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No. 1
Dezember 2003


Bewußtseinsdesign im Namen der Exzellenz

Wie man durch die Umstrukturierung der Universitäten das gesellschaftspolitische Bewußtsein der nächsten Generationen plant

Über die gesellschaftspolitischen Ziele
der Bertelsmann-Stiftung




6.1.



Markt für Studiengänge

 

 

 

 

 

 

 

 

»Bildungskredite als moderne Variante des Lehnswesens«

 

 

 

 

 

 

»Die Einführung des Wellness-Faktors an den Universitäten«

 

 

 

 

 

 

 

»Das Verteilen putziger Doktorhüte, Initiationsrituale nach jeder größeren Prüfung oder eine Partykultur, die nahtlos an die Schulzeit anschließt«

 

 

Die Behauptung, daß Studiengebühren die Studierenden stärken würden, indem es sie in die Marktrolle der Nachfragenden stellt, ist aus mehreren Gründen ein scheinhaftes Argument. Zum einen deshalb, weil Studiengebühren von 500 bis 1000 Euro pro Semester – verglichen mit dem gesamten Finanzbedarf pro Studienplatz – einen viel zu geringen Anteil an den Gesamtkosten beinhalten. Sie würden in dieser Höhe erhoben lediglich drei bis fünf Prozent der gesamten Kosten abdecken. Dieser Anteil ist aber viel zu klein, als daß die Universität durch eine wirtschaftliche Logik dazu angehalten wäre, auf die Studierenden als Kunden besondere Rücksicht zu nehmen. Durch Studiengebühren in Höhe von 500 bis 1000 Euro pro Semester würden den Studierenden höchstens subjektiv, jedoch nicht wirklich die Rolle eines Kunden annehmen. Ein Kunde wäre ein Student erst dann, wenn seine Studiengebühren einen nennenswerten Anteil an der Gesamtfinanzierung ausmachen würden. Das wäre aber erst bei Studiengebühren in Höhe von ca. 5000 bis 30.000 Euro pro Semester wirklich der Fall. Studiengebühren in dieser Höhe sind jedoch zur Zeit gesellschaftlich noch nicht akzeptiert. Deshalb darf die derzeitige Debatte zur Einführung von Studiengebühren in Höhe von 500 bis 1000 Euro auch nur als Türöffner zur Einführung viel höherer Studiengebühren – wie sie in den Vereinigten Staaten bereits gängig sind – gewertet werden. Denn wenn man Studiengebühren in Höhe von 500 Euro eingeführt hat, kann man mit dem Verweis auf besondere Qualität oder anderweitig eingetretene Finanzierungsnotstände nach und nach die Gebühren anheben. Lang-fristig wäre eine Gebührenhöhe von 5.000 – 10.000 Euro durchaus realistisch.

Die damit zeitgleich einhergehende Einführung von Bildungskrediten würde zudem dem Bankgewerbe einen lukrativen Markt verschaffen. Außerdem ergäben sich aus der Schuldenlast nach Abschluß des Studiums für die betroffenen Studierenden besondere Strukturzwänge. Um sich von der Schuldenlast zu befreien, wären sie gezwungen, mehr Geld zu verdienen, als sie zum Leben benötigen und wären unter Umständen sogar gezwungen, eine Karriere anzustreben, die sie sonst vielleicht nicht angestrebt hätte. Studiengebühren würden also in jedem Fall dazu führen, daß Menschen in ihrer Lebensplanung weniger frei wären. Diese Beschränkung der Freiheit ist vielleicht der eigentliche Grund, warum Studiengebühren bei Menschen mit einer autoritären Charakterdisposition besonderen Anklang finden. Ja, die Abhängigkeit, welche durch die Schuldenlast von bis 100.000 Euro und mehr für ein fünfjähriges Studium hergestellt wäre, kann man grundsätzlich als eine moderne Variante des Lehnswesens bezeichnen. Denn ganz genauso wie im mittelalterlichen Feudalismus wäre der normale Bürger gezwungen, zur bloßen Sicherung seiner materiellen Existenz eine Schuld auf sich zu nehmen, die ihn für die wichtigsten Jahre seines Lebens bindet. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß Studiengebühren Bildung von einem im Grunde genommen öffentlichen Gut in ein privates umdefinieren würden.

