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Freitag,
19. Oktober 2012, ab 14:00 Uhr im Raum 140/142 | Juristische Fakultät | Bebelplatz 1 (Kommode) | 1. OG
anschließend ab 18:00 Uhr im Konferenzsaal des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum | Geschwister-Scholl-Straße 1/3 | S/U-Bahnhof
Friedrichstraße, Tram: M1, 12, Bus: 100, 200, TXL, Tram M1, 50
und Samstag,
20. Oktober 2012, ab 10:00 Uhr im Raum 213 | Juristische Fakultät | Unter den Linden 9 (Altes Palais) | 2. OG
von 11 bis 13 Uhr in verschiedenen Räumen der Juristischen Fakultät | S/U-Bahnhof Friedrichstraße, Tram: M1, 12, Bus: 100, 200, TXL, Tram M1, 50
Propaganda: Gesamt-Flyer (pdf) Propaganda: Plakat zur akj-AG (pdf)
»Raus aus Insel!« skandiert ein Sprechchor vor den Wohnungen
zweier entlassener Sicherungsverwahrter im sachsenanhaltinischen Dorf Insel. »Ein Stadtteil in Wut und Angst« titelt die BILD Zeitung über die Unterbringung von Ex-Sicherungsverwahrten in Hamburg Jenfeld – »Vergewaltiger, Zeitbombe, Bestie, Sex-Verbrecher« werden sie in der Boulevardpresse genannt. Es folgt eine regelrechte mediale Belagerung der Entlassenen – manche nennen es »Hetzjagd«. »Ich will doch damit morgen nicht in der Zeitung stehen« argumentieren einzelne Vollstreckungsrichterinnen und –richter, genau wie forensische Sachverständige, zumindest hinter vorgehaltener Hand mit den medialen Konsequenzen unliebsamer Entlassungsentscheidungen. Die Zulassung zu Vollzugslockerungen und zum offenen Vollzug wird wegen der damit verbunden Gefahren der öffentlichen Wahrnehmung mehr und mehr von den Vollzugsanstalten gescheut. Auch bei der gesetzlichen Neugestaltung der Sicherungsverwahrung wird zuallererst auf intramurale Behandlung und nicht auf Außenorientierung gesetzt
Sind Resozialisierung, Wiedereingliederung und Behandlung im Vollzug so unpopulär geworden, dass eine endgültige Rückkehr zum Verwahrvollzug droht? Gibt es ein berechtigtes Interesse der Medien an einer derartigen Berichterstattung, oder ist sie schlicht Folge des Leitsatzes »crime sells«? Wie kann dieser politisch-publizistische Verstärkerkreislauf gebrochen werden?
Fragen, die auf den 2. Berliner Gefangenentagen auf einer sachlichen Ebene von JournalistInnen, Sachverständigen, FachpolitikerInnen, VollzugspraktikerInnen, der Fachöffentlichkeit, (ehemaligen) Gefangenen und Studierenden diskutiert werden sollen.
Die Tagung bietet darüber hinaus allen Interessierten eine Einführung, Auffrischung und/ oder Erweiterung der Kenntnisse im Vollzugs- und Vollstreckungsrecht an.
Programm
Freitag, 19. Oktober 2012
14–17:30 Uhr: Einführungsveranstaltung Juristische Fakultät | Bebelplatz 1 | Kommode | Raum 140/142
14:00 Uhr: Von Knästen und Menschenbildern – Einführung in das Thema Strafvollzug akj-berlin, in einer vom akj-berlin organisierten Einführung sollen zunächst die hinter der juristischen Betrachtung liegenden, historisch und rechtspolitisch herrschenden Vorstellungen zum Thema »Knast« reflektiert sowie ein Überblick zur Gesetzeslage gegeben werden. Referent: RA Marten Mittelstädt
15:30 Uhr: Anwaltliche Vertretung im Strafvollzug – Ein Überblick RA’in Ria Halbritter und RA Dr. Jan Oelbermann, die Referent_innen sind aktive Mitglieder des Arbeitskreises Strafvollzug und seit Jahren in Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren tätig.
18:00–21:00 Uhr: Der Umgang mit Restrisiken und mediale Wahrnehmung Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum | Konferenzsaal | Geschwister-Scholl-Straße 1/3
18:00 Uhr: Der Fall Insel, ein Dorf wehrt sich gegen zwei entlassene Sicherungsverwahrte Annette Wilmes (Journalistin, Berlin): Die freie Journalistin war viele Jahre lang unter anderem im Moabiter Kriminalgericht Gerichtsreporterin der Rundfunkanstalten der ARD. 1986 erschien ihr Buch »Recht geschieht ihnen«. Komplizierte Rechtsprobleme anschaulich darzustellen und auch Laien verständlich zu machen, ob nun in Printmedien, wie der »Zeit« oder aber im Rundfunk, war und ist ihr Anliegen. Sie führt mit einem Vortrag über die mediale Wahrnehmung über den Zuzug von zwei ehemaligen Sicherungsverwahrten in das sachsen-anhaltinische Dorf Insel in den Diskussionsabend ein.
