiten dienen der Vorbereitung der Studienarbeit. Es sollen Zitierweisen eingeübt werden, die Gliederung einer entsprechenden Arbeit praktisch erprobt, ein Anhang erstellt werden usw. Es gibt hier also einen Wechsel bei den Zielen.

Offen ist bisher, wie dieser Wechsel von den Lehrenden vollzogen wird. Z. B. wäre hier darüber nachzudenken, wie durch eine geeignete Themen diese Ziele erreicht und u. a. auch der befürchtete Druck auf einige wenige Bücher vermieden werden kann.

Der Umfang der Hausarbeiten ist unter diesem Aspekt auch völlig ausreichend, weil es eigentlich gar nicht um den Inhalt geht. Er ist nur Mittel zum Zweck und dieser Zweck kann so erreicht werden.

Zeitaufwand
Hinter den Zahlen steckt mehr Empirie als auf den ersten Blick erkennbar. Das eigentliche Problem liegt aber nicht in der fehlenden Genauigkeit, sondern in der Methode der Berechnung des Arbeitsaufwandes. Es hat sich auch gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen seitens der Hochschullehrer und der Studierenden gibt. Damit geht es nicht um die Frage soll man für Familienrecht 30 oder 60 Stunden Selbststudium ansetzen, sondern um sehr grundsätzliche Vorstellungen vom Studium. Meine Befragungen haben ergeben, dass die Erwartungen der Hochschullehrer insbesondere bezogen auf das eigene Fach meistens nicht sehr realistische Zahlen ergeben. Die Angaben der Studierenden lagen doch relativ nahe beieinander lagen. Das relativ grobe Raster von 1 Studienpunkt gleich 30 Stunden gleicht bereits viele individuellen Unterschiede aus.

In der Praxis geht es darum zu fragen, ob nicht zu viele Leistungen innerhalb eines kurzen Zeitraumes erwartet werden. Das könnte offensichtlich im 4. Semester so sein. Dem kann nur entgegengewirkt werden, wenn im Voraus bekannt wird, welches Niveau in der Klausur erwartet wird. Dies schließt die Position ein, dass bei bestandener Modulabschlussklausur noch nicht "Staatsexamensniveau" erreicht ist, sondern dies nur die Ausgangsbasis ist.

Die Berechnung des Zeitaufwandes ist mittelfristig der entscheidende Hebel für tatsächliche Veränderungen im Studienablauf bzw. beim Studienumfang. Der Widerspruch zwischen Stoffumfang und vorhandener Zeit ist durch keine System der Studienorganisation aufzulösen. Die Workload-Berechnungen bilden aber eine Möglichkeit der Darstellung dieses Widerspruchs.

Selbstbestimmtes Studium
Es gibt nur einmal in diesem Studium die Möglichkeit zur Selbstbestimmung und zwar bei der Wahl des Schwerpunktes. Mehr Selbstbestimmung ist nicht vorgesehen. Diese Tatsache kann man der Modularisierung anlasten, man kann aber auch sagen, dass die Modularisierung dieses Spezifikum des Jura-Studiums besonders deutlich macht.

Mehr Übungen
Der Umfang der Übungen hängt vom vorhandenen Personal, d.h. von der Anzahl der Mitarbeiterstellen ab. Das vorhandene Potenzial ist ausgeschöpft. Die Proportionen der Fachgruppen sind eingehalten. Innerhalb der Fachgruppen bestehen aber Umschichtungsmöglichkeiten. Statt Europarecht wäre also Baurecht möglich.

Stand: 06.01.2008 | Keine Haftung für externe Links.
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