Die aktuelle Covid-19-Pandemie stellt den universitären Betrieb vor viele Herausforderungen. Dabei dürfen jedoch die unterschiedlichen Bedürfnisse und Bedenken von Studierenden nicht aus den Augen verloren werden.
Viele Studierende können vor dem Hintergrund der aktuellen Situation nicht ungestört und regulär am digitalen Lehrangebot teilnehmen. Dafür gibt es verschiedenste Gründe - viele Personen sind zeitlich eingespannt, weil sie beispielsweise durch Betreuung eigener Kinder, durch die Pflege von Angehörigen, durch soziales Engagement oder eine Tätigkeit in sog. systemrelevanten Bereichen eingebunden sind. Darüber hinaus erleben viele Studierende eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation, weil ihnen ihre Lohnarbeit wegfällt oder familiäre finanzielle Unterstützung nicht mehr möglich ist.
Wir begrüßen daher ausdrücklich die Entscheidung, das Sommersemester 2020 nicht auf die Fachstudienzeit anzurechnen. Dennoch gibt es einige Punkte, die aus unserer Sicht bei der Umsetzung weiterhin bedacht werden müssen.
Kommunikation der Fakultätsleitung
Insgesamt kritisieren wir insbesondere die fehlende Kommunikation der Fakultätsleitung mit den Studierenden sowie die fehlende studentische Partizipation in der Planung des digitalen Sommersemesters. Bereits zu Beginn der aktuellen und andauernden Lage wurden Informationen und Entwicklungen nicht klar und transparent kommuniziert. Zwar finden sich auf der Website "Aktuelles vom Studienbüro" Informationen über die Abwicklung von Hausarbeiten, Studienarbeiten etc., jedoch sind das nicht die einzigen Informationen bezüglich der Studienorganisation, die Studierende benötigen.
Studienorganisation
Die Auswirkungen des irregulären Sommersemesters 2020 auf den Studienverlauf sind dringend zu klären. Eine Möglichkeit wäre es beispielsweise, Veranstaltungen, die normalerweise nur im Sommersemester stattfinden, auch im Wintersemester 2020/21 anzubieten. Diese Option sollte aber frühzeitig transparent gemacht werden, damit Studierende ihren Studienverlauf planen können. Weiterhin muss grundlegend in der Planung der nächsten Semester bedacht werden, dass voraussichtlich mehr Personen an der Lehre teilnehmen werden, wenn für sie eine Teilnahme in diesem Sommersemester 2020 aus den oben genannten Gründen nicht möglich war.
Weiterhin ist bei der Studienorganisation eines digitalen Semesters zu beachten, dass alle Studierender der juristischen Fakultät auf ihre Kosten kommen. In Vorbereitung auf das Examen muss beispielsweise ein digitaler Klausurenkurs inkl. Korrektur für das Uni-Repetitorium sichergestellt werden. Kommerzielle Repetitorien haben dies längst schon eingeführt. Personen, die etwa aus finanziellen Gründen auf das UniRep angewiesen sind, haben so zurzeit das Nachsehen.
Ausschlussrisiken durch „Nicht-Semester“ bzw. digitale Lehre bedenken
Bisher ist unklar, wie Studierende am Sommersemester 2020 teilnehmen können, wenn sie über keine ausreichende technische Ausstattung verfügen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Studierenden Zugriff auf einen eigenen Computer, eine zuverlässige Internet-Verbindung oder auch ruhige Lernorte haben. Daher muss unbedingt sichergestellt werden, dass den Betroffenen dadurch kein Nachteil entsteht. Die Fakultät sollte von sich aus auf die Studierenden zukommen, um Bedarf zu klären und möglicherweise Lernorte einzurichten.
Weiter ist auch ein kostenfreier Zugang zu Büchern und sonstigen Lehrmaterialien, trotz fehlender oder eingeschränkter Nutzung der Universitätsbiblioteken, sicherzustellen. Hier ist die Bereitstellung möglichst vielfältiger elektronischer Quellen durch die Fakultät und Universität in ihren Anfängen sehr begrüßenswert. Jedoch ist nicht ersichtlich wieso ein kostenfreier Zugang zu Beck Online über das VPN nur für Lehrende und nicht für Studierende zur Verfügung steht. Allgemein gilt bei der Online-Verfügbarkeit auch hier, dass dieses Angebot einerseits nur mit einer technischen Ausstattung genutzt werden kann und zum anderen die Einrichtung des VPN-Clienten Studierenden Schwierigkeiten bereitet. Das mag zum Teil an den technischen Fähigkeiten aber auch an der Tatsache liegen, dass eine Anleitung hierfür allein auf deutscher Sprache zur Verfügung steht. Deshalb muss die Universität Online-Hilfestellungen beim Einrichten eines VPN-Clienten geben und die Informationen in anderen Sprachen zu Verfügung stellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die elektronischen Datenbanken und Lehrmaterialien auch bei den Studierenden ankommen.
