akj



Home

Erklärungen

das freischüßler

Vorträge

Projekte

Seminare

Links

Impressum



Wochenendseminar
“Eine neue Verfassung für die Humboldt-Uni”

8. bis 9. Mai 2004

                          

[zur Übersicht]
[zurück zu B.II. Andreas Keller: Hochschulreform oder Hochschulrevolte?]

B. Inputreferate

III. Jana Schütze (ehemalige studentische Kuratorin der HUB)
Die Vorläufige Verfassung der Humboldt-Universität

Entstehungsgeschichte, Hintergründe, Erwartungen

1.) Zum Wesen der Vorläufigen Verfassung der Humboldt-Universität

  • die Universitätsverfassung steht im Normenrang unterhalb des Berliner Hochschulgesetzes und ist nur insoweit zulässig, wie der Landesgesetzgeber den Hochschulen eigene Satzungs- und Regelungsautonomie zubilligt; das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) wiederum steht in seinem Rang unter dem Hochschulrahmengesetz als Bundesgesetz
  • die 1997 beschlossene Erprobungsklausel regelt das Verhältnis von Staat und Hochschule, die Verfassung regelt daraunter das Verhältnis der Hochschulgremien zu- und untereinander

2.) Zur Entstehungsgeschichte der Vorläufigen Verfassung

  • als die Erprobungsklausel im März 1997 in das BerlHG aufgenommen wurde, die den Hochschulen weitreichende Satzungsbefugnisse bei der Organisation des Hochschulbetriebes ermöglichte, hatte das Konzil an der Humboldt-Universität bereits eine fertige Grundordnung erarbeitet, die ergänzend zu den Organisationsvorschriften des Hochschulgesetzes den hochschulinternen Betrieb sicherstellen sollte
    • die Grundordnung regelte sehr viel detailierter als die Verfassung die Organisationsprozesse an der Universität und
    • spiegelte so die innere Verfasstheit der Hochschule sehr viel deutlicher wider als die Verfassung (lesenswert)
  • statt aber diese Grundordnung zu beschließen, die auch Aussagen zum Studienbetrieb und zur Durchführung von Lehrveranstaltungen machte, überzeugte der damalige Präsident, Prof. Hans Meyer, das Konzil, statt dessen eine Verfassung zu erarbeiten, welche die Möglichkeiten der Erprobungsklausel voll ausreizt
  • dieser nicht ganz uneigenützige Vorschlag zielte nicht zuletzt auf die Intuition des Präsidenten, ein Juraprofessor mit Schwerpunkt im Öffentlichen Recht und Verfassungsrecht, sich eine Verfassung und damit ein Kompetenzenkostüm zurechtzuschneidern

a) Ausgangssituation

  • vor der Einführung der Erprobungsklausel wurde die Humboldt-Universität von einer ehrenamtlichen Hochschulleitung repräsentatiert, die aus dem/der PräsidentIn und den VizepräsidentInnen bestand, dem Präsidum unterstand lediglich das Präsidialamt
  • daneben wurde die Verwaltung und Haushaltsführung durch einen professionellen, d.h. hauptberuflichen, Kanzler geleitet; er entschied über die laufenden Ausgaben, Personalfragen und alle Fragen der Verwaltungszuständigkeit
  • gegenüber dem Kanzler war das Präsidium in materieller Hinsicht mittellos; dem Kanzler kam daher eine faktisch enorme Machtfülle zu
  • im Übrigen wurden die Entscheidungen von akademischen Belang in den Gruppengremien wie Akademischer Senat, Konzil und den diversen Kommissionen getroffen
  • eine Besonderheit ist die Zusammensetzung des Alten Kuratoriums:
    • ist der eigentliche Versuch, Hochschulen mit Staat und Gesellschaft zu verknüpfen, indem Repräsentanten verschiedener Interessengruppen in die Entscheidungsfindung der Hochschule eingebunden werden
    • deswegen gehören dem Alten Kuratorium als RepräsentantInnen des Staates vier Senatsmitglieder (nämlich die SenatorInnen für Wissenschaft, für Inneres, für Finanzen und ein weiteres) und vier Mitglieder des Abgeordnetenhauses (je Fraktion eines) an
    • für die Gesellschaft fungieren jeweils zwei VertreterInnen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie eine Vertreterin einer Organisation, die die Interessen von Frauen, und eine Person, die Umweltbelange vertritt
    • für die Universität werden jeweils zwei Mitglieder pro Statusgruppe entsandt, die nicht Mitglied des Konzils (und damit auch nicht des AS) sind
    • der/die PräsidentIn ist nur mit beratender Stimme vertreten
  • die Größe des Gremiums und die Beteiligung der gesellschaftlichen Interessengruppen hat jedoch dazu geführt, dass es insbesondere unter den professoralen Hochschulmitgliedern als bloßes “Labergremium” angesehen wurde, da seine Entscheidungen selten Bindungskraft für die anderen Hochschulgremien entfalteten und daher auf das Abhalten von Fensterreden für die Öffentlichkeit reduziert gewesen sei;
  • entsprechend wurden Forderungen laut, die Größe des Gremiums zu verkleinern und die Öffentlichkeit auszuschließen