18:30 Uhr: Verbrechensfurcht und mediale Wahrnehmung von Rückfallrisiken aus kriminologischer Sicht Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn ist seit 2011 Juniorprofessorin für Strafrecht und Kriminologie an der FU-Berlin. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Greifswald (Prof. Dr. Frieder Dünkel): Ihre laufenden Forschungen befassen sich u.a. mit dem Langstrafenvollzug und der Frage der Menschenrechte, insbesondere den Lebensbedingungen und psychischen Belastungen von Gefangenen. Sie wird nach der konkreten Einführung am Beispiel »Insel« aus kriminologischer Sicht mögliche Zusammenhänge zwischen medialer Wahrnehmung von Rückfallrisiken und Verbrechensfurcht beleuchten.
19:00 Uhr – Podiumsdiskussion: »Lohn der Angst« – Der Umgang mit Restrisiken und deren mediale Wahrnehmung Referent_innen: Dr. Volkmar Schöneburg (Justizminister Brandenburg), Dr. Ralf Kleindiek (Staatsrat Hamburg), Annette Wilmes, Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn, Moderation: RA Lawrence Desnizza (Berlin)
Dr. Volkmar Schöneburg (DIE LINKE) ist seit 2009 Minister der Justiz des Landes Brandenburg und war zuvor als Strafverteidiger in
Potsdam sowie auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Schöneburg ist Autor zahlreicher
Veröffentlichungen u.a. auch zur Sicherungsverwahrung. Er beschäftigte sich vor allem mit rechtstheoretischen, rechtsgeschichtlichen
und kriminalwissenschaftlichen Fragestellungen.
Als Jurist und Politiker der SPD ist Dr. Ralf Kleindiek seit 2011 Staatsrat der Behörde für Justiz und Gleichstellung in Hamburg. Zuvor arbeitete er unter anderem im BMI, dann als Leiter des Büros der Bundesjustizministerin Zypries, später im Leitungsstab des BMJ. Er veröffentliche u.a. »Wissenschaft und Freiheit in der Risikogesellschaft«. Kleindiek ist in Hamburg u.a. mit der Entlassungskonzeption ehemaliger Sicherungsverwahrter befasst.
Samstag, 20. Oktober 2012
10:00–11:00 Uhr: Festvortrag Juristische Fakultät | Unter den Linden 9 | Altes Palais | Raum 213
10:00 Uhr: RiOLG Dr. Wolfgang Lesting (Oldenburg) ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen auf dem Gebiet des Strafvollzugs, u.a. des Alternativkommentars zum Strafvollzugsgesetz und der Kommentierung zu Freiheitsentziehung und Unterbringung. Zusammen mit Prof. Johannes Feest veröffentlichte er u.a. zum Thema »Renitente Strafvollzugsbehörden« und zum mangelhaften Rechtsschutz im Strafvollzug.
11:00–13:00 Uhr: Arbeitsgruppen Juristische Fakultät | Kommode & Altes Palais
AG 1: Mediale Wahrnehmung und Folgen für den Strafvollzug Altes Palais | Unter den Linden 9 | Raum 213 Referent_innen: Kai Schlieter (taz Berlin), Lorenz Maroldt (Tagesspiegel), Prof. Dr. Tobias Singelnstein (FU Berlin) sowie ein ehemaliger Sicherungsverwahrter, Moderation: RA´in Dr. Ines Woynar (Hamburg).
Kai Schlieter ist Soziologe und Sozialpädagoge und arbeitet als Redakteur bei der taz. Seit 1998 ist er als Journalist tätig, zuerst beim Südwestrundfunk, später als Parlamentskorrespondent der Thüringer Allgemeine in Berlin und als Autor für den Deutschlandfunk. Er ist Autor des 2011 erschienenen Buches »Knastreport. Das Leben der Weggesperrten«, in dem er sich u.a. mit der »Stimmungsmache auf Kosten von Menschen ohne Lobby, von Gefangenen, die bewusst zu Monstern stilisiert werden«, beschäftigt. Lorenz Maroldt, Politikwissenschaftler und Journalist, ist seit 2004 Chefredakteur des Tagesspiegels. Prof. Dr. Tobias Singelnstein lehrt Straf- und Strafverfahrensrecht
an der FU Berlin. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema und u.a. Mitherausgeber der Zeitschrift »Neue Kriminalpolitik«. Sein Forschungsbereich umfasst u.a. Themenfelder wie »Sicherheit, soziale Konflikte und Regulation«.
