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Aktuell
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Ist
Europa in schlechter Verfassung?
EU-Verfassung
– ein zukunftsoffener Entwurf oder Diktatur der
Gegenwart über die Zukunft?
Freitag,
den 29. April 2005, 18.00 - 21.00 Uhr im Kinosaal
der Humboldt-Universität zu Berlin (Unter den Linden 6,
Tram: M 1, 12; Bus: 100, 200, TXL)
Kurzkonferenz
anlässlich
der Abstimmung des EU-Verfassungsentwurfes im Bundestag am 12. Mai
2005
akj-Berlin (arbeitskreis kritischer
juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu
Berlin) EDA (Europäische Dachorganisation des RAV) EJDM
(Europäische Dachorganisation des VDJ) IALANA
(International Association Of Lawyers Against Nuclear
Arm) Rechtsanwaltskammer
Berlin RAV
(Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein) V
DJ (Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen)
Eintritt frei
Ablauf:
Prof. Dr. Andreas Fisahn (Uni Bielefeld):
Europäischer Verfassungsvertrag – Ein
zukunftsoffener Entwurf?
RA Bernd Häusler (Vizepräs.
Rechtsanwaltskammer Berlin): Mangelnde demokratische
Legitimation des Europäischen Verfassungsvertrages
Martin Hantke (wiss. Mitarbeiter im europäischen
Parlament, RAV) Zur Validität der Charta der
Grundrechte (Teil II des EUVV)
Prof. Dr. Elmar Altvater (Politologe FU Berlin):
Bedeutung und Konsequenzen der der Marktgläubigkeit
zugrundeliegenden ökonomischen Theorien
Dr. Peter Becker (Vorsitzender IALANA): Chance
für zivile Konfliktschlichtung oder Militarisierung?
Prof. Dr. Jürgen Meyer (SPD, Mitglied des
EU-Verfassungskonvents): Formumsbeitrag des
Mitautors angefragt
Schmidt (Europäische JuristInnen für
Demokratie und Menschenrechte): Bericht über die in
Frankreich erarbeitete Kritk am Europäischen
Verfassungsentwurf
Moderation: Wiebke Poschmann (akj-Berlin)
Weitere
Informationen:
Mit Art. 146 GG
beschränkt das Grundgesetz seine eigene Geltungsdauer bis zu
dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen
Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Die von den Regierungschefs verabschiedete EU-Verfassung (EUVV)
hat 448 Artikel. Bestandteil des EUVV sind außerdem gem.
Art. IV - 442 die von den Regierungen beschlossenen Protokolle und
Erläuterungen zu den 448 Artikeln auf weiteren 500
Textseiten. Um es vorweg zu nehmen: Dieser Verfassungsvertrag
taugt nicht als Verfassung. Das Korsett aus Artikeln, Protokollen
und Erläuterungen macht es schier unmöglich, aus
Erfahrungen zu lernen und eine andere Politik als die der derzeit
Regierenden zu machen.
Die seit dem Unionsvertrag von Maastricht von 1991 geltenden
Vorgaben, dass der Schuldenstand eines Landes bezogen auf sein
Bruttoinlandsprodukt in Marktpreisen ein Niveau von 60% nicht
überschreiten sollte, und die jährliche Neuverschuldung,
bezogen ebenfalls auf das nominelle Bruttoinlandsprodukt, nicht
über einen Wert von 3% hinausgehen sollte, außerdem der
Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997, der die Länder
als Voraussetzung ihres Beitritts zur Währungsunion zu
ausgeglichenen Haushalten verpflichtet, sind äußerst
umstritten. Deutschland haben diese Vorgaben nach dem Endes des
kurzen Wiedervereinigungsbooms gezwungen, von 1995 bis 1998 die
öffentlichen Investitionen um 13% zu reduzieren.
Infolgedessen verloren bei Bund, Ländern und Gemeinden über
300.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Sollte deshalb nicht
die Beibehaltung dieser Regelungen gut überlegt werden?
Stattdessen werden sie im Art. III - 184 EUVV iVm der
Erläuterung Nr.17 und dem Protokoll Nr.10 zu Art. III - 184
EUVV als Verfassungsnorm bekräftigt!
Der EUVV wiederholt in den Teilen I (1 - 60) und III (115 -
436) nicht lediglich den Unionsvertrag von 1992 und den Vertrag
über die EG in der Fassung von 2001 (Nizza). Der EUVV spitzt
die Marktgläubigkeit, den Glauben daran, dass der Markt schon
alles richten wird, zu - z.B. auch den sozialen Zusammenhalt der
Gesellschaften der EU-Mitgliedsländer. In den 80er Jahren
stand im EWG-Vertrag noch, dass die Gemeinschaft eine Politik zur
Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts
verfolgt, um eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft als
Ganzes zu fördern. Diese Zielsetzung wird verbal nur
scheinbar im EUVV beibehalten. Gemäß Art. I -3 Abs.3
wirkt die Union nur auf "eine in hohem Maße
wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft hin". Auch
dieser Zielsetzung ist in Art. I -3 Abs.2 vorsorglich und
richtungsweisend das Versprechen der Union vorangestellt, ihren
BürgerInnen einen Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem
Wettbewerb zu bieten.
Die politischen Mittel zur Einlösung des Versprechens in
Art. I -3 Abs.3 EUVV werden in Art. III - 178 Abs.1 EUVV genannt:
"Zur Verwirklichung der Ziele der Union im Sinne des Artikels
I -3 handeln die Mitgliedstaaten und die Union im Einklang mit dem
Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb und
halten sich dabei an die in Artikel III -177 genannten
Grundsätze." Bei diesen Grundsätzen handelt es sich
gemäß Art. III -177 Abs.1 um "eine
Wirtschaftspolitik, die dem Grundsatz einer offenen
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist , und gemäß
Art. III -177 Abs.2 um "eine Geld- und Wechselkurspolitik,
die das Ziel der Preisstabilität verfolgen und die allgemeine
Wirtschaftspolitik der Union unter Beachtung des Grundsatzes einer
offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützen
sollen." Selbstbezüglich ist sich der Binnenmarkt mit
freiem Wettbewerb Zweck und Mittel zugleich. Das soll ein
Gesellschaftsvertrag sein, der sich dadurch auszeichnen muss, dass
die Gesellschaft für alle Gesellschaftsmitglieder
Verantwortung trägt?
Friedenspolitisch gibt u.a. das in Art. I - 40 Abs.3 EUVV
enthaltene Gebot an die Mitgliedstaaten, ihre militärischen
Fähigkeiten schrittweise zu verbessern, und die zu diesem
Zwecke erfolgende Einrichtung einer Agentur für Rüstung,
Forschung und militärische Fähigkeiten Anlass zur Sorge.
Dieses, durch eine zentrale europäische Institution
beförderte Gebot droht wegen der normativen Kraft des
Faktischen konfliktverhütende Strategien zu behindern und zu
überwältigen.
"Il faut donc, se donner le temps de discuter."
Dieser Appell der französischen Kritiker des EUVV ist
richtig. Es ist erforderlich, diesen EUVV gründlich zu
diskutieren und zu entrümpeln und zu verändern.
Materialien:
Zur Konferenz gibt es einen Reader, der hier als pdf
abrufbar ist. Die einzelnen Beiträge gibts
nachstehend auch in der htm-Version:
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