b) Wesentliche Veränderungen

  • die Entstehungsgeschichte der Vorläufigen Verfassung erstreckt sich über mehrere Abschnitte und noch heute ist Verfassung noch nicht als fertig, sondern eben nur als vorläufig zu bezeichnen
  • noch im Oktober 1997 wurde von der Erprobungsklausel Gebrauch gemacht und das Kuratorium neu organisiert:
    • die Zusammensetzung des Kuratoriums wurde drastisch verkleinert und mit Menschen besetzt, die weder Land noch Hochschule sind (von Ausnahmen abgesehen):
      • ortan gehören ihm nur noch der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, der Präsident der HU, ein Vertreter der Gewerkschaften sowie einer der Arbeitgeberverbände und jeweils eine von den Statusgruppen entsandte Person des öffentlichen Lebens an, die nicht Mitglieder der HU sind
      • die ProfessorInnen dürfen zwei Personen entsenden, die Studis ausnahmsweise auch ein Hochschulmitglied
      • die Frauenbeauftragte und einE VertreterIn des Personalrates nehmen beratend an den Sitzungen teil
    • seine Kompetenzen erweitert, aber an die Vorlage durch den Akademischen Senat gebunden; dadurch soll eine Entscheidungsverknüpfung zwischen AS und Kuratorium hergestellt werden
  • 1999 trat eine zweite Verfassungsnovelle in Kraft, welche die Hochschulleitung neu organisierte:
    • das Amt des Kanzlers wurde abgeschafft (auch wenn dessen Wiedereinführung nach dem Wortlaut der Verfassung möglich ist) und
    • statt dessen eine hauptamtliche (professionelle) Hochschulleitung instaliert, die über einen eigenen Verwaltungsunterbau verfügt und seine Zuständigkeiten nach dem Ressortprinzip unter Leitung des/der PräsidentIn arbeitsteilig organisiert (Kollegialorgan mit Richtlinienkopetenz des Präsidenten)

3. Ausblick

  • die Erprobungsklausel des BerlHG ist befristed, ebenso sind es die Vorläufige Verfassung der HU und die auf ihr beruhenden Ordnungen und Satzungen
  • das Erprobungsmodell sollte fortgesetzt werden und nicht zur alten Verfassung zurückgekehrt werden, allerdings ist die Vorläufige Verfassung entwicklungsbedürftig, unausgegoren und teilweise in sich widersprüchlich
  • parallel zur gesetzlichen Entwicklung sollte Zielrichtung einer universitätsinternen Verfassungsdiskussion die Stärkung der Gruppengremien und innerhalb dieser Gremien die Erhöhung der Mitbestimmungsrechte für alle Hochschulmitglieder sein


[nächste Seite: Protokoll der Verfassungsberatungen]

zurück zur Übersicht