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Viva Cuba!
Die Kontakte zwischen der Humboldt-Uni und der Universidad de La Habana
(UH) leben wieder auf. Vom 28.2. - 2.3.2000 trafen sich WissenschaftlerInnen
beider Unis in Havanna zur Konferenz "Transatlantische Dialoge".
Die Studierendenschaft der Humboldt-Uni hat aus diesem Anlass eine eigene
Delegation nach Havanna geschickt, um mit kubanischen Studi-Organisationen
ins Gespräch zu kommen. Die wichtigste Erkenntnis dieser Reise:
...was
immer Kuba ist, es ist anders als alle gängigen Vorurteile. Von "Abschottung"
war nichts zu spüren. Die FEU (siehe Kasten) pflegt intensive Kontakte
zu Studierenden in ganz Lateinamerika, zu JuristInnen in Puerto Rico,
MedizinerInnen in Venezuela, mit regelmäßigen gegenseitigen
Besuchen. Grenzüberschreitende Kommunikation, Ein- und Ausreise...
alles möglich. "Natürlich werden wir bei diesen Austauschprojekten
von der Universität unterstützt." antwortet Ioanna,
die Referentin für internationale Beziehungen der Studierendenschaft
der UH auf unsere Frage - mit leichtem Schulterzucken, das uns in Erinnerung
ruft, dass sowohl die FEU, als auch die UJC (siehe Kasten) in Universität
und Gesellschaft enorme Mitbestimmungsrechte haben, die nationale Studierendenvertretung
trifft sich regelmäßig mit den MinisterInnen für Bildung,
Sport und Erholung, Gesundheit und Wirtschaft. Die Studi-Vertretungen
fühlen sich selbstverständlich für alle Politikbereiche
zuständig. Und Kontakte nach Europa? "Interesse haben wir, das
einzige echte Problem ist das Geld für Flüge und Aufenthalt..."
meint sie. Wir wollen wissen, an welchen Themen sie interessiert sind,
worüber sie mit EuropäerInnen reden würden. "Über
vieles, wie sie studieren, arbeiten, leben, was sie von den weltweiten
politischen Entwicklungen halten, Globalisierung, Ökologie, Hunger
und Armut, Frieden...". " Lasst uns gemeinsam über die
Zukunft reden." wirft Javier ein, der Präsident der UJC
an der Uni. Er hatte uns zuvor in die Geschichte der UJC eingeführt,
die Quintessenz war: Alle Veränderungen, alle revolutionären
Bewegungen, gingen auch immer von den Studierenden, von den Universitäten
aus. Dieser Aussage begegnen wir mehrfach wieder.
Was uns alle interessiert, ist die Frage, wie und warum Kuba es geschafft,
10 Jahre nach dem Ende des Ostblocks, immer noch eigene Wege zu gehen.
Es hat Veränderungen gegeben, zweifelsohne. "Marxismus-Leninismus
ist nicht mehr so aktuell," stellt Isabell Monal fest, Professorin
in eben jenem Fach, die einst an der Humboldt-Uni promoviert hat. "Es
gibt eine starke Tendenz, sich wieder auf die lateinamerikanischen und
nationalen Helden und Denker zu berufen, Jose Marti zum Beispiel."
Trotzdem werden marxistische Theorien weiterentwickelt, "es gibt
hier auch Leute, die an der Frage arbeiten, wie Marxismus und Feminismus
zueinander gebracht werden können." Aber wie haben sie den Totalzusammenbruch
all ihrer Wirtschaftsbeziehungen überleben können? Die periodo
especial ist immer noch nicht vorbei. Es fahren wieder mehr Busse
und Autos in Havanna, aber völlig gelöst ist das Transportproblem
noch nicht. Lebensmittel gibt es genug, wer "Luxusgegenstände"
wie Shampoo, Medikamente oder Schreibzeug für Peso bekommen möchte,
muss sich öfter rechtzeitig anstellen. Für Dollar gibt es alles,
jederzeit. Wenigstens kann jede KubanerIn Pesos gegen Dollar tauschen,
in den staatlichen Wechselstuben, zu festen Kursen. Das Problem ist, genug
Pesos zusammenkratzen. Maria Rojas, chilenische Schriftstellerin
im kubanischen Exil, erzählt uns, "natürlich war das hart,
als es fast gar nichts gab. Inzwischen gibt es langsame, aber stetige
Verbesserungen. Aber die Menschen in Kuba haben sich ihre Revolution doch
selbst erkämpft. Sie ist ihnen nicht in den Schoß gefallen,
wie vielen anderen Ländern des Ostblocks. Sie haben davor unter kolonialer
Unterdrückung gelebt, unter Battistas Diktatur. Und sie sehen an
den anderen lateinamerikanischen Ländern, an Bolivien und Kolumbien,
welches Schicksal ihnen blüht, wenn sie aufgeben." Kuba hat
nach wie vor ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem. Die Zahlen
zu Analphabetismus und Kindersterblichkeit liegen im europäischen
Bereich. Mit knapp 30 % Frauen im Parlament und über 40 % Frauen
in Wirtschaft und Verwaltung hält Kuba einen einsamen Spitzenplatz
in Lateinamerika. Studentinnen überwiegen deutlich an kubanischen
Universitäten. Die Hauptfrage, mit der sich der nationale Frauenkongreß
Anfang März beschäftigte, war, wie es zu erreichen sei, dass
Frauen endlich auch in den Führungspositionen adäquat vertreten
sind. Da sind nämlich derzeit nur etwa 30 % Frauen... Eine solche
Fragestellung ist in anderen lateinamerikanischen Ländern undenkbar.
