akj-berlin

aktuell

erklärungen

das freischüßler

Vorträge

Seminare

Links

Kontakt

annex-home




 

 

zurück | nächste Seite

 





.

 




No. 1
Dezember 2003


Bewußtseinsdesign im Namen der Exzellenz

Wie man durch die Umstrukturierung der Universitäten das gesellschaftspolitische Bewußtsein der nächsten Generationen plant

Über die gesellschaftspolitischen Ziele
der Bertelsmann-Stiftung




1.



Die gesamtgesellschaftliche Situation

 

 

 

 

 

Jeder Versuch, die sich derzeit vollziehenden sogenannten Reformprozesse durch Hinweis auf deren mangelnde demokratische Legitimation in Frage zu stellen, ist vorab mit dem Bewußtsein der eigenen Ohnmacht konfrontiert. Denn in der gegenwärtigen Gesellschaft ist der Versuch, Demokratie einzuklagen, in verblüffend ähnlicher Weise vergeblich, wie es in der DDR unter Honecker oder in der Sowjetunion unter Breschnew vergeblich gewesen sein muß, ein sozialistisches Gesellschaftskonzept gegenüber seiner „real existierenden“ Parodie einzufordern. Zwar wird man in den gegenwärtigen Gesellschaften nicht aufgrund seiner Meinungsäußerung ins Gefängnis gesperrt. Aber dies ist nur dann ein Argument für die reale Existenz von Demokratie, wenn man Demokratie mit Rechtsstaatlichkeit eins zu eins gleichsetzt. Doch hier sind Zweifel angebracht. Das Versprechen, das historisch an Demokratie geknüpft ist, geht über die Wahrung von Menschenrechten und Rechtssicherheit weit hinaus. Demokratie bleibt auch als eine repräsentative an das Merkmal der Volkssouveränität gebunden, die sich über eine freie Öffentlichkeit herzustellen hat. Wie ist es in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung um dieses Kriterium bestellt?

