Gegen jede
Einschränkung des Demonstrationsrechts
Presseerklärung anlässlich der Demobeobachtung
in Pirna
Komitee für Grundrechte
und
Demokratie e.V.
Aquinostr. 7-11, 50670 Köln
Telefon: 0221 - 97 269 -30; Fax: -31
info@grundrechtekomitee.de
Dr. Elke Steven: 0177 - 76 21 303
elkesteven@grundrechtekomitee.de
Köln/Berlin, den 24. November 2004
Das Komitee für Grundrechte
und Demokratie und der arbeitskreis kritischer juristinnen
und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) beobachten
mit Sorge die aktuellen Bestrebungen zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit.
Am Umgang mit den Protesten gegen rechtsextreme und neofaschistische Aufmärsche
wird dies zur Zeit besonders deutlich. Nach dem “Aufstand der Anständigen”
sind Großdemonstrationen gegen Rassismus und Rechtsradikalismus seltener
geworden.
Rechtsextreme Parteien konnten Sitze in den Landtagen erlangen und ausbauen.
Protest gegen Rechtsextremismus wird fast ausschließlich von linken Gruppen
sichtbar gemacht. Gleichzeitig berichten die Medien über eine sich angeblich
verschärfende Konfrontation zwischen links- und rechtsgerichteten Gruppierungen,
die ohne Skrupel Mittel der Gewalt einsetzen. Im April ist ein nächtlicher
Brandanschlag auf die NPD-Bundeszentrale in Berlin-Köpenick verübt worden.
Jüngst kam es in Wurzen zu einem Rohrbombenanschlag auf das Büro der Bürgerinitiative
“Netzwerk für Demokratische Kultur e.V.”. Dies geschah nicht im Kontext
von Demonstrationen. In Chemnitz wurden die Teilnehmer/innen einer Antifa-Demonstration
gegen neofaschistische Strukturen in Sachsen von mehreren Hundert Rechtsradikalen
angegriffen. In Medienberichten wird all dies gleichgesetzt und der Eindruck
erweckt, das Gewaltniveau stiege auf linker wie auf rechter Seite.
Politiker/innen nehmen dies zum Anlass, Verbote für linke und rechte
Demonstrationen zu fordern. Die gesetzlichen Hindernisse gegen Demonstrationen
sollen erhöht werden. In Berlin soll sogar der Weihnachtskonsum einen
höheren Stellenwert erhalten als die Versammlungsfreiheit. Wie in den
Jahren zuvor wird über Demonstrationsbeschränkungen in Shopping-Meilen
diskutiert. Auch die Bereitschaft der Polizei, versammlungsfeindlich gegen
Demonstrationen und körperverletzend gegen Demonstranten vorzugehen ist
gestiegen:
- Der Zugang zu Demonstrationen wird beschränkt oder gänzlich verwehrt.
Beispielsweise wurden am vorletzten Wochenende die Berliner Busse mit
Teilnehmer/innen von Protesten gegen den Aufmarsch rechtsextremer Gruppen
in Halbe anlässlich des sogenannten “Heldengedenkens” so lange durch
sich wiederholende Vorkontrollen aufgehalten, bis die Demonstrationen
beendet waren. Im thüringischen Saalfeld wurden die Busse komplett in
Gewahrsam genommen. Nach Ende der Demonstrationen wurden sie nach Hause
zurückgeschickt.
- Immer wieder kommt es zu schweren Misshandlungen von Demonstrant/innen.
So z.B. anlässlich einer antifaschistischen Protestveranstaltung gegen
den Bombenanschlag in Wurzen am 15.11. 2004. Polizeibeamte schlugen
einem jugendlichen Demonstranten mehrere Zähne aus und verletzten sein
Gesicht schwer.
- Auflagen, die bisher gegen den militaristischen Charakter vieler rechtsradikaler
Aufmärsche gerichtet waren, finden jetzt undifferenziert auf antifaschistische
Demonstrationen Anwendung.
Aus diesen Gründen wird der akj-berlin anlässlich der Antifa-Demonstration
“Schöner leben ohne Naziläden” am 27. November im sächsischen Pirna eine
Demonstration beobachten. Wie schon oft werden wir sowohl das Verhalten
der Polizei als auch das der Versammlungsteilnehmer/innen vor Ort beobachten
und dokumentieren. Wir verstehen uns ausdrücklich nicht als Teilnehmer/innen
der Demonstration. Für uns ist entscheidend, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit
zu schützen. Auf der Grundlage unserer Beobachtungen werden wir das polizeiliche
Vorgehen in einer Presseerklärung auswerten.
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