Offener Brief: Solidarität mit wohnungslosen Menschen

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister von Berlin, liebe Mitmenschen,

nach Beschluss des Berliner Senats vom 13. März 2020 wurden ab dem 16./17. März 2020 alle Schulen und Kitas geschlossen. Dies erfolgt im Sinne der Wahrnehmung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, vor die
uns die Covid19-Pandemie stellt. Mit Ihrem Aufruf „Jetzt geht es darum, zusammenzustehen und diese Krise gemeinsam zu bewältigen. Bitte seien Sie solidarisch!“ fordern Sie richtigerweise besondere Rücksichtnahme
auf gefährdete Personengruppen, also insbesondere ältere Menschen und Personen mit einem schwachen Immunsystem. Dabei dürfen allerdings auch nicht die Menschen vergessen werden, die ohne Wohnung sind.

Wohnungslose haben nicht die Möglichkeit, sich der aktuellen Situation zu entziehen. Gleichzeitig leiden sie aufgrund ihrer Lebensverhältnisse oft an verschiedenen Krankheiten, wodurch ihr Immunsystem ohnehin
geschwächt ist. Damit gehören sie zweifelsohne zu den besonders gefährdeten Personen. Für sie ist dieselbe Fürsorge und Rücksichtnahme geboten!

Daher ist es ihnen wenigstens zu ermöglichen, Obdach zu finden, um nicht auf öffentlichen Plätzen ausharren zu müssen. Öffentliche Plätze wie stark frequentierte Straßen und Bahnhöfe sind Orte, an denen aufgrund
der Menschenmengen eine erhöhte Ansteckungs- und Verbreitungsgefahr des Corona-Virus zu erwarten ist. Sich von solchen Orten fernzuhalten, steht wohnungslosen Personen im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung nicht
offen. Damit sind Wohnungslose einem ungleich größeren Risiko einer Infektion ausgesetzt.

Daher unterstützen wir die Forderung, die derzeit in der Wohnungsnotfallhilfe formuliert wird, dass der Senat Hotels verfügbar machen soll, um Wohnungslosen Schutz vor dem Corona-Virus zu ermöglichen. Auch muss es in dieser Situation möglich werden, leerstehende Gebäude und (Ferien-)Wohnungen zu beschlagnahmen.

Bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften stehen beispielsweise ca. 6.000 Wohnungen leer. Auch die Leerstände überall in der Stadt – Zweit-, Dritt- und Viert-Wohnungen sowie Airbnb Wohnungen – stellen, in
Anbetracht der hilflosen Lage der geschätzten 10.000 Menschen auf den Straßen unserer Stadt, eine Fahrlässigkeit dar. Um nicht noch mehr Menschen schutzlos dem Virus auszusetzen, müssen zudem sämtliche
Zwangsräumungen ausgesetzt werden. Damit schließen wir uns in vielen Punkten den Forderungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe an. In der jetzigen Lage ist die Nicht-Auflösung der Lager und
Sammelunterkünfte in besonderer Weise unzumutbar.

Da auch der Verkauf von Straßenzeitungen und anderes Einkommen für obdachlose Menschen momentan größtenteils wegfällt, ist auch die Versorgung mit Essen, Getränken und Dingen des täglichen Bedarfs
sicherzustellen.

Wenn möglich und unter umfassenden Schutzmaßnahmen, müssen die Ausgabestellen, die jetzt geschlossen wurden, weiterbetrieben werden. Unterstützend könnten auf andere Orte ausgewichen werden: mit den
leerstehenden Gebäuden der 825 Berliner Schulen ab dieser Woche bleiben zahlreiche Flächen unbenutzt. Bei gleichmäßigem Besuch dieser Orte durch Betroffene bliebe die 50-Menschen-Marke bei weitem unterschritten. Somit könnten diese Standorte für Essensausgaben durch Lebensmittel spendende Organisationen direkt angefahren werden, was der aktuellen Schließung zahlreicher immobiler Ausgabestellen entgegenwirken würde.

Insgesamt muss die Versorgung und Unterbringung für alle Menschen ermöglicht werden, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus! Es muss sichergestellt sein, dass im Zuge der Unterstützung kein akutes oder
zukünftiges Risiko der Verfolgung oder Abschiebung entsteht. Von einer Überprüfung des Aufenthaltsstatus und einer Ausweispflicht ist daher abzusehen.

Wir fordern, dass umgehend solidarische Maßnahmen für wohnungslose Menschen erarbeitet und durchgeführt werden! Wir fordern, diese Menschen in würdigen und sicheren Unterkünften unterzubringen, zumindest bis sich
die Lage bezüglich Covid19 beruhigt hat.

Um es mit Ihren eigenen Worten zu sagen: „Jetzt geht es darum zusammenzustehen - bitte seien Sie solidarisch!“

Mit freundlichen Grüßen



AmMa65 e.V.

Arbeitskreis kritischer Jurist*innen HU Berlin (akj HU)

Armutsnetzwerk e.V.
AWO Notübernachtung für Frauen „Mitten im Kiez“

Bergpartei

Berliner Obdachlosenhilfe e.V.

BUNDjugend Berlin

Bündnis #Mietenwahnsinn

Büro für ungewöhnliche Maßnahmen
Die Linke.SDS Berlin

Einzelpersonen aus der Wohnungsnotfallhilfe

Ev. Kirchengemeinde am Weinberg Berlin Mitte
Juso HochschulgruppenBerlin

Mensch Meier

MIETERPARTEI

Netzwerk Zusammen für Wohnraum

Schlafplatzorga

Staub zu Glitzer

Tags : Miete ,   Berlin

27th January