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Maisteine?
- Berliner Justiz schlägt zurück
Gemeinsame
Presseerklärung des
14.
Juni 2004
Komitee für Grundrechte
und Demokratie
arbeitskreis kritischer juristinnen und
juristen (akj-berlin)
Landesvorstand der Jusos Berlin
Der
arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen (akj-berlin),
das Komitee für Grundrechte und Demokratie und der Landesvorstand
der Jusos Berlin beobachten mit Sorge die in der Presse bekannt gewordenen
Umstände des Umgang der Berliner Justiz mit den Menschen, die anlässlich
des 1. Mai 2004 in Berlin festgenommen wurden. Die Ankündigung seitens
der Polizei und Staatsanwaltschaft, dass gegen “Randalierer/innen” in
diesem Jahr hart durchgegriffen werde, scheint sich auf Kosten der Justizgrundrechte
zu bewahrheiten.
Bereits
bei den Festnahmen ging die Polizei häufig brutal vor. In diesem Jahr
wurden nahezu doppelt so viele Haftbefehle ausgesprochen wie in den Jahren
zuvor (2003: 56, 2002: 41 und 2001: 38), obwohl es viel weniger Krawallszenen.
Noch befremdlicher allerdings ist die Tatsache, dass sich nach Informationen
des Ermittlungsausschuss Berlin auch fünf Wochen nach der Festnahme noch
immer 36 Gefangene in Untersuchungshaft befinden, ohne dass die strafprozessualen
Voraussetzungen bestehen. Der Verdacht ist begründet, dass Beschuldigte
durch die Staatsanwaltschaft übergebührlich in Haft gehalten werden, um
Aussagen von ihnen zu erpressen.
“Wenn
sich diese Anzeichen bewahrheiten sollten und Untersuchungshaft als vorweggenommene
Strafe vor einem ordentlichen Gerichtsverfahren missbraucht wird, haben
wir in Berlin einen handfesten Justizskandal,” kommentiert Franziska
Drohsel von Landesvorstand der Jusos.
Und
Prof. Wolf-Dieter Narr vom Komitee für Grundrechte und Demokratie
ergänzt: “Aus dem demokratisch zentralen Grundrecht der Freiheit zu demonstrieren,
wird mehr und mehr ein präventiv und auf Abschreckung bedachtes Recht
der Polizei, Demonstrierende zu disziplinieren. Demonstrationen von Bürgerinnen
und Bürgern werden zu Demonstrationen polizeilicher Gewalt, die politisch
missbraucht wird, um exekutive Ordnungszwecke durchzusetzen. Dafür wird
das hohe Gut bürgerlicher Rechtssicherheit ein Gutstück preisgegeben,
das für die Bürger, hier die Demonstrierenden heißt, genau zu wissen,
wann und wie das staatliche Gewaltmonopol eingesetzt wird, das vorrangig
dazu dient, die Freiheit des Demonstrierens zu gewährleisten”
Vor
diesem Hintergrund veranstaltet der arbeitskreis kritischer juristinnen
und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin am Dienstag, den 15.
Juni 2004 um 19.00 Uhr im Raum 2014a der Humboldt-Universität (Unter den
Linden 6) eine öffentliche Anhörung
von Anwält/innen, die Betroffene in der Untersuchungshaft betreuen. Dazu
wird ausdrücklich eingeladen. Dort soll Gelegenheit sein, Fälle darzustellen,
Tendenzen aufzuzeigen und Konsequenzen zu diskutieren.
Die
eingeladenen Anwält/innen bestätigten unsere Befürchtungen. So erklärt
Rechtsanwältin Ulrike Birzer: “Ich habe den Eindruck gewonnen,
der 1. mai stelle einen eigenen Haftgrund dar.”
Auch Rechtsanwalt Sönke Hilbrans vom Republikanischen Anwältinnen
und Anwälteverein (RAV) kann sich des Eindrucks nicht erwehren, “dass
Untersuchungshaft den Charakter eines Disziplinararrestes bekommt und
das kriminalpolitische Ziel der Abschreckung auf Kosten von Beschuldigten
exekutiert wird, die nach der Prozessordnung als unschuldig zu gelten
haben.”
Sein Kollege Sven Lindemann ergänzt: “bei den Vorführungen vor
den Haftrichter wurden die Rechte der Beschuldigten mit Füßen getreten.
Die Richter waren offensichtlich voreingenommen und wollten die Vorgaben
der Staatsanwaltschaft auf möglichst viele Untersuchungsgefangene erfüllen.
Diese Vermutung wurde dadurch erhärtet, dass Haftbefehle mitunter bereits
vor Beginn der Vorführungen unterschrieben und gestempelt waren. Mir ist
kein einziger Fall bekannt, wo der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass
eines Haftbefehls von den zuständigen Richtern abgelehnt wurde.”
Gemeinsam
mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie hat der akj-berlin vor
und am 1. Mai die Demonstrationen beobachtet (siehe Pressemitteilung vom
2. Mai 2004). Dabei war es bereits am Vorabend des 1. Mai zu Indentitätsüberprüfungen
und Platzverweisen für DemobeobachterInnen gekommen. Obwohl mit der Einsatzleitung
abgesprochen war, dass Demobeobachter/innen nicht Teil der Demo sind,
und obwohl sie als Beobachter/innen durch ihre Ausweise und gelben Armbinden
deutlich erkennbar waren, wurde ihre Tätigkeit in Einzelfällen als Gefährdung
der polizeilichen Maßnahmen durch Platzverweise und Personalkontrollen
mit bis zu einstündiger Dauer behindert. Die betroffenen Beobachter haben
erfolglos Widerspruch gegen die Maßnahmen der Polizei erhoben und erwägen
jetzt, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben, um die Rechtswidrigkeit
der Maßnahmen feststellen zu lassen. Darüber hinaus werden die betroffenen
Beobachter vorsorglich einen Antrag auf Datenauskunft beim Polizeipräsidenten
stellen.
Stefanie
Richter vom akj-berlin erklärt dazu: “Die polizeiliche Praxis der
jüngsten Vergangenheit gibt leider Anlass zur Sorge, dass die erhobenen
Daten Eingang in Dateien über angeblich gewalttätige Demonstrationsteilnehmer/innen
finden könnten. Diese werden dann zur Begründung von polizeilichen Maßnahmen
bei späteren Anlässen herangezogen und behindern die Betroffenen in der
Ausübung ihrer grundrechtlich geschützten Demonstrationsfreiheit.”
Pressestimmen:
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