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Wochenendseminar
“Eine neue Verfassung für die Humboldt-Uni”
8. bis 9. Mai 2004
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oder Hochschulrevolte?]
B. Inputreferate
III. Jana Schütze
(ehemalige studentische Kuratorin der HUB)
Die Vorläufige Verfassung der Humboldt-Universität –
Entstehungsgeschichte, Hintergründe, Erwartungen
1.) Zum Wesen der Vorläufigen
Verfassung der Humboldt-Universität
- die Universitätsverfassung steht im Normenrang unterhalb des Berliner
Hochschulgesetzes und ist nur insoweit zulässig, wie der Landesgesetzgeber
den Hochschulen eigene Satzungs- und Regelungsautonomie zubilligt; das
Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)
wiederum steht in seinem Rang unter dem Hochschulrahmengesetz als Bundesgesetz
- die 1997 beschlossene Erprobungsklausel regelt das Verhältnis von
Staat und Hochschule, die Verfassung regelt daraunter das Verhältnis
der Hochschulgremien zu- und untereinander
2.) Zur Entstehungsgeschichte der Vorläufigen Verfassung
- als die Erprobungsklausel im März 1997 in das BerlHG aufgenommen wurde,
die den Hochschulen weitreichende Satzungsbefugnisse bei der Organisation
des Hochschulbetriebes ermöglichte, hatte das Konzil an der Humboldt-Universität
bereits eine fertige Grundordnung erarbeitet, die ergänzend zu den Organisationsvorschriften
des Hochschulgesetzes den hochschulinternen Betrieb sicherstellen sollte
- die Grundordnung regelte sehr viel detailierter als die Verfassung
die Organisationsprozesse an der Universität und
- spiegelte so die innere Verfasstheit der Hochschule sehr viel
deutlicher wider als die Verfassung (lesenswert)
- statt aber diese Grundordnung zu beschließen, die auch Aussagen zum
Studienbetrieb und zur Durchführung von Lehrveranstaltungen machte,
überzeugte der damalige Präsident, Prof. Hans Meyer, das Konzil, statt
dessen eine Verfassung zu erarbeiten, welche die Möglichkeiten der Erprobungsklausel
voll ausreizt
- dieser nicht ganz uneigenützige Vorschlag zielte nicht zuletzt auf
die Intuition des Präsidenten, ein Juraprofessor mit Schwerpunkt im
Öffentlichen Recht und Verfassungsrecht, sich eine Verfassung und damit
ein Kompetenzenkostüm zurechtzuschneidern
a) Ausgangssituation
- vor der Einführung der Erprobungsklausel wurde die Humboldt-Universität
von einer ehrenamtlichen Hochschulleitung repräsentatiert, die aus dem/der
PräsidentIn und den VizepräsidentInnen bestand, dem Präsidum unterstand
lediglich das Präsidialamt
- daneben wurde die Verwaltung und Haushaltsführung durch einen professionellen,
d.h. hauptberuflichen, Kanzler geleitet; er entschied über die laufenden
Ausgaben, Personalfragen und alle Fragen der Verwaltungszuständigkeit
- gegenüber dem Kanzler war das Präsidium in materieller Hinsicht mittellos;
dem Kanzler kam daher eine faktisch enorme Machtfülle zu
- im Übrigen wurden die Entscheidungen von akademischen Belang in den
Gruppengremien wie Akademischer Senat, Konzil und den diversen Kommissionen
getroffen
- eine Besonderheit ist die Zusammensetzung des Alten Kuratoriums:
- ist der eigentliche Versuch, Hochschulen mit Staat und Gesellschaft
zu verknüpfen, indem Repräsentanten verschiedener Interessengruppen
in die Entscheidungsfindung der Hochschule eingebunden werden
- deswegen gehören dem Alten Kuratorium als RepräsentantInnen des
Staates vier Senatsmitglieder (nämlich die SenatorInnen für Wissenschaft,
