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Gefährliches Werkzeug
Der akj-Themenabend


Die Notstandsgesetze 1968 und der übergesetzliche Notstand als Rechtfertigungsgrundlage im »Deutschen Herbst«

 

Montag, den 7. November 2011, 19–21:30 Uhr
Raum 326 | Juristische Fakultät HU | Bebelplatz 1 | 3. OG
(S/U-Bahnhof Friedrichstraße, Tram: M1, 12, Bus: 100, 200, TXL)

Propaganda: Plakat (pdf)
Lesestoff auf Anfrage: per Mail

 

Als das Grundgesetz 1949 in Kraft trat, enthielt es noch keine Bestimmungen zum Einsatz der Bundeswehr im Innern. Eine Bundeswehr gab es noch nicht, der Verteidigungsfall, heute Kapitel Xa (Art. 115a–115l) des Grundgesetzes als sogenannte »Notstandsverfassung«, war Sache der Alliierten. Als mit der Errichtung der Bundeswehr und dem Beitritt der BRD zur NATO 1955 der Kalte Krieg eine heiße Note bekam und das große Wettrüsten begann, entstand mit der Angst vor dem Ernstfall ein praktisches Bedürfnis zur Regelung des staatlichen Notstandes in der Verfassung. Eine Verfassung, die ihre verbürgten Grundrechte in bestimmten Situationen selbst außer Kraft setzen oder doch stark einschränken kann? Bei dieser Vorstellung gesellte sich zur Angst vor dem Feind die Angst vor dem Beschützer. Und: Wer ist überhaupt dieser Feind?

Dass Feind- und Angstbilder durchaus austauschbar waren, zeigt die Anwendung des Notstandsbegriffs im »Deutschen Herbst«. In Reaktion auf die gewalttätigen Aktionen der RAF wurden mit Hinweis auf §§ 34,35 StGB (rechtfertigender und entschuldigender Notstand) strafprozessuale und vollzugsrechtliche Rechte von Beschuldigten und Verteidiger_innen eingeschränkt sowie die Rettung von Geiseln oder die Durchführung massenhafter Datenabgleiche ohne weitere Rechtsgrundlage betrieben. Entsprechend erklärte Bundeskanzler Helmut Schmidt 1979 erleichtert: »Ich kann nur nachträglich den deutschen Juristen danken, dass sie das alles nicht verfassungsrechtlich untersucht haben.«

Wie der Notstand in die Verfassung kam – wer dieser Frage nachgeht, begegnet nicht nur Stationen eines Verfassungswandels, sondern auch den Grundfragen nach dem Verständnis von Freiheit und Sicherheit im Verfassungsstaat, nach den Aufgaben und Grenzen der Staatsgewalt sowie einem Feindbegriff, der wie eine Chimäre je nach politischem Bedürfnis ausgetauscht werden kann, um staatliche Maßnahmen auch in ihrer Illegalität zu legitimieren.

Am Themenabend wollen wir uns mit zeitgenössischen Texten beschäftigen, welche aus juristischer und demokratietheoretischer Sichtweise die Pläne der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes kritisierten. Einige aktuelle juristische Analysen sollen uns dazu in das betrachtete Rechts- und Geschichtsfeld einführen. Schließlich sollen zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stellvertretend für ihre Zeit den großzügigen Umgang der »Hüter_innen der Verfassung« mit den sicherheitspolitischen Begehrlichkeiten der Politik verdeutlichen.

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