Doch bei näherer Betrachtung bricht die in allen Debatten vorherrschende Logik, die Universitäten durch die unsichtbare Hand des Marktes qualitativ zu verbessern, schon im Ansatz in sich zusammen: Nämlich die Behauptung, Studierende würden durch Studiengebühren Nachfragende auf einem Markt für Studiengänge. Dieses Argument ist auch deshalb irreführend, weil man einen Studiengang, bevor man ihn nicht studiert hat, ja gar nicht wirklich kennen kann. Damit die Konkurrenz auf dem Markt wirklich die Qualitätssteigerung eines Produkts bewirken kann, muß der Kunde allerdings über genügend Informationen zur Bewertung des Produkts verfügen. Die Vorstellungen, die ein Schulabgänger aber von einem Studiengang hat, sind jedoch von Vorurteilen und falschen Vorstellungen geprägt, die sich dann in der Regel im Laufe eines Studiums auflösen. Man steht also vor dem Paradox, daß der Schulabgänger als Kunde auf dem Bildungsmarkt ein Produkt nachfragen soll, das er seinem eigenen Status gemäß noch gar nicht kennen kann. Was also Schulabgänger auf einem Bildungsmarkt allenfalls nachfragen könnten, wären Klischeevorstellungen eines Studienganges, nicht aber dieser selbst. Die Ausrichtung eines Studienfaches nach einem nach außen leicht zu kommunizierenden Image, das Abiturienten nicht sofort abschreckt, könnte allerdings leichter dazu führen, daß der wissenschaftliche Anspruch eines Studienganges am Maßstab seiner Kommunizierbarkeit gemessen wird. Kommunizierbar sind aber vor allem Inhalte, die zur Warengesellschaft nicht in einem unmittelbaren Widerspruch stehen, während der eigentliche Inhalt von Wissenschaft fast durchgängig im Widerspruch zu gesellschaftlich vermittelten Vorstellungen steht. Die Grundvoraus-setzungen, die erfüllt sein müssen, damit bestimmte Gegenstände oder Produkte auf einem Markt gehandelt werden können, sind also bei Studiengängen in keinster Weise gegeben.

Um diesen Mangel auszugleichen, könnten sich Universitäten dazu veranlaßt sehen, die Fremdheit, die ein Schulabgänger gegenüber einem Studiengang naturgemäß empfinden muß, durch die Einführung eines tendenziell infantilen Wellness-Faktors auszugleichen. Maßnahmen dieser Art – etwa das Verteilen putziger Doktorhüte, Initiationsrituale nach jeder größeren Prüfung oder eine Partykultur, die nahtlos an die Schulzeit anschließt – würden vielleicht von einigen Studierenden als Kunden nachgefragt. Denn dieser Kunde kann ja nur nachfragen, was er kulturell bereits kennt. Die spezielle intellektuelle Atmosphäre, die an einer Fakultät vorherrscht, kennt er zunächst jedoch nicht, denn sie erschließt sich einem erst nach längerer Zeit, und im ersten Moment fühlt man sich durch sie nicht selten verunsichert und könnte deshalb dazu neigen, sie zunächst negativ zu bewerten. Die Marktmechanismen, denen man heutzutage so vieles zutraut, könnten deshalb leicht dazu führen, daß ein bestimmtes intellektuelles Klima durch sie sogar als negativ bewertet werden würde. Von dieser Atmosphäre geht aber in wesentlichem Maße eine erzieherische Wirkung aus, die ein Studiengang auf angehende Studierende ausübt. Es wird damit also deutlich, daß sehr wesentliche Eigenschaften einer Universität von den Marktmechanismen nur schwerlich bis gar nicht erfaßt werden und deren Etablierung aller Voraussicht nach so zu einer Verschlechterung des Studiums führen dürfte.

 

6.2. Der Arbeitsmarkt



Die UrheberInnenrechte liegen bei den jeweiligen AutorInnen.

 

 

Dezember 2003

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