Studiengebühren sind verfassungswidrig
1000,-
DM Studiengebühren müssen StudentInnen in Baden-Württemberg
bereits zahlen, wenn sie ihr Bildungsguthaben in Höhe der Semesterzahl
der Regelstudienzeit ihres Erststudiums zuzüglich vier weiterer Hochschulsemester
überschritten haben oder sich nach dessen Ablauf in einem Zweitstudium
befinden. Damit liegen sie im europäischen Bereich im Spitzenfeld.
Bayern erhebt bisher "nur" für das Zweitstudium Gebühren.
Sachsen ist mit 600,- DM dabei. Ähnliche Vorstellungen verfolgen
Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen sowie Berlin und Brandenburg,
wo bereits als Verwaltungsgebühren getarnte Immatrikulationsgebühren
in Höhe von 100,- DM pro Semester erhoben werden. Die Privatisierung
des öffentlichen Sektors macht auch vor den Hochschulen nicht halt.
Speziell mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des
baden-württembergischen Gebührenmodells hat die GEW im Frühjahr
1998 Prof. Dr. Albert von Mutius, Hochschullehrer an der Uni Kiel
und ehemaliger Präsident des Deutschen Studentenwerks, betraut. Das
von ihm erstellte Gutachten, das uns von der GEW freundlicherweise zur
Verfügung gestellt wurde, ist Grundlage dieses Artikels und sämtlicher
Klagen baden-württembergischer StudentInnen. Allerdings werden hier
nur die generelle Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit von Studiengebühren
dargestellt.
Studiengebühren verstoßen gegen Art. 12 Abs. 1 GG
Im Art. 12 Abs. 1 Satz 1 wird die freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte
unter Schutz gestellt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG
stellt die Ausbildung i. d. R. die Vorstufe einer Berufsaufnahme dar,
denn "beide sind integrierende Bestandteile eines zusammengehörenden
Lebensvorganges". Daher seien die in Art. 12 Abs. 1 GG verwendeten
Begriffe Berufswahl und spätere Berufsausübung untrennbar und
sprächen einen einheitlichen Komplex der beruflichen Betätigung
als Grundlage der Lebensführung an. Das Grundrecht enthält damit
ein Abwehrrecht jedes Deutschen gegen Freiheitsbeschränkungen im
Ausbildungswesen (Status negativus des Art.12 Abs.1). Dies schließt
das Recht der immatrikulierten StudentInnen auf Fortbestand des gebührenfreien
Studiums ein. Wenn nunmehr durch Studiengebühren die Ausbildung kostenpflichtig
wird, wäre der Schutzbereich des Grundrechtes nachteilig betroffen.
Die freie Planung der persönlichen Ausbildung würde durch den
Faktor Gebühr beeinträchtigt werden. Der oder die StudentIn
stünde zwangsläufig vor der Alternative, seine oder ihre Ausbildung
abzuschreiben oder die Gebühr zu zahlen. Aus diesen Gründen
greifen Studiengebühren in das Abwehrrecht des Art. 12 Abs. 1 GG
ein.
Daneben gewährt Art. 12 Abs. 1 GG im Rahmen seines Status activus
aber auch originäre und derivative Teilhaberrechte an den staatlichen
Leistungen der Hochschulausbildung. Dies ergibt sich aus dem Umstand,
dass die Leistung vielfach zur Voraussetzung für das abwehrende Gebrauchen
bestimmter Grundrechte geworden ist. Denn durch die Entstehung vielfacher
sozialer Abhängigkeiten ist die dem Grundrechtsverständnis des
liberal bürgerlichen Rechtsstaates zugrundeliegende Auffassung, der
Einzelne sei weitestgehend sich selbst überlassen und es bedürfe
nur einer ihm gegebenen verstaatlichten Freiheit durch die Abwehr staatlicher
Eingriffe, für viele Menschen nur noch Fiktion.
Daher ist Freiheit ohne die tatsächliche Voraussetzung, diese in
Anspruch nehmen zu können, wertlos. Dieser Auffassung entsprechend
garantiert Art. 12 Abs. 1 als Teilhaberrecht auf den ersten Blick auch
den kostenlosen Zugang zu Hochschulen.
Das derivative Teilhaberrecht, das einen grundrechtlich gesicherten Anspruch
auf staatliche Leistungen gewährleistet, hat das BVerfG dogmatisch
aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus
Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet.