Gemessen am Kriterium der Volkssouveränität ist Demokratie in den westlichen Gesellschaften im Schwinden begriffen. So gehört mittlerweile kein Mut mehr dazu, in den Politikwissenschaften eine Krise oder gar das Ende der Demokratie zu diagnostizieren. Weder existiert eine autonom und demokratisch verfaßte Öffentlichkeit, deren oberstes Merkmal ein öffentliches Bewußtsein politischer Alternativen wäre, noch hält das Bildungsniveau der Bevölkerung mit der zunehmenden Komplexität politischer Entscheidungsprozesse irgend Schritt. Kaum ein Bürger auf der Straße weiß, was Organisationen wie die WTO, der IWF, die Weltbank eigentlich sind oder welche Ziele internationale Vereinbarungen wie die GATS oder der Bolonga-Prozeß eigentlich anstreben und welche Interessen sie verfolgen, obgleich in diesen Gremien die Entscheidungen gefällt werden, die die Gesellschaft konstituieren, in der wir und unsere Kinder einmal leben werden. Die urdemokratische Fragestellung, die da lautet: „In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?“, ist zu einer unmöglichen Frage geworden, deren Sinn und Anliegen in Massenmedien, welche Nachrichten mit Blick auf zu erwartende Werbeeinnahmen gestalten, nicht mehr thematisiert werden kann. So sind die politischen Willensbildungsprozesse zunehmend in die Hände nichtstaatlicher Akteure übergegangen. Mit dem Geld finanzstarker Konzerne werden vermeintlich ums Gemeinwohl besorgte Stiftungen gegründet, die wiederum vermeintlich neutrale Expertenkommissionen ins Leben rufen. Deren Erkenntnisse werden über professionelles Lobbying an sogenannte Entscheidungsträger herangetragen. Da viele LobbyistInnen als solche gar nicht auftreten, sondern sich als Berater, Sachverständige oder Wissenschaftler ausgeben, haben viele Politiker das Gefühl, im Sinne der Vernunft und Objektivität zu handeln, wenn sie deren Argumentationsmuster übernehmen und in Politik umsetzen. Werbeagenturen werden darüber hinaus beauftragt, im Dienste der sogenannten „Öffentlichkeitsarbeit“ für die anstehenden Veränderungen schmackhafte Begriffsbildungen und eingängige Argumentationsketten zu entwickeln, die, sofern sie nur eingängig genug sind, schließlich von unzähligen Journalisten reproduziert werden. Kritischer Widerspruch ist zwar prinzipiell möglich, aber durch die Vielzahl an Wortmeldungen, die letztlich ein gesamt-gesellschaftliches Klima erzeugen, erscheinen diese Gegenpositionen zunehmend altmodisch, werden quantitativ schlichtweg überstimmt. Den gewählten Politikern fällt die Aufgabe zu, die in „think tanks“ erarbeiteten Konzepte lediglich nachzuvollziehen bzw. zur Wahrung der demokratischen Fassade zwischen der Wirtschaft und der Bevölkerung zu moderieren. Oft wird dabei auf die bereits erfolgte Durchsetzung der Konzepte in anderen Staaten verwiesen. Rankings werden erstellt, in denen das jeweils eigene Land an unterer Stelle rangiert, während die Favoriten beliebig austauschbar sind. In Anpassung an die faktische Machtverteilung hat sich auch die Öffentlichkeit dahingehend verändert, daß nur Argumentationsketten, die einer funktionalen und ökonomischen Logik folgen, überhaupt noch Schlußkraft zukommt. Jede tiefgreifendere Selbstverständigung, die das favorisierte Gesellschaftsmodell sowie die mit ihm einhergehenden Definitionen von Demokratie und Liberalismus nach ihrem Wahrheitsgehalt befragt, steht dem vorherrschenden Meinungsklima konträr gegenüber. Weil sie von den gewohnten und präformierten Pfaden des Denkens abweicht, weil sich im derzeitigen Sprachgebrauch Begriffe wie Gerechtigkeit und Utopie wie Antiquitäten ausnehmen, bleiben die politischen Hoffnungen vergangener Generationen am Wegrand der Geschichte liegen, als hätte es nie Menschen gegeben, die in Jahrhunderte währenden Kämpfen für Demokratie und echten Liberalismus ihr Leben eingesetzt haben. Die derzeitige Situation läßt sich deshalb als eine Paralyse der in kollektiver Selbstverständigung herzustellenden Vernunft deuten und geht zudem mit einem fundamentalen Abbruch geistiger Traditionen einher, deren Dramatik und Folgen noch gar nicht absehbar sind. Wurde in den ehemaligen Diktaturen Osteuropas Volkssouveränität durch den direkten Einsatz staatliche Gewalt, Zensur und Repression jeder singulären Meinungsäußerung unmöglich gemacht, so begnügt man sich in der westlichen Welt damit, mittels struktureller Machtausübung lediglich das Meinungsklima zu regulieren.(1) An die Stelle der Staatssicherheit tritt das ebenfalls Milliarden Euro verschlingende Werbeagenturen zum „Informationsdesign“.

Doch letztendlich ist damit die Abkoppelung politischer Entscheidungsprozesse von einer sich autonom und demokratisch organisierenden Öffentlichkeit fast ähnlich weit fortgeschritten. Der anschließende Text ist von dem Bemühen geleitet, die Konsequenzen der derzeitigen Veränderungen am Beispiel der Aktivitäten des Centrums für Hochschulentwicklung (abgekürzt CHE) und die durch sie angestrebte Umstrukturierung der Universitäten zu beschreiben und soziologisch wie geschichtsphilosophisch auszuloten.

2. Das CHE und die Privatisierung der Universitäten



Die UrheberInnenrechte liegen bei den jeweiligen AutorInnen.


 

 

Dezember 2003

zurück | nächste Seite