|
|
|
|
|
|
|
|
|||||
|
|
|
|
No.
1
Wie man durch die Umstrukturierung der Universitäten das gesellschaftspolitische Bewußtsein der nächsten Generationen plant Über
die gesellschaftspolitischen Ziele |
|
|
||
|
|
|
||||||
Über die Funktionsweise eines Bildungskonzerns»Hinter der Umstrukturierung der Universitäten stehen neue Methoden der Wertschöpfung«»Die Aporie von Tauschwert und Gebrauchswert« |
Weil nun aber Universitäten nicht wie etwa Konzerne im Bereich der Telekommunikation an sich wirtschaftlich sind, ist auch in den Plänen des CHE eine 60 bis 80 % Subventionierung von Seiten des Staates vorgesehen.(3) Dabei sind die rechtlichen Rahmenbedingungen vom CHE allerdings so geplant, daß der Staat, obgleich er weiterhin der wichtigste Geldgeber ist, mit dieser Funktion keinerlei Einfluß auf die Verwendung der Gelder nehmen darf. So ist es dem Staat verboten, in der Subventionierung von Universitäten einen Unterschied zwischen den ehemals eigenen Universitäten und privaten Neugründungen zu machen. Der Staat ist zudem verpflichtet, jede Universität einzig am Maßstab der von Rankings und Evaluationen gemessenen Leistung zu subventionieren. Ist die für die Finanzierung der Universitäten vorgesehene Geldmenge überschritten, so müssen jene Universitäten, die in den jährlich veröffentlichten Rankings am schlechtesten abgeschnitten haben, notfalls schließen, während zugleich die Universitäten, die in den Rang einer Eliteuniversität aufgestiegen sind, ihre Ansprüche auf Finanzmittel von Seiten des Staates sogar noch steigern dürfen. Obwohl der Staat weiterhin den wesentlichen Teil der Finanzierung garantiert, kann die Universität dennoch wie ein Konzern vollkommen unabhängig von diesem agieren. Sie ist trotz ihrer fortgesetzten staatlichen Subventionierung wie ein unabhängiges Unternehmen organisiert. So ist zum Beispiel eine hierarchische Managementstruktur vorgesehen, die mit jeglicher demokratischer Organisation der Hochschule unvereinbar ist. Für die besten Professoren werden, wie in der Wirtschaft üblich, Spitzengehälter gezahlt, so daß verschiedene Universitäten gewissermaßen wie Fußballclubs um die besten Spieler in eine Konkurrenz um die vermeintlich besten Professorinnen und Professoren treten. Auch Studierende werden nach Maßgabe von Intelligenztests und Bewerbungsgesprächen angeworben, was insofern einer wirtschaftlichen Logik entspricht, als daß ein zu veredelnder Rohstoff eine möglichst hohe Ausgangsqualität besitzen sollte. Ziel all dieser Maßnahmen ist, daß die Universität durch Entscheidungen des Managements ein Profil ausbildet. Der Zweck der Profilbildung besteht wiederum darin, daß die Universität auf diese Weise ihren Namen mit bestimmten Assoziationen behaftet, kurz, sie mit einem Image zu verknüpfen, welches Erfolg und Qualität verspricht. Das Ziel im Wettkampf aller Universitäten untereinander besteht also darin, den Namen der eigenen Universität – sei es durch Werbung, sei es durch karrierefördernde Kontakte zu großen Wirtschaftsunternehmen, sei es in der Tat durch gute Studienbedingungen – in eine Marke bzw. in ein Label zu verwandeln. Etwa so wie bereits heute der Börsenwert bestimmter Unternehmen wie Nike, Benetton oder Coca-Cola gar nicht auf dem Wert der vorhandenen Produktionsmittel oder Fertigungs-techniken beruht, sondern zum größten Teil auf dem Bekanntheitsgrad des Markennamens. Universitäten, denen es auf diese Weise gelingt, ihren Namen in eine Marke oder ein Label zu verwandeln, können ähnlich wie ein Konzern für Kleidung und Schuhe ihren Wert enorm steigern. Denn in der traditionellen