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Der
Fall Murat Kurnaz – Strafverteidigung
in Zeiten der globalisierten Terrorbekämpfung als Phantombekämpfung
Nachdem Murat Kurnaz über vier Jahre auf der US-amerikanischen Militärbasis Guantanamo Bay inhaftiert war, kehrte der in Bremen geborene und durch Isolations-, Hitze- und Kältefolter traumatisierte junge Mann im August 2006, gefesselt im Laderaum eines US-Militärflugzeuges, wieder nach Deutschland zurück. Die Bremer Ausländerbehörde hatte ihm zwischenzeitlich die Aufenthaltsgenehmigung mit der Begründung entzogen, er hätte es versäumt, seine Dokumente zu verlängern. Eine absurde Begründung, wie bald klar wurde. Doch was war geschehen? Im Oktober 2001 war Kurnaz nach Pakistan geflogen, um dort mit einem Freund eine Koranschule zu besuchen. Kurze Zeit später irrtümlich als „feindlicher Kämpfer“ festgenommen, wurde er zunächst im afghanischen Kandahar unter Folterbedinungen festgehalten und später unter dem Verdacht, für das Terrornetzwerk El Kaida gekämpft zu haben, nach Guantanamo auf Kuba verbracht. Obwohl ihm schon damals keine konkreten „Terroraktivitäten“ nachgewiesen werden konnten und seit 2002 aktenkundig war, dass er unschuldig ist, musste Kurnaz erleben, wie die USA den sogenannten Krieg gegen den Terror gestalteten: Kein Haftbefehl, keine Anklage, keine Besuchsmöglichkeit, kein Rechtsanwalt, kein Gericht, keine Öffentlichkeit und nichts, woran man sich als Gefangener wenden kann. Was sein Bremer Strafverteidiger Bernard Docke als archaische Welt des Mittelalters bezeichnet, war neben den physischen und psychischen Misshandlungen wohl nur das juristische Übel, welches ihm zugefügt worden ist. Doch neben Vorwürfen gegen die Verantwortlichen der USA erhebt Kurnaz auch schwere Anschuldigungen gegen die Bundesrepublik. So sei er von deutschen Beamten, Soldaten und Mitgliedern der KSK im afghanischen Kandahar sowohl misshandelt als auch verhört worden und hätte zu keiner Zeit seiner Haft, Hilfe und Unterstützung von deutschen Stellen bekommen. Auch ein Besuch deutscher Beamte des BND und des Bundesverfassungsschutzes zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung in Guantánamo änderte daran nichts. Nachdem die USA angeboten hatten, Kurnaz unter der Bedingung freizulassen, dass dieser in Deutschland überwacht werde, lehnten die verantwortlichen Geheimdienststellen, u.a. der heutige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier – damals Kanzleramtsminister –, das Angebot ab. Murat Kurnaz verdankt seine Rückkehr nach Deutschland keinesfalls einem verspäteten juristischen Siegeszug. Es war kein Richterspruch, ihn zurück in die Freiheit brachte, sondern ein politischer Gnadenakt der USA. Zu Beginn der Veranstaltung wird Kurnaz' Rechtsanwalt Berhard Docke aus Bremen, über die Schwierigkeiten berichten, mit seinem Mandanten Kontakt aufzunehmen und bei den deutschen und US-amerikanischen Behörden Respekt für die Wahrnehmung seines Mandats zu erlangen. Desweiteren wird er den Fall von Herrn Kurnaz darstellen und aktuelle juristische Bestrebungen seines Mandanten erläutern. Der BGH-Richter und Bundestagsparlamentarier Wolfgang Neskovic berichtet anschließend von seiner Arbeit im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags berichten, der sich u.a. auch mit dem Fall von Murat Kurnaz beschäftigt und die Verquickung deutscher Stellen untersucht. Auch dabei werden Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Wahrheit und der Durchführung der Untersuchungen des Ausschuss thematisiert werden. Rechtsanwalt Bernd Häusler, Menschenrechtsbeauftragter der Berliner Anwaltskammer, wird schließlich Ideen und Forderungen für den Umgang staatlicher Stellen mit Phänomenen wie Terrorismus formulieren und Perspektiven für Standarts einer globalisierten Strafverteidigung bzw. einer Strafverteidigung im Angesicht globalisierter Terrorbekämpfung aufzeigen. Das Publikum wird Gelegenheit für Nachfragen und eigene Kommentare haben. |