für Inneres, für Finanzen und ein weiteres) und vier Mitglieder
des Abgeordnetenhauses (je Fraktion eines) an
- für die Gesellschaft fungieren jeweils zwei VertreterInnen der
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie eine Vertreterin einer
Organisation, die die Interessen von Frauen, und eine Person, die
Umweltbelange vertritt
- für die Universität werden jeweils zwei Mitglieder pro Statusgruppe
entsandt, die nicht Mitglied des Konzils (und damit auch nicht des
AS) sind
- der/die PräsidentIn ist nur mit beratender Stimme vertreten
- die Größe des Gremiums und die Beteiligung der gesellschaftlichen
Interessengruppen hat jedoch dazu geführt, dass es insbesondere unter
den professoralen Hochschulmitgliedern als bloßes “Labergremium” angesehen
wurde, da seine Entscheidungen selten Bindungskraft für die anderen
Hochschulgremien entfalteten und daher auf das Abhalten von Fensterreden
für die Öffentlichkeit reduziert gewesen sei;
- entsprechend wurden Forderungen laut, die Größe des Gremiums zu verkleinern
und die Öffentlichkeit auszuschließen
b) Wesentliche Veränderungen
- die Entstehungsgeschichte der Vorläufigen Verfassung erstreckt sich
über mehrere Abschnitte und noch heute ist Verfassung noch nicht als
fertig, sondern eben nur als vorläufig zu bezeichnen
- noch im Oktober 1997 wurde von der Erprobungsklausel Gebrauch gemacht
und das Kuratorium neu organisiert:
- die Zusammensetzung des Kuratoriums wurde drastisch verkleinert
und mit Menschen besetzt, die weder Land noch Hochschule sind (von
Ausnahmen abgesehen):
- ortan gehören ihm nur noch der Senator für Wissenschaft, Forschung
und Kultur, der Präsident der HU, ein Vertreter der Gewerkschaften
sowie einer der Arbeitgeberverbände und jeweils eine von den
Statusgruppen entsandte Person des öffentlichen Lebens an, die
nicht Mitglieder der HU sind
- die ProfessorInnen dürfen zwei Personen entsenden, die Studis
ausnahmsweise auch ein Hochschulmitglied
- die Frauenbeauftragte und einE VertreterIn des Personalrates
nehmen beratend an den Sitzungen teil
- seine Kompetenzen erweitert, aber an die Vorlage durch den Akademischen
Senat gebunden; dadurch soll eine Entscheidungsverknüpfung zwischen
AS und Kuratorium hergestellt werden
- 1999 trat eine zweite Verfassungsnovelle in Kraft, welche die Hochschulleitung
neu organisierte:
- das Amt des Kanzlers wurde abgeschafft (auch wenn dessen Wiedereinführung
nach dem Wortlaut der Verfassung möglich ist) und
- statt dessen eine hauptamtliche (professionelle) Hochschulleitung
instaliert, die über einen eigenen Verwaltungsunterbau verfügt und
seine Zuständigkeiten nach dem Ressortprinzip unter Leitung des/der
PräsidentIn arbeitsteilig organisiert (Kollegialorgan mit Richtlinienkopetenz
des Präsidenten)
3. Ausblick
- die Erprobungsklausel
des BerlHG ist befristed, ebenso sind es die Vorläufige Verfassung
der HU und die auf ihr beruhenden Ordnungen und Satzungen
- das Erprobungsmodell sollte fortgesetzt werden und nicht zur alten
Verfassung zurückgekehrt werden, allerdings ist die Vorläufige Verfassung
entwicklungsbedürftig, unausgegoren und teilweise in sich widersprüchlich
- parallel zur gesetzlichen Entwicklung sollte Zielrichtung einer universitätsinternen
Verfassungsdiskussion die Stärkung der Gruppengremien und innerhalb
dieser Gremien die Erhöhung der Mitbestimmungsrechte für alle Hochschulmitglieder
sein
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