Demobeobachtung
Berlin am 25. November 2006
Presseerklärung
Berlin, den 25.11.2006, 22:00 Uhr
Beobachtung der Silivio-Meier-Demo
am 25.11.06 in Berlin
Anlässlich der von verschiedenen Antifa-Gruppen am 25. November 2006
durchgeführten alljährlichen Demonstration zum Gedenken an den 1992 von
Neonazis ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier führte der arbeitskreis
kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin
(akj-berlin) eine Demonstrationsbeobachtung durch. Nachdem es im letzten
Jahr nach Beschränkungen der Demonstrationsroute zu Auseinandersetzungen
und Übergriffen der Polizei kam, war es unser Ziel, als von Polizei und
VeranstalterInnen unabhängige BeobachterInnen den Demonstrationsverlauf
zu dokumentieren.
Einzelne Auflagen der Polizei sind aus Sicht des akj-berlin zu kritisieren:
Das Verbot, Seitentransparente von mehr als 1,5 Meter Länge zu verwenden,
behindert unverhältnismäßig die Möglichkeit, inhaltliche Positionen darzustellen.
Auch sehen wir in Schuhen mit Stahlkappen eher einen Bestandteil eines
subkulturellen Kleidungsstils als eine verbotene passive Bewaffnung. Unabhängig
von der Berechtigung der Auflagen verhielt sich die Polizei bei deren
Durchsetzung weitgehend zurückhaltend. Auch insgesamt war das polizeiliche
Vorgehen im Großen und Ganzen maßvoll. So wurden beispielsweise TeilnehmerInnen
mit Glasflaschen überwiegend von BeamtInnen des Anti-Konflikt-Teams höflich
auf das Flaschenverbot hingewiesen.
Positiv hervorzuheben ist auch, dass sich – anders als im Vorjahr – Wasserwerfer
und Räumfahrzeuge nicht in Sichtweite der Demonstration befanden. Desweiteren
verzichtete die Polizei überwiegend darauf, am Rande der Versammlung im
geschlossenen Spalier mitzulaufen. Erfahrungsgemäß haben solche Maßnahmen
eine konfrontative Wirkung und vermitteln Außenstehenden, dass von der
Demonstration Gewalttätigkeiten ausgehen werden. Dies schränkt die Möglichkeit
der kollektiven Meinungskundgabe erheblich ein, weil dadurch die Bevölkerung
kaum die Möglichkeit hat, Inhalte der Demonstration wahrzunehmen.
Vereinzelt gab es polizeiliche Videotrupps, für deren Aufzeichnungen
der Anlass nicht ersichtlich war. Zu kritisieren bleibt weiterhin das
Verhalten einzelner Beamter gegenüber DemonstrantInnen. So zog ein Polizist
in der Sophienstraße einen Demonstranten nach einer verbalen Auseinandersetzung
von hinten grob an den Haaren. In der Wönnichstraße griff ein Polizeibeamter
einen neben ihm laufenden Demonstranten ohne Anlass körperlich an. Dass
es auch anders geht, bewiesen Beamte, die sich auch im geschlossenen Einsatz
für Drängeleien bei den Betroffenen entschuldigten.
Stefanie Richter, Sprecherin des akj-berlin, stellt jedoch klar:
„Grundsätzlich bleibt der akj-berlin bei der Forderung nach einer individuellen
Kennzeichnung von BeamtInnen im geschlossenen Einsatz, um die Transparenz
des polizeilichen Handelns und den Rechtsschutz bei Übergriffen zu ermöglichen.“
Im Verlauf der Demonstration dokumentierten wir sechs vorübergehende
Festnahmen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, darunter auch
wegen Vermummung. Hierbei ist zu erwähnen, dass der Demonstrationszug
von mutmaßlichen Angehörigen der rechten Szene aus Wohnungen heraus beschimpft,
fotografiert und gefilmt wurde. Derartige Aufnahmen werden in rechten
Internetforen veröffentlicht. Dabei wird zu Gewalt gegen die Abgebildeten
aufgerufen, weswegen sich insbesondere in der Weitlingstraße DemonstrantInnen
zum eigenen Schutz vermummten. Nach Beendigung der Versammlung umstellten
Beamte den Lautsprecherwagen der Veranstaltungsleitung. Zwei RednerInnen
wurde vorgeworfen, durch Redebeiträge und Slogans gegen Strafgesetze verstoßen
zu haben; sie wurden jedoch nicht mehr angetroffen.
Stefanie Richter zieht folgendes Fazit: „Im Gegensatz zu den
Vorfällen im letzten Jahr war der Polizeieinsatz bei der Sylvio-Meier-Demonstration
aus unserer Sicht weitgehend korrekt.“
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