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Großrazzia gegen türkische Migrantenvereine –
zwei Verhaftungen wegen Terrorismusvorwurfs

In einer bundesweit abgestimmten Aktion duchsuchte die Polizei am 29. November 2006 mehrere türkische Migrantenvereine. Diese Maßnahme richtete sich nach Polizeiangaben gegen die seit 1998 in Deutschland verbotene "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C). Mindestens 59 Wohnungen, Geschäftsräume und Kulturvereine wurde in Berlin, Köln, Heidelberg, Stuttgart, München und Augsburg durchsucht. Vereinsmitglieder seien dabei wie Kriminelle von der Polizei überfallen und Vereinsräume verwüstet worden, kritisierte ein Sprecher der "Anatolischen Föderation" aus Köln.

6. Dezember 2006

Die 1994 aus der Spaltung der türkischen linken Organisation "Dev-Sol" ("Revolutionäre Linke") hervorgegangene DHKP-C wird von der Türkei, EU und USA als terroristisch eingestuft. Die sich als "antiimperialistisch" und "antioligarchisch" verstehende Organisation verfügt vor allem unter den Bewohnern der Elendsviertel westtürkischer Großstädte über Anhänger. Neben einer Reihe von Bombenanschlägen, bei denen mehrere Menschen getötet wurden, setzte sich die DHKP-C in den letzten Jahren gegen die Isolationshaft in türkischen F-Typ-Gefängnissen ein. 122 politische Gefangene oder Familienangehörige starben bislang in einem seit sechs Jahren andauernden Todesfasten, ohne daß der türkische Staat sich zu Zugeständnissen bereit zeigte. Die DHKP-C wurde in Deutschland am 6. August 1998 unter dem damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther verboten. Begründet wurde dies mit ihrer Eigenschaft als Ersatzorganisation der seit 1983 in Deutschland verbotenen "Dev-Sol" und unter anderem mit den zum Teil blutigen Fraktions- kämpfen zwischen ihr und dem gegnerischen Flügel (THKP-C), der gleichzeitig mit einem Betätigungsverbot belegt wurde.

Darüber hinaus wurden am selben Tag in Berlin und Heidelberg zwei türkische Staatsbürger aufgrund eines Haftbefehls der Generalbundesanwältin verhaftet. Ihnen wird nach § 129b Strafgesetzbuch Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die Einführung dieses Paragrafen im Jahre 2002 ist damals mit der Bedrohung durch den internationalen "islamistischen Terrorismus" legitimiert worden.

Ein "terroristischer Flügel innerhalb der DHKP-C" habe sich zum Ziel gesetzt, den türkischen Staat durch bewaffneten Kampf zu beseitigen und durch ein marxistisch-leninistisches Regime zu ersetzen, so die Bundesanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung.

Die Beschuldigten sollen als Gebietsverantwortliche für den terroristischen Flügel der DHKP-C tätig gewesen sein. Einem der Verhafteten wird dabei zur Last gelegt, Spendengelder gesammelt, Parteikader geschult sowie Demonstrationen und Diskussionsabende organisiert zu haben.

Der andere Beschuldigte, Devrim G. aus Heidelberg, soll neben Spendengeldsammlungen und Parteikaderschulungen für die sichere Aufbewahrung von Waffen verantwortlich gewesen sein. Beide Beschuldigte sollen außerdem zusammen mit einem bereits am 15. November 2006 Festgenommenen an der Vorbereitung eines illegalen Waffentransports in die Türkei mitgewirkt haben.

Vor zwei Jahren wurde Devrim G. vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen Vorwürfen aus dem Jahre 1998 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Pressemitteilung eines Verwandten zufolge, sei er der Auflage des Gerichts, sich eine Beschäftigung zu suchen, gefolgt, indem er sowohl für einen Catering- Service arbeitete als auch ein Abendgymnasium besuchte, wo er eigentlich im kommenden Jahr das Abitur machen wollte.

Daneben droht dem in Deutschland geborenen und seit Jahren hier lebenden Devrim G. auch die Abschiebung in die Türkei. Innerhalb der letzten zwei Jahre soll ihm das Regierungspräsidium Karlsruhe zweimal die Ausweisung angedroht haben. Dessen Verwandter, Arif Rüzgar, vermutet jedoch, dass mit dem von der Bundesanwaltschaft erhobenen Terrorismusvorwurf die Abschiebung von Devrim G. erleichtert werden soll.

