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No.
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Wie man durch die Umstrukturierung der Universitäten das gesellschaftspolitische Bewußtsein der nächsten Generationen plant Über
die gesellschaftspolitischen Ziele |
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Die gesamtgesellschaftliche Situation
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Jeder Versuch, die sich derzeit vollziehenden sogenannten Reformprozesse durch Hinweis auf deren mangelnde demokratische Legitimation in Frage zu stellen, ist vorab mit dem Bewußtsein der eigenen Ohnmacht konfrontiert. Denn in der gegenwärtigen Gesellschaft ist der Versuch, Demokratie einzuklagen, in verblüffend ähnlicher Weise vergeblich, wie es in der DDR unter Honecker oder in der Sowjetunion unter Breschnew vergeblich gewesen sein muß, ein sozialistisches Gesellschaftskonzept gegenüber seiner „real existierenden“ Parodie einzufordern. Zwar wird man in den gegenwärtigen Gesellschaften nicht aufgrund seiner Meinungsäußerung ins Gefängnis gesperrt. Aber dies ist nur dann ein Argument für die reale Existenz von Demokratie, wenn man Demokratie mit Rechtsstaatlichkeit eins zu eins gleichsetzt. Doch hier sind Zweifel angebracht. Das Versprechen, das historisch an Demokratie geknüpft ist, geht über die Wahrung von Menschenrechten und Rechtssicherheit weit hinaus. Demokratie bleibt auch als eine repräsentative an das Merkmal der Volkssouveränität gebunden, die sich über eine freie Öffentlichkeit herzustellen hat. Wie ist es in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung um dieses Kriterium bestellt? Gemessen am Kriterium der Volkssouveränität ist Demokratie
in den westlichen Gesellschaften im Schwinden begriffen. So gehört mittlerweile
kein Mut mehr dazu, in den Politikwissenschaften eine Krise oder gar
das Ende der Demokratie zu diagnostizieren. Weder existiert eine autonom
und demokratisch verfaßte Öffentlichkeit, deren oberstes Merkmal ein
öffentliches Bewußtsein politischer Alternativen wäre, noch hält das
Bildungsniveau der Bevölkerung mit der zunehmenden Komplexität politischer
Entscheidungsprozesse irgend Schritt. Kaum ein Bürger auf der Straße
weiß, was Organisationen wie die WTO, der IWF, die Weltbank eigentlich
sind oder welche Ziele internationale Vereinbarungen wie die GATS oder
der Bolonga-Prozeß eigentlich anstreben und welche Interessen sie verfolgen,
obgleich in diesen Gremien die Entscheidungen gefällt werden, die die
Gesellschaft konstituieren, in der wir und unsere Kinder einmal leben
werden. Die urdemokratische Fragestellung, die da lautet: „In welcher
Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?“, ist zu einer unmöglichen
Frage geworden, deren Sinn und Anliegen in Massenmedien, welche Nachrichten
mit Blick auf zu erwartende Werbeeinnahmen gestalten, nicht mehr thematisiert
werden kann. So sind die politischen Willensbildungsprozesse zunehmend
in die Hände nichtstaatlicher Akteure übergegangen. Mit dem Geld finanzstarker
Konzerne werden vermeintlich ums Gemeinwohl besorgte Stiftungen gegründet,
die wiederum vermeintlich neutrale Expertenkommissionen ins Leben rufen.
Deren Erkenntnisse werden über professionelles Lobbying an sogenannte
Entscheidungsträger herangetragen. Da viele LobbyistInnen als solche
gar nicht auftreten, sondern sich als Berater, Sachverständige oder
Wissenschaftler ausgeben, haben viele Politiker das Gefühl, im Sinne
der Vernunft und Objektivität zu handeln, wenn sie deren Argumentationsmuster
übernehmen und in Politik umsetzen. Werbeagenturen werden darüber hinaus
beauftragt, im Dienste der sogenannten „Öffentlichkeitsarbeit“ für die
anstehenden Veränderungen schmackhafte Begriffsbildungen und eingängige
Argumentationsketten zu entwickeln, die, sofern sie nur eingängig genug
sind, schließlich von unzähligen Journalisten reproduziert werden. Kritischer
Widerspruch ist zwar prinzipiell möglich, aber durch die Vielzahl an
Wortmeldungen, die letztlich ein gesamt-gesellschaftliches Klima erzeugen,
erscheinen diese Gegenpositionen zunehmend altmodisch, werden quantitativ
schlichtweg überstimmt. Den gewählten Politikern fällt die Aufgabe zu,
die in „think tanks“ erarbeiteten Konzepte lediglich nachzuvollziehen
bzw. zur Wahrung der demokratischen Fassade zwischen der Wirtschaft
und der Bevölkerung zu moderieren. Oft wird dabei auf die bereits erfolgte
Durchsetzung der Konzepte in anderen Staaten verwiesen. Rankings werden
erstellt, in denen das jeweils eigene Land an unterer Stelle rangiert,
während die Favoriten beliebig austauschbar sind. In Anpassung an die
faktische Machtverteilung hat sich auch die Öffentlichkeit dahingehend
verändert, daß nur Argumentationsketten, die einer funktionalen und
ökonomischen Logik folgen, überhaupt noch Schlußkraft zukommt. Jede
tiefgreifendere Selbstverständigung, die das favorisierte Gesellschaftsmodell
sowie die mit ihm einhergehenden Definitionen von Demokratie und Liberalismus
nach ihrem Wahrheitsgehalt befragt, steht dem vorherrschenden Meinungsklima
konträr gegenüber. Weil sie von den gewohnten und präformierten Pfaden
des Denkens abweicht, weil sich im derzeitigen Sprachgebrauch Begriffe
wie Gerechtigkeit und Utopie wie Antiquitäten ausnehmen, bleiben die
politischen Hoffnungen vergangener Generationen am Wegrand der Geschichte
liegen, als hätte es nie Menschen gegeben, die in Jahrhunderte währenden
Kämpfen für Demokratie und echten Liberalismus ihr Leben eingesetzt
haben. Die derzeitige Situation läßt sich deshalb als eine Paralyse
der in kollektiver Selbstverständigung herzustellenden Vernunft deuten
und geht zudem mit einem fundamentalen Abbruch geistiger Traditionen
einher, deren Dramatik und Folgen noch gar nicht absehbar sind. Wurde
in den ehemaligen Diktaturen Osteuropas Volkssouveränität durch den
direkten Einsatz staatliche Gewalt, Zensur und Repression jeder singulären
Meinungsäußerung unmöglich gemacht, so begnügt man sich in der westlichen
Welt damit, mittels struktureller Machtausübung lediglich das Meinungsklima
zu regulieren.(1) Doch letztendlich ist damit die Abkoppelung politischer Entscheidungsprozesse von einer sich autonom und demokratisch organisierenden Öffentlichkeit fast ähnlich weit fortgeschritten. Der anschließende Text ist von dem Bemühen geleitet, die Konsequenzen der derzeitigen Veränderungen am Beispiel der Aktivitäten des Centrums für Hochschulentwicklung (abgekürzt CHE) und die durch sie angestrebte Umstrukturierung der Universitäten zu beschreiben und soziologisch wie geschichtsphilosophisch auszuloten. |
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Dezember 2003 |