Danach erhält das Recht auf Ausbildungsfreiheit dann einen teilhaberrechtlichen
Charakter, wenn öffentliche Ausbildungseinrichtungen durch den Staat
rechtlich oder tatsächlich monopolisiert sind.
Zum Umfang dieses Teilhaberrechts hat das BVerfG ausgeführt, dass
selbst wenn grundsätzlich daran festzuhalten sei, dass es auch im
modernen Sozialstaat der nicht einklagbaren Entscheidung des Gesetzgebers
überlassen bleibt, ob und wie weit er im Rahmen der darreichenden
Verwaltung Teilhaberrechte gewähren will, so können sich doch,
wenn der Staat gewisse Ausbildungseinrichtungen geschaffen hat, aus dem
Gleichheitssatz i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip Ansprüche
auf Zutritt zu diesen Einrichtungen ergeben. Das gelte besonders dort,
wo der Staat, wie im Bereich des Hochschulwesens, ein faktisches, nicht
beliebig aufhebbares Monopol für sich in Anspruch genommen hat und
wo, wie im Bereich der Ausbildung zu akademischen Berufen, die Beteiligung
an staatlichen Leistungen zugleich notwendige Voraussetzung für die
Verwirklichung von Grundrechten sei. Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs.
1 GG und dem Sozialstaatsprinzip gewähren also dem oder der hochschulzugangsberechtigten
StaatsbürgerIn ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner
oder ihrer Wahl.
Studiengebühren stellen zwar keinen unmittelbaren Eingriff in das
Recht zum Hochschulzugang dar, aber es bleibt eine mittelbare Beeinträchtigung.
Denn jede oder jeder Hochschulzugangsberechtigte muss sich überlegen,
welche Berufsausbildung sie oder er absolvieren will. An diesen Überlegungen
werden Studiengebühren und ihre abschreckende Wirkung einen nicht
unwesentlichen Anteil haben. Damit wird aber das Grundrecht auf freien
Hochschulzugang betroffen.
Die aus Art. 12 GG hergeleiteten Rechte, stehen nach Abs. 1 Satz 2 unter
dem Vorbehalt näherer Regelung durch oder aufgrund eines Gesetzes.
Von daher kann der Gesetzgeber in dem Rahmen, der ihm von der Verfassung
und der Rechtsprechung des BVerfG eingeräumt wurde, in die Berufsfreiheit
eingreifen.
Ob er sich bei der Einführung von Studiengebühren allerdings
in diesem Rahmen bewegt, ist zweifelhaft.
Nach der vom BVerfG entwickelten Stufentheorie
ist bei einem Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zwischen Berufsausübungsregelungen
und die - die Freiheit der Berufswahl betreffenden - subjektiven und objektiven
Zulassungsvoraussetzungen zu differenzieren. Nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers soll die Zahlung einer Gebühr zur Voraussetzung für
die Zulassung zum Studium oder dessen Weiterführung werden. Da es
also von jeder Studentin bzw. jedem Studenten selbst abhängt, ob
sie bzw. er die Gebühr zahlt oder nicht, hätte eine Einführung
von Studiengebühren den Charakter einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung.
Während die Freiheit der Berufsausübung bereits durch vernünftige
Erwägungen im Sinne des Allgemeinwohles eingeschränkt werden
kann, gelten für den Eingriff in die Freiheit der Berufswahl höhere
Anforderungen. Danach sind subjektive Zulassungsvoraussetzungen nur zum
Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig.
Bei der juristischen Bewertung von Studiengebühren kommt es also
darauf an, ob mit ihrer Hilfe wichtige Gemeinschaftsgüter geschützt
werden sollen.
Trotz der hintergründig ursächlichen Elitekonzeption bezweckt
der Gesetzgeber mit ihrer Einführung vorgeblich eine Verkürzung
der Studienzeit und einen Beitrag zur Hochschul- oder Haushaltsfinanzierung,
je nachdem an wen die Gebühren entrichtet werden müssen. Die
Verkürzung der Studienzeit dürfte kaum zu den wichtigen Gemeinschaftsgütern
zählen, denn es ist für die Gemeinschaft keineswegs von Interesse,
wie lange bestimmte Personen studieren. Die Wettbewerbsfähigkeit
des oder der Einzelnen auf dem Arbeitsmarkt mag vielleicht von seinem
Alter abhängen, aber die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik
Deutschland, an der die Gemeinschaft ein Interesse haben könnte,
bestimmt sich nicht nach dem Durchschnittsalter ihrer HochschulabsolventInnen,
sondern nach deren Qualifikation.