Wir dokumentieren nachstehend die Presseerklärung von Arif Rüzgar:

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Heidelberg, den 30.11.2006

Sehr geehrte Damen und Herren von der Presse,

am 28.11.2006 ist nach einer Verfügung der Generalbundesanwaltschaft Devrim G. festgenommen worden. Devrim G. ist in Köln geboren. Seit Januar 2005 in Heidelberg wohnhaft. Hier besucht er das KFG- Abendgymnasium und arbeitet für einen Catering- Service. Im kommenden Jahr plante er sein Abitur zu machen. Dieser Plan scheint erstmal mit der Festnahme vereitelt.

Devrim G. wird die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung der DHKP- C in der Türkei zur Last gelegt. Weiterhin wird behauptet, dass der Beschuldigte Spendengelder sammelte, Parteikader schulte und verantwortlich für die sichere Aufbewahrung von Waffen war. Darüber hinaus wird er wegen Vorbereitung eines illegalen Waffentransports in die Türkei beschuldigt.

Vor zwei Jahren wurde Devrim G. vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen Vorwürfen aus dem Jahre 1998 zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Dem richterlichen Ratschlag, sich eine Beschäftigung zu suchen folgte er, indem er sich sowohl um eine Arbeit, als auch um seine schulische Weiterbildung kümmerte.

Diesmal wird ihm der Vorwurf des Verstoßes gegen den Paragraphen 129b Abs. 1. StGB gemacht, welcher 2002 ursprünglich zur Bekämpfung von islamistischem Terror vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. So wird dem Angeklagten die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland seit dem 30. August 2002 vorgeworfen. Der Paragraph 129b besteht aus einem einzigen Satz: "Die §§129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland". Hiernach können Personen, die im Ausland, in diesem Fall der Türkei, beschuldigt werden Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, in der Bundesrepublik ebenfalls belangt werden, sofern sie sich hier aufhalten.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass Devrim G. innerhalb der letzten zwei Jahre zweimal vom Regierungspräsidium Karlsruhe die Ausweisung angedroht wurde. Auf die Rückfrage seines Anwaltes, Herr Fresenius, wurde seitens der Bundesanwaltschaft nicht geantwortet.

Offensichtlich soll die Ausweisungsandrohung des Karlsruher Regierungspräsidiums in Verbindung mit dem § 129b umgesetzt werden. Alles deutet auf eine Ausdehnung des Paragraphen auf eine nicht islamistische Organisation hin. Die Tatsache, dass Devrim G. in Deutschland wohnhaft ist, seinen Aufenthaltsort auch ständig in Deutschland hat, verhindert dennoch nicht die Zuordnung zu einer terroristischen Organisation in der Türkei. Zumal Devrim G. seit Jahren nicht mehr in der Türkei gewesen ist. Die Generalbundesanwaltschaft versucht mit dem § 129b das zu erreichen, wofür die §§ 129 und 129a nicht im Stande waren: eine Verurteilung des Angeklagten als Mitglied einer terroristischen Vereinigung (im Ausland). Die Prozedur ist stark vereinfacht. Das Justizministerium entscheidet, ob eine Organisation als terroristisch eingestuft werden kann oder nicht. Damit kann der Tatsache, dass die DHKP- C in Deutschland seit Feb. 1999 nicht mehr als terroristisch gilt, getrotzt werden, indem auf das Verbot in der Türkei verwiesen wird. An einer demokratischen Legitimation des Verfahrens kann zu Recht gezweifelt werden.

Die Beschuldigung, seit August 2002 bis zur heutigen Festnahme, Gebietsverantwortlicher und Funktionär gewesen zu sein, entspricht nicht der Wahrheit. Seit Ende 2004 bin ich ständiger Begleiter des Beschuldigten. Als zeitweiliger Mitbewohner, enger Freund und Verwandter kann ich die Gehaltlosigkeit dieser Vorwürfe nur bestätigen. Ich fordere die sofortige Freilassung von Herrn Devrim G. und eine Ende der Ausweisungsandrohungen seitens des Regierungspräsidiums Karlsruhe.

Hochachtungsvoll

Arif Rüzgar

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