Wissenschaft haben Bildung und Forschung lediglich einen Gebrauchswert. Der Wert von Bildung bestand bisher in der Unabhängigkeit und Kreativität, die ein Studierenden durch sie für ihr späteres Leben erwarben. Der Wert der Forschung beruhte bisher auf der Annahme, daß wissenschaftliche Erkenntnisse an sich ein Selbstzweck seien. Denn eine astronomische Entdeckung oder die erhellende Analyse eines geschichtlichen Dokuments verspricht keinerlei wirtschaftlichen Gewinn und galt doch als wissenschaftlich wertvoll. Maßgebend war die intellektuelle Neugier des Wissenschaftlers und der Selbstzweck wissenschaftlicher Erkenntnis sollte nicht gegen den materiellen Nutzen bestimmter Forschungen ausgespielt werden. Doch in dem Moment, da Universitäten als Bildungskonzerne auf einem Bildungsmarkt agieren und zur Durchsetzung gegenüber ihren Konkurrenten darauf bedacht sind, ihren Namen in den Rang eines Labels zu erheben, um auf diese Weise ihre Konkurrenten zu überstrahlen, in dem Moment tritt zum Gebrauchswert von Bildung und Forschung zusätzlich noch ein Tauschwert hinzu. Die Zielsetzungen der Forschung müssen sich auf diese Weise in ein universitäres Gesamtinteresse einfügen und im Zweifelsfall unterordnen. Wohin dies führt, läßt sich bereits an amerikanischen Universitäten beispielhaft beobachten. So hat in der amerikanischen Wissenschaft der Tauschwert von Bildung und Forschung sich so sehr an die Stelle des Gebrauchswertes gesetzt, daß eine akademische Karriere nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie früher oder später an einer der amerikanischen Eliteuniversitäten vonstatten geht. Auch Forschungs-ergebnisse werden eher wahrgenommen und eher diskutiert, wenn sie aus Harvard, Yale, Princeton oder Stanford kommen. So läßt sich in Amerika das Phänomen beobachten, daß die Tatsache, wo man studiert hat, wichtiger ist als die, was man studiert hat. Forschung und Lehre, die an Eliteuniversitäten stattfinden, bekommen also durch die Gründung eines Bildungsmarktes neben ihrem eigentlich entscheidenden Gebrauchswert zusätzlich noch einen Tauschwert. Dabei besteht die Gefahr, daß der Fetischcharakter des Tauschwertes schließlich den Gebrauchswert überdeckt, ja diesen schließlich unkenntlich macht. Auf diese Weise ist durch die Einbindung von Lehre und Forschung in die Kapitalakkumulation in letzter Konsequenz die Autonomie der Wissenschaften bedroht, auf der sich der gesamte zivilisatorische Fortschritt seit Entstehung der Neuzeit begründet. Nichtsdestotrotz sind Universitäten, denen es gelungen ist, ihren Namen in den Rang eines Labels zu erheben, in der Lage, große Mengen Kapital an sich zu binden. Mit den dadurch freigesetzten Geldmengen ist es sehr leicht möglich, das Versprechen in eine besonders hochwertige Forschung und Lehre, welches das Label seinen Kunden verspricht, auch tatsächlich zu erfü chlich erfüllen. Doch dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Erhebung einzelner Universitäten zum Markennamen immer auf Kosten jener Universitäten geht, die in der großen Gruppe der „No-Name-Universitäten“ gefangen bleiben. Eine Universität, die es einmal geschafft hat, ihren Namen zu einem Markenzeichen zu erheben, kann infolgedessen derart viele Finanzmittel an sich binden, daß sie eigentlich nicht mehr von diesem Rang verdrängt werden kann, während umgekehrt die große Gruppe der namenlosen Universitäten infolge ihres geringen Bekanntheitsgrades nur über wenige Finanzmittel verfügen, so daß es für sie nahezu ausgeschlossen ist, jemals in die Liga der Eliteuniversitätenaufzusteigen.
|
|
||||||
|
|
|
Dezember 2003 |