Was den zweiten Zweck angeht, so argumentieren Politiker gern, dass es
weder ordnungspolitisch vertretbar noch finanzpolitisch länger zu
rechtfertigen sei, dass man zeitlich unbefristet kostenlos studieren könne.
Es käme aber darauf an, dass das wichtige Gemeinschaftsgut Hochschulausbildung
ohne den finanziellen Beitrag der Gebührenzahler gefährdet sei
und daher mittels Studiengebühren geschützt werden müsse.
Dieser Rechtfertigungsgrund für den Grundrechtseingriff dürfte
allerdings entfallen, da die Gebühren ohnehin nicht direkt zur Finanzierung
der Hochschulen eingesetzt werden, sondern vorher in Haushaltslöchern
verschwinden. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass ein wichtiges
Gemeinschaftsgut existiert, zu dessen Schutz die Einführung von Studiengebühren
unerlässlich wäre.
Aber selbst wenn der Gesetzgeber mit der langfristigen Verkürzung
der Studienzeiten einen legitimen Zweck verfolgt, kann man die Einführung
von Studiengebühren im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
und des davon abgeleiteten Übermaßverbotes nicht als geeignetes
Mittel zur Erreichung dieses Zwecks bezeichnen. Denn dazu müsste
durch die Gebühren auch tatsächlich eine Verkürzung der
Studienzeit erreicht werden können. Aus der 14. Sozialerhebung des
deutschen Studentenwerkes ergibt sich ein wesentlicher Zusammenhang zwischen
der Studiendauer und der Notwendigkeit, neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit
nachgehen zu müssen.
Außerdem ist bei Studierenden, die über die Regelstudienzeit
hinaus an der Universität verweilen, der Teil erheblich höher,
der zur Sicherung seines Existenzminimums Einnahmen aus Erwerbstätigkeiten
hat. Studiengebühren würden also in erster Linie diejenigen
treffen, die bereits zur Finanzierung ihres gebührenfreien Studiums
erheblichen Aufwand betreiben müssen, der ihnen als Studierzeit natürlich
nicht mehr zur Verfügung steht und zur Verzögerung des Studienabschlusses
führt.
Durchschnittlich wenden StudentInnen, die einer Erwerbstätigkeit
nachgehen, sieben Wochenstunden weniger für ihr Studium auf. Angesichts
eines Gesamtaufwandes von 46 bis 47 Wochenstunden dürfte auch kaum
die Möglichkeit gegeben sein, die Zeit für die Studienaktivitäten
zu erhöhen. Wenn diese Möglichkeit aber nicht besteht, werden
auch Studiengebühren keinen Einfluss auf das Verhalten der Studierenden
haben können. Dementsprechend sind Studiengebühren als Mittel
für die Durchsetzung des verfolgten Zweckes ungeeignet.
Zudem stünden dem Gesetzgeber wirksamere Mittel zur Verfügung,
die zugleich die Grundrechte weniger oder gar nicht einschränken
würden. Als solche könnte man eine Verbesserung der universitären
Ausbildung, der Prüfungssysteme und der finanziellen Ausstattung
der Studierenden erwägen. Eine Verbesserung der finanziellen Situation
der Studierenden würde dazu beitragen, dass nicht mehr 60 % der StudentInnen
erwerbstätig sein müssen, um damit größtenteils ihren
Lebensunterhalt zu verdienen. Finanziell abgesichert könnten die
betroffenen Studierenden das gewonnene Zeitpotential für ihr Studium
einsetzen und so sehr viel effektiver und zielgerichteter studieren.
Darüber hinaus spricht aber auch ein sozialpolitischer Gesichtspunkt
gegen die Zumutbarkeit der Studiengebühren. Diese beinhalten nämlich
immer auch eine weitere Verschärfung der Ungleichheit, dass Kinder
von Nichtakademikern oder aus sozialen Unterschichten daran gehindert
werden, akademische Berufe zu ergreifen. Dabei spielt es keine erhebliche
Rolle, ob das gesamte Studium gebührenpflichtig ist oder erst zu
einem späteren Zeitpunkt gebührenpflichtig wird. Eine abschreckende
Wirkung haben Studiengebühren in jedem Fall. Doch gerade der Austausch
zwischen den sozialen Schichten und damit die Wahrnahme des Teilhaberrechtes,
das Studium von Kindern aus Nichtakademiker-Haushalten genauso wie die
Berufsausbildung von Kindern aus Akademikerhaushalten ist wesentlicher
Bestandteil der Selbstbestimmungsrechte jedes einzelnen und damit der
Freiheit der Berufswahl und des Ausbildungsplatzes gem. Art. 12 Abs. 1
Satz 1 GG und Grundlage für den sozialen Frieden und die Gleichberechtigung.
