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Aktuell
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Novellierung
des Rechtsberatunsgesetzes
Dienstag,
den 18. Januar 2005 – 20.00 Uhr (c.t.)
im Raum 229 in der Juristischen Fakultät der
Humboldt-Universität
gleich gegenüber dem Eingang der Bibliothek
(Bebelplatz 1, Tram: M 1, 12, Bus: 100, 200)
SPD
und Grüne haben in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, dass das Rechtsbaratungsgsetz
von 1935 an "die gesellschaftlichen Bedürfnisse angepasst" werden soll.
Eine kritische Erinnerung an seine Geschichte und einen Blick auf die
derzeitige Reformdiskussion unternimmt RA Philip Wendt
Nach dem weltweit einmaligen
Rechtsberatungsgesetz
ist die Rechtsberatung und sogar die Rechtsbesorgung wenigen Personengruppen
– vorrangig natürlich den Rechtsanwälten – vorbehalten. Zwar geht es dabei
um die "geschäftsmäßige" Rechtsbesorgung, jedoch wird zwischen entgeltlicher
und unentgeltlicher Tätigkeit nicht differenziert.
Das im Dezember 1935 von Hitler
eingeführte Rechtsberatungsgesetz zielte auf die Verdrängung
jüdischer JuristInnen aus ihrem Beruf. Davor war die Rechtsberatung
komplett frei. Schon ab 1933 wurden Juden und Systemkritiker aus den Anwaltskammern
gedrängt, damit diese Ex-Anwälte nicht unentgeltlich weiter ihre Freunde
und Bekannten verteidigen konnten. Nach diesem Gesetz darf die Rechtsbesorgung
und Rechtsberatung nur von solchen Personen durchgeführt werden, die eine
behördliche Genehmigung haben (§1). Bestimmte Gruppen sind aber von vorneherein
nicht von diesem Gesetz betroffen – etwa Notare, Rechtsanwälte, Konkursverwalter,
Genossenschaften, aber auch (§3) die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung,
die von Behörden, von Dienststellen der NSDAP und ihrer Gliederungen,
von Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie von den der NSDAP angeschlossenen
Verbänden im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt wird Unverständlicherweise
überlebte der Kern des Gesetzes das Dritte Reich. Zwar verschwand die
NSDAP aus §3, und irgendwann wurden die Verbraucherzentralen in §3 aufgenommen,
aber das Prinzip blieb: Der Juraprofessor von nebenan, dem du beim Umzug
hilfst, darf dir keine Rechtsberatung geben, will er nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz
verstoßen.
Später wurde das Nazi-Gesetz
zur Monopolsicherung der Juristenzunft ausgebaut: Aus Gründen des
Verbraucherschutzes konnten nach 1989 überhaupt nur noch sechs definierte
Gruppen die behördlicheGenehmigung nach §1 erlangen, was also eine Verschärfung
(!) der Originalversion von 1935 darstellt.
Der pensionierte Amtsrichter
Dr. Helmut Kramer zeigte sich 1998 wegen Ordnungswidrigkeiten nach
dem Rechtsberatungsgesetz selbst an, um die Absurdität des Rechtsberatungsgesetzes
aufzuzeigen. Er hatte u.a. unentgeltlich Wehrdienstverweigerer vor dem
Amtsgericht (wo kein Rechtsanwaltszwang herrscht und er deswegen als Verteidiger
zugelassen wurde) verteidigt. Dort hätte er sich zwar selbst verteidigen
dürfen, nicht aber andere, denn er war ja kein Rechtsanwalt. So wurde
er denn 1999 auch zu 600 Mark Geldbuße verurteilt. Der Privatmann ist
gegenüber der Justiz und den Anwälten wehrlos Immerhin war Dr. Kramer
mit seiner Verfassungsbeschwerde erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht
hob 2004 einstimmig das
Urteil auf. Die Begründung nahm darauf Bezug, dass Dr. Kramer Volljurist
ist und somit die Schutzzwecke des Gesetzes wohl gar nicht berührt werden.
Im September 2004 stellt die
Justizministerin einen Gesetzentwurf
zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes unter dem Namen Rechtsdienstleistungsgesetz
vor. Danach würde die unentgeltliche Rechtsberatung für Volljuristen mit
dem 2. Staatsexamen komplett freigeben. Ansonsten müssten Beratender und
Beratener in einem familiären oder freundschaftlichen Verhältnis stehen.
Mehr Infos bei Telepolis:
"
Kommt eine Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes?" Peter
Riedlberger 21.10.2004
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