Datenschutz-Bedenken bei der Nutzung von Zoom
Die Entscheidung der HU zur universitätsweiten Nutzung der Videokonferenz-Software Zoom ist nicht zumutbar. Wir halten die Nutzung proprietärer Software wie Zoom an einer öffentlichen Hochschule für problematisch. Hier wäre grundsätzlich eine datensparsame Open Source Software mit offenem Quelltext vorzuziehen. Nur an Hand letzterem ist nachvollziehbar wann und wie die umfangreichen Befugnisse einer Software (wie etwa Remote-Control, Webcam- oder Mikro-Zugriffsrechte) eingesetzt und an wen solche Daten übermittelt werden.
Die Vorbehalte gegenüber Zoom beruhen auf vielfältigen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken, die bereits vor der Corona-Krise bekannt geworden sind. Das Unternehmen hat unter anderem irreführende Angaben zu der tatsächlich nicht so stattfindenden Verschlüsselung der Kommunikation gemacht und Daten heimlich an Dritte (u.a. Facebook) weitergegeben.1 Die Software hinterging bei der Installation unter MacOS zwischenzeitlich bewusst Sicherheitsmechanismen. Bei der Clientsoftware (d.h. der auf dem PC installierten Version) von Zoom bestand - und besteht unter Umständen weiterhin - eine erhebliche Gefahr des Zugriffs auf die Webcam durch Dritte.2 Auch an den regulären Datenschutzbestimmungen gibt es Kritik. Anscheinend bezweifelt die HU selbst die Datensparsamkeit und Sicherheit von Zoom. So empfiehlt die HU, nicht die Zoom Clientsoftware herunterzuladen, die "vollen Zugriff auf alle Dateien des Computers hätte"3, sondern die Software im Browser zu nutzen.
All dieser Punkte ist sich die Universitätsleitung anscheinend bewusst.4 Dennoch wird Zoom schon seit drei Jahren vom Computer- und Medienservice eingesetzt, wie der Direktor des CMS mitteilte5. Dies hat in der aktuellen Situation Folgen für alle Studierenden.
Für eine digitale Lehre braucht es eine Open Source Videokonferenz-Software, die vertrauenswürdig ist. Studierende dürfen bei der Nutzung der von der Universität empfohlenen Software nicht darauf angewiesen sein, permanent Sicherheitslücken zu recherchieren, zu umgehen oder in Kauf nehmen zu müssen. Die HU sollte schnellstmöglich auf ein alternatives Programm umsteigen. Wie an anderen Universitäten geschehen könnte zum Beispiel die Open Source Software BigBlueButton sein, die zum Beispiel von Universitäten in Kiel6, Weimar7 und Ulm8 erfolgreich genutzt wird. Dieses hat bereits eine Schnittstelle zu Moodle, mit dem es gemeinsam eingesetzt werden könnte.
In der Zwischenzeit sollte die HU die bestehenden Bedenken ernst nehmen und schnellstmögliche Abhilfe schaffen. Studierende, die sich gegen die Nutzung von Zoom entscheiden, müssen die Möglichkeit haben, an der digitalen Lehre vollumfänglich teilzunehmen und das bevorstehende Semester zu absolvieren, wenn sie das möchten. Alles andere käme einem Zwang zur Nutzung einer höchst fragwürdigen Software gleich, der keinesfalls von einer öffentlichen Hochschule ausgehen darf.
Dazu sollte wenn möglich insbesondere auch auf asynchrone Lehrformate zurückgegriffen werden, bei denen einerseits geringere Datenschutz-Bedenken bestehen und die andererseits auch eine bessere Option für Studierende darstellen, die aufgrund der vielfältigen, oben bereits genannten Gründe nicht immer zu festgelegten Zeiten an der Online-Lehre teilnehmen können.
Abschließend fordern wir die Universität und insbesondere die juristische Fakultät dazu auf, sich mit Studierenden in Verbindung zu setzen und dafür zu sorgen, dass auf Grund der Covid-19-Situation keine Studierenden auf der Strecke bleiben. In einer dynamischen Lage wie der jetzigen müssen Informationen zur Lehre stets aktualisiert werden, statt wie derzeit nur alle fünf bis sechs Tage.
Wir fordern einen intensiven Austausch mit den Studierenden, um Hilfe-Angebote bezüglich der verschiedenen genannten Probleme sicherzustellen und gleichzeitig schon bekannte Probleme bezüglich der Uni-Repetitorien oder auch Zoom als Online-Plattform gemeinsam anzugehen!