Das Äquivalenzprinzip
Gebühren und Beiträge jeder Art sind an dem sog. Äquivalenzprinzip
zu messen. Auf diese Weise sollen die Gebühren den jeweiligen Vorteil
abschöpfen, den der oder die Einzelne aus der Leistung des Staates
hat.
Damit stellt sich die Frage nach dem Wert der Gegenleistung, die man durch
die Zahlung von Studiengebühren erhält. Diese Gegenleistung
besteht in der Gewährung des Rechtes zur Nutzung der Hochschule zum
Studium. Fraglich bleibt allerdings ihr Wert und der aus ihr erwachsene
individuelle Vorteil.
Das gern gebrauchte Argument, dass Studierende nach Abschluss ihrer Ausbildung
ein erheblich höheres Einkommen als der Durchschnitt der Werktätigen
haben, kann zur Bemessung des Vorteils, den das Recht zum Studium bringt,
nichts beitragen. Denn wenn man die sehr viel längere Ausbildungszeit
der StudentInnen berücksichtigt, so zeigt sich, dass der Eintritt
in das Berufsleben erst sehr viel später erfolgt und die in diesen
Jahren nichtgeleisteten Beiträge zur Rentenversicherung bei der Rentenbemessung
nicht angerechnet werden. Darüber hinaus ist nach der derzeitigen
Lage auf dem Arbeitsmarkt keinesfalls sichergestellt, dass die oder der
Einzelne auch in dem Beruf tätig wird, in dem sie oder er einen Abschluss
gemacht hat.
Schließlich sollte man auch die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen
des Hochschulstudiums nicht aus den Augen verlieren. HochschulabsolventInnen
tragen in ihrer späteren Funktion in einem nicht unerheblichen Maß
zur Steigerung des Bruttosozialproduktes sowie zur Schaffung und Erhaltung
von Arbeitsplätzen bei und übernehmen Verantwortung der Gesellschaft
gegenüber. Man kann also insgesamt nicht davon ausgehen, dass Studiengebühren
in der Höhe, wie sie in z.B. Baden-Württemberg erhoben werden,
im Hinblick auf den Wert der Leistung angemessen sind. Vielmehr stellt
sich die Frage, ob die Möglichkeit zum Hochschulstudium in der Mehrheit
der Fälle überhaupt einen finanziellen Vorteil bedeutet. Sollte
dieser aber nicht existieren, so liegt in der Höhe der Gebühr
ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip.
Art. 3 Abs. 1 GG
Grundsätzlich müssen Gebühren und Beiträge, sollen
sie verfassungsmäßig sein, dem Gleichheitssatz in Art. 3 Abs.
1 GG standhalten.
Dabei stellt sich im Wesentlichen das Problem der verschiedenen Höhe
der in den jeweiligen Studiengängen anfallenden Kosten.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG verbietet der Gleichheitssatz, "dass
wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, dass wesentlich Ungleiches
entsprechend der bestehenden Ungleichheit behandelt wird."
Der Gleichheitssatz sei verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus
der Natur der Sache ergebender oder sonst ein einleuchtender Grund für
die gesetzliche Differenzierung der Gleichbehandlung nicht finden lasse
und die Bestimmung dem gemäß als willkürlich bezeichnet
werden müsse. Daher wird verlangt, dass wesentlich Gleiches auch
gleich, aber wesentlich Ungleiches ungleich behandelt wird.
Verlangt der Gesetzgeber von allen Studierenden eine einheitliche Studiengebühr
in Höhe von z.B. 1000,- DM pro Semester, ohne zu berücksichtigen,
dass die Kosten für einen Studienplatz zwischen 270.000,- DM und
30.000,- DM
schwanken und also je nach Studiengang bis zum Neunfachen differieren,
so behandelt er wesentlich Ungleiches gleich. Es ist schließlich
nicht nachzuvollziehen, warum ein Teil der Studierenden, nämlich
die mit dem kostengünstigen Studiengang, sich an den Kosten ihres
Studiums neunmal so hoch beteiligen sollen, wie ein Student des kostenintensiven
Studiums. Eine Pauschalisierung ist in dieser Weise nicht zulässig
und verstößt gegen das Gleichheitsgebot.
