Statement zum Protest des akj gegen Transfeindlichkeit

Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen (akj) hat am 30.06. eine Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin angemeldet. Der Protest richtete sich dagegen, dass im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaft einer in der Vergangenheit durch transfeindliche Positionen aufgefallenen Doktorandin, Marie-Luise Vollbrecht, eine Bühne für ihre Thesen zum Thema Geschlecht geboten werden sollte. Am 02.07. gegen Mittag sagte dann die Verwaltung der HU den Vortrag von Vollbrecht kurzfristig ab und begründete die Absage damit, dass die Kontroverse drohe, die anderen Veranstaltungen zu überschatten. Bereits im Vorfeld zur Veranstaltung ist die Verfasste Studierendenschaft (RefRat HU) auf die Universität zugegangen und hatte sie auf diese Transfreindlichkeit aufmerksam gemacht, eine Antwort erhielt der RefRat (gesetzlich AStA) nicht.

„Wir begrüßen die Entscheidung der Universität, eine transfeindliche und unwissenschaftliche Veranstaltung abzusagen, allerdings zeigt die Begründung, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik nicht stattgefunden hat. Die Universitätsleitung versucht, sich durch eine Diffamierung des AKJs inhaltlich aus der Debatte zu ziehen“, sagt Stefanie X. Richter, Pressesprecherin des akj. „Wir erwarten eine klare Positionierung seitens der Universitätsleitung, wenn es darum geht transphoben Meinungen eine prominente Bühne zu geben. Wir fordern eine Universität, die Transfeindlichkeit klar als solche benennt.“

Im Nachgang unserer Kundgebung wurde in vielfältigen Medien über den Vorfall berichtet. Vorgeworfen wurde unter anderem, dass der akj das Prinzip des freien Diskurses im universitären Raum nicht verstanden hätte. Dabei verwechselten die Verfasser*innen Meinungsfreiheit mit Widerspruchsfreiheit. Marie-Luise Vollbrecht hat das Recht, ihre Thesen mit jedwedem Publikum zu teilen, das sich diese anhören will. Sie hat allerdings keinen Anspruch darauf, dies unwidersprochen und im Senatssaal der HU zu tun. Des Weiteren verwechseln sie Meinungen mit Tatsachen. Vollbrecht plante keine Meinungsdarstellung ihrer Anschauungen zum Thema Geschlecht, sondern vielmehr eine Darstellung von (angeblichen) Tatsachen. Tatsachen sind allerdings nur soweit von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt, wie sie einer gewissen faktischen Grundlage nicht entbehren. Das kann von Vollbrechts Thesen nicht behauptet werden.

„Dass die Springer-Presse zusammen mit Vollbrecht aus dem ‚Überschatten anderer Vorträge‘ eine konkrete Gefahr einer radikalen gewaltbereiten linken Student*innen-Demonstration macht, ist wenig verwunderlich. Erschreckend ist hingegen, wie unreflektiert diese Diffamierung eines friedlichen, bunten Protests von sämtlichen Medien bis hin zum Bundesministerium für Bildung und Forschung und weiteren MdBs einfach aufgegriffen wurde und als unhinterfragte Grundlage für Kritik an linken ‚Genderideologien‘ und einer Gefahr gerade für die Wissenschaftsfreiheit verwendet wurde. Wer unwidersprochen menschenverachtenden Sprecher*innen eine Bühne geben möchte, soll dies an einer Uni ohne Student*innen tun. Das Recht zur friedlichen Versammlung (Art. 8 GG) und der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) sind wichtige Grundpfeiler eines demokratischen Diskurses“, so Stefanie weiter.

In einem Beitrag des RBB wurde der Protest mit den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten verglichen. Unter den erwähnten Büchern und Forschungsaufzeichnungen, die am 10.05.1933 von faschistischen Studierenden verbannt wurden, waren unter anderem auch Dokumente des Magnus-Hirschfeld-Instituts. Einem Forschungsinstitut, dass bereits 1930 geschlechtsangleichende Operationen durchführte und Beratungen für homosexuelle, trans* und inter Personen anbat. Das Wissen um die (biologische) Realität von Trans, Inter und Nicht-Binären Identitäten ist keine moderne Modeerscheinung. Es ist Wissen, dass bereits die Nationasozialisten mit brutalsten Mitteln aus der Welt zu schaffen versuchten.

„Eine Demonstration, die auf die Realität dieser Existenzen verweist, die ein buntes und friedliches Zeichen dafür ist, dass die Rechte von Trans-Personen nicht verhandelbar sind, dass niemand sich anhören muss, wie seine Existenz und seine fundamentalen Menschenrechte zur Diskussion gestellt werden, mit den faschistischen Bestrebungen einer genozidalen Ideologie zu vergleichen ist geschichtsvergessen und schockierend“, so Stefanie Richter.

Die Humboldt-Universität plant zur Zeit ein anderes, diskussionsoffeneres Format mit Marie-Luise Vollbrecht. Der akj wurde diesbezüglich noch nicht kontaktiert.

Stefanie Richter abschließend: „Wir kritisieren die Dekontextualisierung von Vollbrecht als Person und als Wissenschaftlerin, die in der bisherigen Debatte stattgefunden hat. Vollbrecht rechnet sich selbst zur Bewegung der „Radikalen Feministinnen“ (auch TERFs = Trans Exclusionary Radical Feminists), die die Realität von Trans*Personen leugnen und im Schutz von Transrechten einen Angriff auf Frauenräume wähnen. Mit dem Mitwirken an einem Dossier, in dem Intergeschlechtlichkeit als krankhafte Störung und Transpersonen als potentielle übergriffige Eindringlinge in Frauenschutzräume dargestellt werden, sollte sie
sich für eine wissenschaftliche Betrachtung zum Thema Geschlecht ausreichend disqualifiziert haben. Vollbrecht hat eine klare politische Agenda, die sich nicht hinter ihrer Position als Doktorandin verstecken lässt.“

Tags : transfeindlichkeit ,   pressemitteilung

27th January