AG 2: Die Angst vor dem Positiven Gutachten – Rolle der Sachverständigen und ihre Bewertung durch die Gerichte Kommode | Bebelplatz 1 | Raum 139a Referent_innen: VRiKG a.D. Wolfgang Weißbrodt, forensisch-psychiatrischer Sachverständiger Dr. Karl Kreutzberg, Prof. Dr. Gaby Temme (Polizeiakademie Niedersachsen), Moderation: RA´in Dr. Annette Linkhorst
VRiKG a.D. Wolfgang Weißbrodt war über zwei Jahrzehnte, das letzte davon als Vorsitzender, Richter am Kammergericht in dem vor allem für Vollzugs- und Vollstreckungssachen zuständigen 2. (bzw. 5.) Senat. Er hat die Rechtslandschaft des Berliner Strafvollzuges grundlegend geprägt. Dr. Karl Kreutzberg, erstellt als Facharzt für Psychiatrie seit über
drei Jahrzehnten u.a. kriminalprognostische Sachverständigengutachten für die Justiz. Er leitet seit 1984 als Chefarzt verschiedene
(forensisch) psychiatrische Abteilungen, zuletzt im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Berlin Reinickendorf. Seit 2005 hält Frau Prof. Dr. Gaby Temme den Lehrstuhl für Kriminalwissenschaften/ Kriminologie an der Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Fakultät Polizei (seit 2007 Polizeiakademie Niedersachsen). Ihre Schwerpunkte liegen auf den Gebieten Restorative Justice, Abolitionismus, Strafvollzug, Gender und Konstruktivismus.
AG 3: Was von den Ideen zur Neugestaltung der Sicherungsverwahrung noch übrig ist Kommode | Bebelplatz 1 | Raum E40/41 Referent_innen: MDg Dr. Bernhard Böhm (BMJ, Berlin), Dr. Volkmar Schöneburg sowie ein ehemaliger Sicherungsverwahrter aus Bayern, Moderation: RA Sebastian Scharmer
U.a. mit dem Brandenburger Justizminister Dr. Schöneburg diskutiert Ministerialdirigent Dr. Bernhard Böhm, zuständiger Unterabteilungsleiter u.a. für die Neuregelung der Vorschriften zur Sicherungsverwahrung im Bundesministerium der Justiz. Böhm ist seit 1992 im BMJ tätig und war als Leiter der zuständigen Abteilung bereits mit den zahlreichen vorangegangenen Neuregelungen zur Sicherungsverwahrung beschäftigt.
AG 4: »Architektur der Abschreckung« – »Fremd« im Recht | Betrachtungen zur Abschiebehaft
Kommode | Bebelplatz 1 | Raum 326 Referent_innen: RAin Berenice Böhlo (RAV), Yolanda Bakker (Initiative gegen Abschiebehaft) sowie Celestin Ngongang, Moderation: Matthias Peitsch und Sophie Baumann (jeweils akj-berlin)
In der BRD werden nicht nur im Strafvollzug Menschen gefangen gehalten. Diejenigen, die als „Fremde“ definiert werden, sitzen in Abschiebehaft. Ohne eine Straftat begangen zu haben, wird ihnen ihre Freiheit entzogen und ihr Alltag reguliert. Welcher „migrationspolitische“ Zweck wird hiermit verfolgt und inwiefern schlägt sich dieser in den Haftbedingungen und deren rechtlicher Ausgestaltung nieder? Gemeinsam mit der Rechtsanwältin Berenice Böhlo werden wir die rechtlichen Grundlagen und die Möglichkeiten und Grenzen juristischer Arbeit im Bereich der Abschiebehaft diskutieren. Celestin Ngongang bespricht mit uns die Zusammenhänge von Globalisierung und Widerstandsbewegungen. Yolanda Bakker von der Initiative gegen Abschiebehaft wird die Bedingungen in der Abschiebehaft und politische Kämpfe zu ihrer Abschaffung vorstellen.
AG 4: architecture of deterrence- „alien“ in the law | contemplations about custody pending deportation
Saturday, 20th of October | 11:00 a.m. room 326 | law faculty of the Humboldt-University | Bebelplatz 1
In Germany, people are not only imprisoned on the basis of criminal charges. People who are defined as „alien“ are arrested in detention to secure deportation. Without having committed a criminal offense, they are deprived of their freedom and their daily life is regulated. Which political purpose is pursued with this and to what extent is it realized in conditions of detention and their judicial design? Together with advocate Berenice Böhlo we will discuss the legal background and also options and limitations of legal work against custody pending deportation. Celestin Ngongang will talk with us about the relations between globalization and resistance movements. Yolanda Bakker, an active member of the „Initiative gegen Abschiebehaft“ is going to present the conditions in deportation prisons as well as political struggles against them.
The hosts will show no tolerance in case of racist, homophobic, antisemitic or other inhuman comments. The workshoip will be in German, but translations will be available in French and English.
14:00–16:00 Uhr: Podium Juristische Fakultät | Altes Palais | Raum 213
Abschlussdiskussion über die Ergebnisse der Arbeitsgemeinschaft mit Dr. Schöneburgh, MDg Dr. Böhm, VRiKG a.D. Weißbrodt, RiOLG Dr. Lesting, Prof. Dr. Singelnstein, Kai Schlieter und Lorenz Maroldt Moderation: RA'in Ursula Groos
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