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No. 1
Dezember 2003


Bewußtseinsdesign im Namen der Exzellenz

Wie man durch die Umstrukturierung der Universitäten das gesellschaftspolitische Bewußtsein der nächsten Generationen plant

Über die gesellschaftspolitischen Ziele
der Bertelsmann-Stiftung






Vorwort

 

 

 

 

 

Fast der gesamte zivilisatorische Fortschritt der Neuzeit ist direkt oder indirekt der Entstehung der Universitäten im ausgehenden Mittelalter zu verdanken. Denn es waren die Universitäten, die den Anbruch eines neuen Zeitalters möglich machten, indem sie Orte darstellten, an denen dem vorherrschenden Glauben an Wunder und Offenbarung überhaupt erst das Wissen um Kausalzusammenhänge entgegengesetzt werden konnte. Wir haben heute keine Vorstellung mehr davon, was es eigentlich bedeutete, daß es den Universitäten gelang, nach tausendjähriger Herrschaft der katholischen Kirche erstmals deren Bildungs- und Wissensmonopol zu brechen. Die Entstehung der abendländischen Wissenschaften ist auf eine glückliche Verkettung von Umständen zurückzuführen, die auch anders hätte ausfallen können, und sie wäre ohne den mühsam erkämpften Autonomieanspruch der Universitäten gegenüber kirchlicher und staatlicher Gewalt so nicht möglich gewesen.

Die derzeitige, sich teils in Planung und teils bereits in Durchführung begriffene Umstrukturierung der Universitäten unterscheidet sich von früheren Reformversuchen durch die Radikalität der Veränderung. Und zwar dadurch, daß das gesamte Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Universität sowie die Rolle von Wissenschaft und Bildung fundamental neu de. niert werden. Eine Neubestimmung, deren zentrales Anliegen es letztlich ist, durch die Etablierung einer betriebswirtschaftlichen Organisation Strukturzwänge zu schaffen, die die Autonomie der an der Universität forschenden und lehrenden WissenschaftlerInnen sowie den Wissens- und Bildungserwerb der StudentenInnen stark einschränken. Ziel ist dabei die umfassende Ausrichtung von Lehre und Forschung auf die Bedürfnisse der Wirtschaft. Vieles spricht dafü daf r, daß dieses das Ende der neuzeitlichen Tradition der abendländischen Universität bedeuten könnte.

Der Uni-Streik 2003/2004 war der bislang letzte Versuch, sich von studentischer Seite, dieser Entwicklung irgendwie entgegenzustellen. Dieses Bestreben fand Ausdruck in der spektakulären Besetzung der Unter den Linden 1 gelegenen Repräsentanz der Bertelsmannstiftung. Hintergrund dieser Aktion war die Erkenntnis, daß der von der Bertelsmannstiftung gegründete Think-tank CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) der eigentlich maßgebliche Akteur hinter der sich zur Zeit vollziehenden Umstrukturierung der Hochschulen ist; und auch, daß jede studentische Demonstration oder Mahnwache vor dem Roten Rathaus unwirksam bleiben muß, insofern sie sich nur an das ausfü ausf hrende Personal und nicht an die im Hintergrund wirkenden Strategen selbst richtet.

Trotz all dieser Versuche muß man leider konstatieren, daß die neoliberale Hochschulausrichtung ihren ungebrochenen Siegeszug fortsetzt. Denn die Studierenden, die sich ernsthaft um eine grundsätzliche Analyse der sich vollziehenden Veränderungen bemüht haben, waren deutlich in der Minderheit. Viele der Teilnehmenden mißverstanden den Streik eher als Medienspektakel, indem sie Särge durch die Straßen trugen oder nackt in die Spree sprangen, ohne jedoch dabei ihre Vorstellung von der Rolle der Universität in der Gesellschaft zumindest soweit konkretisiert zu haben, als daß sie den in allen Medien präsenten Verlautbarungen des CHE und verwandter Think-tanks irgend etwas entgegenzusetzen gehabt hätten. Der Streik als ästhetisches Happening arbeitete den neoliberalen Strategen eher noch zu, als daß er sie in ihrem „Reformeifer“ irgendwie gehindert hätte.

Aus dieser fatalen Situation ergab sich die Notwendigkeit, zunächst Versuche zu unternehmen, die Studierendenschaft selbst über die Tragweite und Radikalität der geplanten Neudefinition von Bildung, Universität und Wissenschaft aufzuklären. Erst wenn dieses ansatzweise gelingt, ist überhaupt daran zu denken, daß kritische Meinungs­äußerungen der Studierenden eine gewisse Wirkung in die Öffentlichkeit hinein entfalten können. Der folgende Text ist das Ergebnis eines solchen Versuchs und bemüht sich am Beispiel des CHE um eine grundsätzliche Analyse der sich vollziehenden Prozesse vor einem gleichermaßen soziologisch wie geschichtsphilosophischen Horizont.



Die UrheberInnenrechte liegen bei den jeweiligen AutorInnen.


 

 

Dezember 2003

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