Rechtsprechung
Die in der Vergangenheit vielfach erhobenen Klagen gegen die auf der
Grundlage des am 24. Mai 1997 in Kraft getretenen Landeshochschulgebührengesetzes
(LHGebG) von Baden-Württemberg von den Hochschulen geforderten Gebührenzahlungen
wurden von den VerwG überwiegend abgelehnt, ohne den Streitgegenstand
abschließend zu klären. Vielmehr mussten insbesondere im Hinblick
auf einen möglichen Verstoß der maßgeblichen Vorschriften
des LHGebG gegen Art. 12 Abs. 1 GG und dem rechtsstaatlichen Grundsatz
des Vertrauensschutzes "wegen der sich insoweit stellenden komplexen
und schwierigen Rechtsfragen eine abschließende Prüfung dem
Hauptverfahren vorbehalten bleiben",
auch wenn die Gerichte an der Rechtmäßigkeit der baden-württembergischen
Studiengebühren "keine ernstlichen Zweifel" zu erkennen
vermochten.
Die absoluten Mindestvoraussetzungen für die Wahrnehmung des in
Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Rechts auf Ausbildungsfreiheit seien durch
die Erhebung von Studiengebühren nach Maßgabe des LHGebG in
Hinblick auf eine ins Gewicht fallende soziale Gruppe nicht evident unterschritten.
Zwar stellten die Gerichte fest, "dass es durchaus Fälle geben
mag, in denen eine weitere Steigerung der Belastung durch Erwerbstätigkeit
und Studium nur unter Aufbietung großer Anstrengungen möglich
ist oder in denen weder durch einen Verzicht auf Freizeit noch durch eine
Reduzierung des Lebensstandards die zeitliche und geistige Hingabe zum
Studium nennenswert erhöht werden und deshalb der Studienabschluss
beschleunigt werden kann", jedoch genüge es, wenn der Gesetzgeber
"insgesamt von einer positiven Wirkung des Gesetzes ausgehen"
könne.
Andere, die Grundrechte weniger einschränkende Alternativen seien
zudem wegen der mit ihnen verbundenen Belastung des Staatshaushaltes nicht
ersichtlich.
Trotz dieser angeblichen vom VerwG Freiburg ergründeten Zweckmäßigkeit
des LHGebG, das Studium insgesamt zu verkürzen, könne "die
mit der Studiengebühr verbundene finanzielle Mehrbelastung [...]
eine ohnehin schwierige Situation des Studierenden für diesen so
verschärfen, dass sich das Studium in Anbetracht der mit ihm verknüpften
Vorteile, Chancen, Belastungen und Nachteile aus seiner Sicht für
ihn nicht mehr lohnt."
Dies reiche aber zur Begründung der Unzumutbarkeit solange nicht
aus, wie "die Studiengebühr in begründeten Einzelfällen
einer vor dem Hintergrund des Wertgehaltes des Art. 12 Abs. 1 GG und des
Sozialstaatsprinzips nicht mehr hinnehmbaren Härte nach § 59
Abs. 1 Nr. 3 LHO erlassen werden kann."
Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes konnte das Gericht
nicht erkennen, da nach dem LHGebG der Lenkzweck der Gebühr im Vordergrund
stehe und die für alle Studierenden gleich hohe Gebühr auf alle
StudentInnen den gleichen Anreiz ausübe, ihr Studium möglichst
schnell zu beenden.
Wenn man davon absieht, dass Studiengebühren in erster Linie geeignet
sind, die soziale Ungleichheit im Bildungssektor zu forcieren und eine
Elitenbildung an den Hochschulen zu fördern, an denen dann nur noch
studieren darf, wer es sich leisten kann, lässt sich insgesamt bezweifeln,
ob die von den VerwG gesprochenen Urteile in den weiteren Berufungsverfahren
aufrecht erhalten werden können. Eine entsprechende am BVerfG bereits
anhängige Klage droht derweil jedoch verzögert zu werden. Vielleicht
hat der Bundesgesetzgeber dann selbst schon klare Fronten geschaffen.
Im Prinzip bedarf es ja nur der Hinzufügung eines Satzes in das Hochschulrahmengesetz:
"Das Studium an den Hochschulen ist gebührenfrei."
Michael Plöse
PS: Der Aktionsrat gegen Studiengebühren an der HU trifft sich während
des Semesters immer mittwochs um 20 Uhr im AudiMax.
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