"Der Sozialismus in Kuba muss sich verändern, weil die Welt
ganz anders geworden ist, aber die Grundsätze bleiben die gleichen,
die wichtigsten Leute in der kubanischen Wirtschaft sind Marxisten."
fasst Isabell Monal das Phänomen zusammen. Der Eindruck bestätigt
sich auch beim Besuch in der ökonomischen Fakultät. Sergio
von der FEU, BWL-Student, könnte auf den ersten Blick jeder westlichen
Wirtschaftsfakultät entsprungen sein. Gut gekleidet, redegewandt
und selbstbewusst erzählt er uns von den Studieninhalten: Keynes,
Samuelson, Adam Smith..., natürlich auch marxistische Ökonomiekritik.
Ob über die aktuelle wirtschaftliche Lage, die Öffnung gegenüber
dem Tourismus geredet wird, wollen wir wissen. "Klar, das gibt hier
jedes mal heiße Diskussionen. Ob wir mehr Investitionen brauchen,
oder nicht. Ich meine, wir müssen einfach mehr produzieren, um die
"Dollarwirtschaft" wieder loszuwerden. Die Legalisierung des
Dollar hat die materielle Ungleichheit nach Kuba gebracht, das muss rückgängig
gemacht werden." In der Tat erzeugt der Tourismus die größten
Spannungen in der kubanischen Gesellschaft - einfach weil frau als Kellnerin
da mehr verdienen kann, als als Professorin. Natürlich werden die
Angestellten von staatlicher Seite ausgewählt und es finden sich
auch Plakate mit Aufschriften wie: "Die wichtigste Aufgabe im Tourismus
ist es, die Moral der Angestellten zu erhalten". Und vor allem: Über
diese Spannungen wird offen geredet, sie sind kein Tabu. Aber sie sind
ein Problem. Im übrigen ist die kubanische Tourismus-Welt Gran Canaria
ähnlicher, als dem Rest Kubas. Dienstleistungswelten eben. Wer Kuba
sehen will, sollte nicht nach Varadero fahren.
Es
gibt ein zunehmendes europäisches Interesse an Kuba. Die Annäherung
trägt das Etikett "Entwicklungshilfe" oder auch "wissenschaftliche
Zusammenarbeit." Das darf nicht darüber hinwegtäuschen,
dass das Interesse im Kern ein ökonomisches ist. "Wandel durch
Annäherung" oder auch "Wir sind intelligenter, als die
Amerikaner", diese Sätze sind auch im Umfeld der Konferenz "Transatlantische
Dialoge" gefallen. Höhepunkt war die Abschlussrede des Herrn
Catenhusen, Staatssekretär der Bildungsministerin, die die
Schirmherrschaft über die Konferenz übernommen hatte. Die Wissenschaft
müsse sich der globalen Konkurrenz öffnen, dafür brauche
es vor allem international kompatible Abschlüsse, weshalb die Bundesrepublik
ja nun auch den Bachelor und den Master einführt; er sprach von Internet
und Datenautobahn und Bildung als globaler Ware. Die kubanischen WissenschaftlerInnen
hatten ihre Gesichtszüge ganz gut unter Kontrolle. Der studentischen
Delegation sind sie deutlicher entgleist. Für so dumm sollte er seine
kubanischen KollegInnen nicht halten. Es war schon peinlich genug, wie
sich viele RednerInnen aus Berlin um die Frage nach dem zwischenzeitlichen
Abbruch der Beziehungen zwischen den Universitäten herumgewunden
haben. "1989 waren wir an dem Punkt angelangt ... und jetzt machen
wir da weiter." Dazwischen nur verkrampftes Schweigen. Das soll nicht
heißen, dass die gesamte Konferenz unter diesen Vorzeichen stand,
das wäre ungerecht gegenüber den OrganisatorInnen und auch gegenüber
vielen der beteiligten WissenschaftlerInnen. Aber im Zuge der weiteren
Zusammenarbeit zwischen beiden Unis sollte sich die Humboldt-Uni noch
einmal genauer überlegen, vor wessen Karren sie sich spannen lassen
will. Das gesunde Misstrauen der KubanerInnen, mit dem auch die OrganisatorInnen
der Konferenz manchmal zu kämpfen hatten, kommt nicht von ungefähr.
Noch
ein interessantes Erlebnis soll hier erwähnt werden: Es gibt immer
wieder Berichte über kubanische Homophobie. Zwei Wochen reichen sicher
nicht, um die Frage abschließend zu beurteilen, aber im Studentenwohnheim
wurde eine (richtig gute) Travestie-Show aufgeführt, offensichtlich
auch nicht zum ersten Mal. Zumindest unter den Studierenden dort schien
das kein besonderes Problem zu sein.
Zum Abschluss der Konferenz wurde auch das Studi-Austauschprogramm zwischen
beiden Universitäten verlängert. Jedes Jahr können vier
Studierende der HU nach Havanna gehen und umgekehrt. Wer Lust hat, sich
selbst auf diese Weise ein Bild zu machen, kann sich an Frau Brodien
vom Akademischen Auslandsamt wenden. Darüber hinaus wollen wir -
die Delegation, hoffentlich unterstützt von der Studierendenschaft
- den Kontakt weiterführen, an konkreten Inhalten festmachen, und
gemeinsame studentische Projekte initiieren. Wir halten Euch auf dem laufenden!
Verena Grundmann
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