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Buchrezension

Unser Stück vom Kuchen?

Warum Emanzipation und "Homo-Ehe" einander ausschließen

"Daß sich einmal eine Bewegung formieren würde, deren Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, endlich heiraten und in die Schützengräben ziehen zu dürfen, hätte in rationaleren Zeiten wohl kaum etwas anderes als Spott und Unglauben erregt," meint Georg Klauda, einer der AutorInnen des Buches "Unser Stück vom Kuchen? – 10 Positionen gegen die Homo-Ehe." Aber er sieht, daß die Zeiten sich ändern. Die Debatte um die "Homo-Ehe" wird dominiert von denen, die "ausgerechnet die Pflichterfüllung an Staat und Volk als ureigenstes Recht behaupten" und dabei die feministische Kritik an der Ehe ignorieren. Gegen die "Homo-Ehe" sind scheinbar nur die Erzkonservativen. Daß es viele Lesben und Schwule gibt, die die "Homo-Ehe" für anti-emanzipatorisch (oder reaktionär) halten, wird kaum wahrgenommen. In diesem Buch ergreifen sie das Wort.

Sie gehen das Thema verschieden an. Gisela Gebauer-Jipp legt z. B. dar, welche (Un-) Möglichkeiten derzeit bestehen, nichteheliche Beziehungen rechtlich abzusichern. Gita Tost hält ein Plädoyer für freie L(i)ebensweisen. Sie beschreibt die Risiken und Nebenwirkungen der Zweierkiste und entwirft ein Leben ohne die Traumfrau, aber mit vielfältigen, sich ständig verändernden Beziehungen: "Gefühle sind weder richtig noch falsch, sondern sie sind einfach. Genau darin liegt ihre Existenzberechtigung." Solche Lebensformen werden von immer mehr Menschen angestrebt. Warum wurde dann aber die "Homo-Ehe" so populär?

Divide et impera

Constanze Ohms erklärt, warum die Politik die "Homo-Ehe" schätzt: Sie gewährleistet den Fortbestand vorhandener Strukturen. Homosexuelle gelten zwar noch immer als a-normal, werden aber zunehmend sichtbar und verschieben dabei das Gleichgewicht der Gesellschaft. Um es wiederherzustellen, müssen sie in die bestehende Werteordnung integriert werden. Mit Hilfe des divide-et-impera-Prinzips: Homosexuelle, die zur Stabilität der bestehenden Ordnung beitragen, sind willkommen, alle anderen bleiben draußen. Eike Stedefeldt beschreibt mit viel Biß die Anbiederung der schwullesbischen Ja-Wort-Fraktion an die heterosexuelle Werteordnung: Der Antagonismus "Emanzipation-Partizipation-Integration" wurde schon früh zum Motto erhoben. Zur Unklarheit gesellte sich Ignoranz. Der grüne Parlamentarier und wohl prominenteste Homo-Ehe-Befürworter Volker Beck behauptete 1998: "Die Ehe hat absolut nichts mit Sexualität oder der staatskonformen Ordnung von Sexualverhältnissen zu tun." Damit ignoriert er 30 Jahre feministische Bewegung. Er verschwendet keinen Gedanken an die Abhängigkeiten, die das Rechtskonstrukt Ehe schafft. Er fragt nicht, wie man emanzipiert und gleichberechtigt miteinander leben kann, wenn der eine vom anderen ausgehalten wird. Er fragt nicht, wieviel Wahlfreiheit vor allem wirtschaftlich schwächeren Paaren noch bleibt, wenn sie mit Trauschein steuerlich so viel günstiger dastünden. Und er fragt auch nicht, welchen Zweck der sanfte Zwang zum Eheschluß hat, und warum alle, die sich von überkommenen, patriarchalen Strukturen emanzipieren wollen, von den Privilegien der Ehe konsequent ausgeschlossen bleiben. Diese Fragen stellen aber die AutorInnen. Und Stedefeldt entlarvt die scheinbare Dummheit als offene Lüge, indem er Volker Beck erneut zitiert: "Wir dürfen nicht die sittenbildende Kraft von Gesetzen unterschätzen." Das hat Beck bei anderer Gelegenheit zur Begründung der Forderung nach der "Homo-Ehe" angeführt. Aber nein, mit der staatskonformen Ordnung von Sexualverhältnissen hat das ganze nichts zu tun.

Wahlfreiheit für Alle!

Aber kann man den Heiratswilligen Rechte verweigern? Sabine Hark schreibt dazu: Demokratische Gleichheit verlangt eine freie Wahl der Lebensweise für alle. Recht regelt auch, indem es ausschließt. Immer mehr Menschen, die nicht gewillt sind, ihr Leben ins Ehe-Korsett zu pressen, sind von deren Privilegien ausgeschlossen. Wer fordert, einem bestimmten Kreis diese Privilegien zu gewähren, zementiert den Ausschluß aller anderen. Nun heißt es trotz allem, die "Homo-Ehe" würde auf Dauer die Ehe schwächen. Dazu folgende Gedanken aus dem Buch: Ist es glaubhaft, daß jemand unbedingt in ein Gefängnis hinein will, zu dem einzigen Zweck, so schnell wie möglich wieder daraus auszubrechen? Und glauben wir, daß die Homo-Paare ganz freiwillig ihre Privilegien wieder aufgeben? Wenn es die "Homo-Ehe" erst gibt - so die Erfahrung anderer Länder - bewegt sich im Beziehungsrecht jahrelang nichts mehr. Werner Hinzpeter meint treffend: "Gegen die Homo-Ehe spricht nicht das, was sie an Möglichkeiten eröffnet, sondern das, was sie seit Jahren verhindert." Die Erkenntnis, daß nicht nur Homosexuelle von den Privilegien der Ehe ausgeschlossen sind, daß es nicht um ein "Randgruppenproblem" geht, greift Christina Schenk noch einmal auf. Sie ruft auf, Allianzen zwischen allen emanzipatorischen Kräften zu bilden, zur Schaffung eines neuen Rechts, das der bestehenden Vielfalt zwischenmenschlicher Beziehungen gerecht wird.

Verena Grundmann

Ilona Bubeck (Hrsg.), Unser Stück vom Kuchen? Zehn Positionen gegen die Homo-Ehe, Querverlag, März 2000, 146 Seiten, 24,80 DM

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