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Gemeinsame
Erklärung –
Keine Sicherheit ohne Freiheit!
Berlin, den 14. September 2005
akj-berlin
Humanistische Union
Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV)
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)
Wahlkampfzeiten
laden dazu ein, Grenzen des Bestehenden zu überschreiten und neue Lösungen
zu propagieren. Es ist aber zutiefst beunruhigend, dass Politikerinnen
und Politiker fast aller Parteien in Deutschland mit Forderungen Pluspunkte
zu sammeln versuchen, die auf den Abbau von Grundrechten zielen. Offenbar
sind unter dem Eindruck der jüngsten Terrorakte jegliche Maßnahmen diskutabel,
die der verunsicherten Bevölkerung ein trügerisches Gefühl von Sicherheit
geben sollen. Doch zu welchem Preis?
So
wird z.B. die von der CDU schon seit der Debatte um das Zuwanderungsgesetz
geforderte präventive Sicherungshaft mit Beginn des Wahlkampfes auch in
der SPD befürwortet. Sicherungshaft bedeutet eine monatelange Inhaftierung
von Menschen, die nicht unter dem Verdacht stehen, eine Straftat begangen
zu haben, sondern eine solche irgendwann eventuell zu begehen. Nicht nur,
dass derartige Maßnahmen eklatant verfassungswidrig sind. Bemerkenswert
ist auch der Anlass dieser Forderung. Ausgerechnet die Londoner Anschläge
im Juli 2005 sollen hierfür als Rechtfertigung dienen, obwohl doch die
Existenz der Vorbeugehaft in Großbritannien diese Anschläge gerade nicht
verhindern konnte. Das u.a. aus den Erfahrungen mit der Schutzhaftpraxis
der Gestapo gewonnene verfassungsrechtliche Minimum, dass Freiheitsentziehungen
gerichtlich überprüfbar sein müssen, versucht der Bundesinnenminister
dabei als besonders rechtsstaatliches Zugeständnis zu verkaufen. Tatsächlich
wird eine gerichtliche Kontrolle aber umso wertloser, je unbestimmter
die gesetzlichen Voraussetzungen sind.
Auch
die Erschießung eines vermeintlichen Terrorverdächtigen in London, der
sich nach der Tötung durch fünf Kopfschüsse aus nächster Nähe als vollkommen
unschuldiger Bürger entpuppte, hat nicht zu der Erkenntnis geführt, dass
Erschießungen auf Verdacht mit dem untragbaren Risiko verbunden sind,
dass Unschuldige sterben. Im Gegenteil wurde dieser Vorfall zum Anlass
genommen, eine derartige Praxis auch in Deutschland einführen zu wollen.
Anstatt aber einen Zuwachs an Sicherheit zu bringen, wird durch die Erschießungsbefugnis
Angst und Schrecken verbreitet. Denn jeden, der sich „verdächtig“ verhält,
könnte es treffen.
Ein
weiterer „Klassiker“ aus dem Bereich der markigen Forderungen ist der
Ruf nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inland. Soll diese z.Z. „nur“
als Objektschutz und als Antiterroreinheit aktiv werden, könnte die dafür
notwendige Grundgesetzänderung einen weiten Einsatzrahmen eröffnen. Darüber
hinaus bleibt unklar, wie eine auf die Vernichtung eines militärischen
Gegners ausgerichtete Armee im zivilen Bereich polizeiliche Aufgaben –
wie das Verhindern von Straftaten – übernehmen soll, ohne der Bevölkerung
das Gefühl zu geben, im permanenten Kriegszustand zu leben.
Im
Gegensatz zur Militarisierung des Alltags nimmt sich der Vorschlag, die
Kompetenzen des Bundeskriminalamtes in der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung
zu erweitern, auf den ersten Blick harmlos aus. Im Kontext der verstärkten
Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizei kann dies jedoch zu einer
Machtkonzentration führen, die der Grundgesetzgeber aus triftigen historischen
Gründen verhindern wollte.
Diese
Beispiele aus der letzten Zeit verdeutlichen eine fatale Politik, die
mit immer neuen Vorschlägen immer weiter gehende Grundrechtseinschränkungen
propagiert, ohne dass damit ein Sicherheitsgewinn tatsächlich zu erreichen
wäre. Beunruhigend ist dabei vor allem, dass derart intensive Eingriffe
in die Freiheit jedes und jeder Einzelnen keine nennenswerte Ablehnung
in der Bevölkerung hervorrufen. Es ist zu vermuten, dass eine breite Mehrheit
der Menschen solche Maßnahmen nicht als Bedrohung empfindet, weil sie
scheinbar nur Minderheiten treffen. Doch Ideen wie die vorsorgliche Speicherung
sämtlicher Daten von Telefon- und Internetverbindungen zeigen, dass alle
Menschen Ziel von Überwachungs- und „Antiterrormaßnahmen“ werden können.
Der
Wert des Rechtsstaates liegt gerade darin, dass er in Krisenzeiten seine
Prinzipien bewahrt. Die unterzeichnenden Organisationen rufen daher die
Bürgerinnen und Bürger dazu auf, ihre Freiheiten nicht einem vermeintlichen
Sicherheitsgewinn zu opfern, sondern diese auch in schwierigen Zeiten
einzufordern.
Kontakt:
akj@akj-berlin.de
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