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Biedermann und die Brandstifter
Propaganda: Plakat (pdf) Wer in letzter Zeit die groß titelnden Zeitungen der Berliner Presselandschaft studierte, musste sich immer wieder mit Schlagzeilen wie den folgenden konfrontiert sehen:
Hintergrund einer solchen Berichterstattung ist die juristische Aufarbeitung der Ausschreitungen zum 1. Mai 2009, bei denen nach Polizeiangaben 479 Polizeibeamt_innen verletzt worden seien, sowie der zahlreichen Brandstiftungen an Pkws in Berlin. Nicht nur in der Presse werden bei Festnahmen fleißig öffentliche Vorverurteilungen betrieben und das Privatleben von Verdächtigen bis ins Seichteste ausgeweidet. Auch lässt sich der Berliner Innensenator Erhard Körting (SPD) gern als harter Law-and-Order-Politiker vernehmen, wenn er die „besondere Hinterhältigkeit linksextremistischer Gewalttaten“ betont, zu Abschreckungszwecken von der Justiz hohe Haftstrafen fordert und eine fehlende Distanzierung des Koalitionspartners zu diesen Umtrieben attackiert. Körting selbst stellt dabei einen Bezug zwischen den von ihm als unpolitisch bezeichneten „Krawalltaten“ des 1. Mai und politisch motivierten Sachbeschädigungen, die er Gewalttaten nennt, her – für die CDU eine Steilvorlage nun einen „linksextremistischen Flächenbrand“ herbei zu reden. Vor dem Hintergrund dieser Rhetorik verwundert es nicht, wenn Polizei und Justiz unter Hochdruck an der Ergreifung und medienwirksamen Verurteilung der „Brandstifter“ arbeiten. Doch bei den verhafteten Verdächtigen – sei es nun wegen Molotowcocktailwürfen am 1. Mai oder Brandlegungen bei Pkws – handelt es sich vor allem um Jugendliche, die seit Monaten unter hohen Strafandrohungen in Untersuchungshaft einsitzen. Die Beweisführung beruht zum Teil nur auf Indizien, andererseits auf Angaben von Polizeibeamt_innen, denen offenbar mehr Gewicht zugemessen wird als den Entlastungszeug_innen. Ob in vergleichbaren Fällen ohne politischen Hintergrund die Anordnung von Untersuchungshaft erfolgen würde, erscheint zumindest zweifelhaft. Erste Prozesse wegen Brandstiftung endeten mit einem Freispruch oder wurden mangels Beweisen vorübergehend ausgesetzt. Druck im System erhöht die Gefahr von Vorverurteilungen – die durch die öffentliche Meinung ohnehin schon erfolgt sind. Zugleich werden auf legislativer Ebene Forderungen nach Einführung strafrechtlicher Qualifikationstatbestände im Zusammenhang mit der Verletzung von Polizeibeamt_innen erhoben. Begegnet uns hier eine politische Strafjustiz, auf die Strafverteidigung und Rechtspolitik reagieren müssen, um die errungenen Standards eines fairen Prozesses gegen politische Einflussnahme zu verteidigen? Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) laden daher ein zur öffentlichen Anhörung der Verteidiger/innen in den angesprochenen Verfahren sowie zur Diskussion über den Umgang mit politischer Strafjustiz im 21. Jahrhundert mit:
Moderation: akj-berlin
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