Stellungnahme
zur Änderung des ASOG
Berlin, den 20. November 2007
Am
Donnerstag, den 22. November 2007, berät das Berliner Abgeordnetenhaus
über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits-
und Ordnungsgesetzes und des Berliner Datenschutzgesetzes (Drucksache
16/0782).
Der
Entwurf sieht unter anderem vor, der Polizei den Zugriff auf Videoaufzeichnungen
anderer, auch privater Stellen, insbesondere – aber nicht nur – der BVG,
zu erleichtern. Außerdem sollen ihre Befugnisse zur „präventiven“ Videoüberwachung
bei Kontrollen im öffentlichen Raum und bei Großveranstaltungen ausgeweitet
werden.
Der
arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität
zu Berlin (akj-berlin) lehnt die Ausweitung
der polizeilichen Überwachungsbefugnisse im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung
aus verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Gründen ab.
Durch
die vorgesehenen Befugnisse zur visuellen Überwachung öffentlicher Verkehrseinrichtungen
und bei Großveranstaltungen wird in das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung einer Vielzahl von BürgerInnen eingegriffen, ohne dass
diese durch ihr konkretes Verhalten dafür Anlass gegeben hätten. Das hat
zu Folge, dass polizeiliche Maßnahmen nicht mehr eine konkrete Gefahr
und individuelle Verantwortlichkeit voraussetzen, sondern sich BürgerInnen
unterschiedslos als potenzielle RechtsbrecherInnen polizeiliche Überwachung
gefallen lassen sollen. Der Entwurf entfernt sich damit einmal mehr von
dem Verständnis des Polizeirechts als machtbegrenzende und freiheitsschützende
Regelung und verkehrt es zunehmend in sein Gegenteil. Im Übrigen fehlt
dem Land Berlin für die Überwachung von Verkehrseinrichtungen „zum Erkennen
von Straftaten“ bereits die Gesetzgebungskompetenz, da es sich dabei um
eine Maßnahme zur Aufklärung von Straftaten handelt, für die der Bund
zuständig ist.
Zudem
haben Studien im In- und Ausland gezeigt, dass von derartigen Überwachungsmaßnahmen
keine effektive Verhinderung von Straftaten, sondern höchstens eine Verlagerung
der Kriminalität erwartet werden kann. Deutlich wurde dies unter anderem
wieder im Zwischenbericht
zur Evaluation der Videoüberwachung in den U-Bahn-Linien 2, 6 und
8, der auf der Internetpräsenz der Humanistischen Union Berlin (www.berlin.humanistische-union.de)
abrufbar ist. Dass die Studie ursprünglich geheim gehalten werden sollte
und überhaupt erst auf Druck der Humanistischen Union veröffentlicht wurde,
ist für uns ebenso unverständlich, wie die Tatsache, dass der Ausbau der
Überwachung durch die BVG trotz deren offensichtlicher Wirkungslosigkeit
weiter forciert wird.
Das
viel beschworene Argument der möglichen Verhinderung terroristischer Anschläge
durch Videoaufzeichnungen erweist sich als fadenscheinig. Kein Anschlag
wird dadurch verhindert, dass ein Attentäter bei der Tatbegehung gefilmt
wird. Die Abwehr terroristischer Gefahren wäre nur möglich, wenn eine
fortwährende Beobachtung der Kamerabilder durch Beamte gewährleistet wäre,
die sich dann auch stets in unmittelbarer Nähe aufhalten müssten, um die
TerroristInnen noch vor dem Zünden des Sprengsatzes zu überwältigen. Kameraüberwachung
allein ist somit keine adäquate Alternative für die Präsenz von BeamtInnen.
Der
Ausbau der (Video-)Überwachung erscheint manchen offenbar als bequemer
Weg, der Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme aus dem Weg zu
gehen oder diese zu vertagen. Die Bekämpfung von Straftaten muss jedoch
bei deren Ursachen ansetzen. Staatliche Überwachung ist bestenfalls Symptombekämpfung,
meistens jedoch wirkungslose „symbolische“ Maßnahme auf Kosten der Freiheit.
Die
offenbar zur Ruhigstellung der KritikerInnen in den linken Flügeln und
Jugendorganisationen von SPD und Die Linke geplante Kennzeichnungspflicht
für SEK-BeamtInnen begrüßen wir nichtsdestotrotz ausdrücklich. Vor dem
Hintergrund, dass diese bereits seit Jahren geplant ist, erwarten wir
diesbezüglich jedoch baldige Taten und nicht weitere Ankündigungen. Auch
fordern wir weiterhin die individuelle
Kennzeichnungspflicht für sämtliche PolizeibeamtInnen im geschlossenen
Einsatz.
Der
akj-berlin fordert die Mitglieder der Fraktionen von SPD und Die Linke
daher auf, dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der ASOG nicht
zuzustimmen und sich auf ihre Verantwortung zum Schutz der BürgerInnenrechte
zu besinnen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre es, die
Verabschiedung des Gesetzes zu vertagen, um eine ausführliche öffentliche
Debatte des Entwurfs zu ermöglichen. Dass Diskussionsbedarf besteht, zeigen
die selbst innerhalb der Regierungsfraktionen bzw. -parteien geäußerten
Bedenken.
Kontakt:
akj@akj-berlin.de
Pressemitteilung
zur Stellungnahme des akj-berlin (pdf)
Stellungnahme als pdf-Datei
|