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Zwischen Zensur und Befreiung
BAKJ-Sommerkongress 2000 HU Berlin
Eine Kehrtwende in der Frage des Verbotes faschistischer Organisationen
traf der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ) auf seinem diesjährigem
rechtspolitischen Kongreß "Befreiung durch Recht? - Die Hoffnung
stirbt zuletzt", der vom 30.06.-02.07.2000 in der Humboldt-Uni Berlin
stattfand. Die bundesweite Koordination links-alternativer Initiativen
im juristischen Ausbildungsbereich hatte sich bisher gegen ein Verbot
ausgesprochen. Angesichts der sich immer stärker durchsetzenden rechtsradikalen
Hetze und Gewalt, dürfen faschistischen Parteien keine Möglichkeit
haben, ihre menschenverachtende Politik zu betreiben und dafür zu
werben, so der BAKJ. Er fordert deshalb ein weitreichendes Verbot aller
faschistischen Organisationen und Parteien als Teil einer umfassenden
politischen Gesamtstrategie, die auch den rassistischen Konsens in der
bürgerlichen Mitte thematisieren muß. Der Faschismus als gesellschaftspolitisches
Problem müsse aber vor allem als solches bekämpft werden. Dezidiert
wandte sich der BAKJ gegen eine Gleichsetzung von "Links" und
"Rechts" im Sinne der "Totalitarismusthese".
Im
Mittelpunkt des Kongresses standen die Diskussionen in den Arbeitsgruppen,
die sich mit den Grundlagen kritischer Rechtswissenschaft auseinandersetzten.
Susanne Baer, eine Vertreterin der feministischen Rechtstheorie, die mit
ihrer AG "Differenzen um Einschluss und Ausgrenzung durch Recht",
die Frage aufwarf, ob Recht "neutral" im Bezug auf geschlechtliche
Diskriminierung sein kann und Peter Römer mit einer AG zur marxistischen
Rechtstheorie, boten grundlegende Einführungen. Conrad Schuhler vom
isw (institut für sozial-ökologische wissenschaft) behandelte
das Thema Verbrechen Wirtschaft als höchste Form der organisierten
Kriminalität und Uwe-Jens Heuer sprach zum lange vernachlässigten
Thema "Rechtssystem der DDR". Neben einer Darstellung der Entwicklung
des DDR-Rechts, den Grundlagen, Möglichkeiten und Defiziten bspw.
daß keine Verwaltungsgerichte bis 1988 existierten und Grundrechte
zwar in der Verfassung, aber nicht einklagbar waren. Für viele ein
interessanter Punkt war die Existenz außergerichtlicher Konfliktkommissionen.
Thema auch die Begrifflichkeit des Rechtsstaates versus Unrechtsstaat,
ein nicht definierter Begriff, der propagandistisch für die Gleichsetzung
der DDR mit dem Nationalsozialismus verwendet wird. Die AG Irreführung
und Propaganda beschäftigte sich mit dem Schweigen und Lügen
der Medien zum Jugoslawienkrieg. Referent Eckart Spoo durchleuchtete die
Verantwortung von JournalistInnen und die Eigentumsverhältnisse der
Pressekonzerne. Ein umfassendes Programm also, welches in einem Reader
dokumentiert werden wird.
Am Freitagabend wurde kontrovers das Thema eines Zugangs von Frauen und
Schwulen zu militärischen Strukturen erörtert. Zwei prominente
Vertreterinnen der schwul-lesbischen Bewegung, Christina Schenk von der
Bundestagsfraktion der PDS und Eike Stedefeldt, Bundessprecherin des whk,
einem sexualemanzipatorischen Institut, standen sich mit ihren Positionen
auf dem Podium gegenüber. Eike Stedefeldt warf die Frage nach der
Bedeutung einer nur formalen Gleichstellung im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche
Umstände auf und kritisierte die Einordnung in eine im Kern schwulen-
und frauenfeindliche Hierachie-struktur, die nur dem Ziel diene, Menschen
zu töten und so das wichtigste Grundrecht, das auf Leben, beseitige,
während Christina Schenk die Einordnung von Frauen in die Armee begrüßte.
Sie argumentierte, daß Hierarchien notwendig seien und zog vergleichend
die Struktur der Feuerwehr heran. Ellen Diederich vom Internationalen
Frauen-Friedensarchiv wollte der Argumentation, daß mit einer formalen
Gleichstellung in der Armee ein Fortschritt verbunden sei auch nicht folgen.
Sie verwies auf die sexuelle Diskriminierung von Frauen in und durch militärische
Strukturen, Frauen besäßen sonst aus Gleichstellungsgründen
den gleichen Anspruch auf das Töten wie Männer.
Das emanzipatorische Ziel einer auf Gerechtigkeit basierenden Gesellschaft
und die Frage, ob formelle Gleichheit nicht neue und alte Ungerechtigkeit
manifestiere, stellte die Moderation leider nicht in den Mittelpunkt.
Viel erfrischender und weitgehender die Samstagabend-Diskussion "Befreiung
durch Recht?",an der neben Norman Paech und Uwe-Jens Heuer, Barbara
Degen vom feministischen Rechtsinstitut und Tatjana Ansbach, Anwältin
aus Berlin teilnahmen. Im Ergebnis wurde die Einordnung von Frauen in
die Bundeswehr abgelehnt und die eigentliche Frage nach dem Inhalt von
Emanzipation, Freiheit und Gleichheit gestellt. Die Struktur des Rechtes
als Widerspiegelung der ökonomischen Verhältnisse warf die Diskussion
auf, ob Recht auch Instrument für den demokratischen Kampf sein kann.
Widerspruch rief Barbara Degen hervor, als sie Defizite der Männer
bei der Gleichberechtigungsfrage hervorhob. Disput aber auch, ob die Forderung
der bürgerlichen Lesben- und Schwulenbewegung nach der Homo-Ehe,
sich ihren Bezugsrahmen zu sehr an einer patriachal genormten Familie
nehme.
Das beherrschende Thema auf dem Kongreß und dem BAKJ-Plenum aber
war eindeutig die Zensur eines Beitrages in der BAKJ-Zeitschrift Forum
Recht. Der Beitrag stellte in kurzer Form eine Protestaktion antimilitaristischer
Gruppen gegen Artikel im von der Humanistischen Union, dem BAKJ u.a. herausgegebenen
"Grundrechte-Report" (Rowohlt-Verlag) vor. Kritisiert wurden
militaristische Argumentationsmuster u.a. von Volker Beck, dem rechtspolitischer
Sprecher der Grünen im Bundestag. Auf Intervention von zwei Redaktionsmitgliedern,
darunter eine kritisierte Autorin und ein Mitarbeiter der Grünen-Bundestagfraktion,
konnte der Artikel nicht im Heft erscheinen. Nachträglich wurde von
dem Vereinsvorstand von Forum Recht, der im BAKJ immer als kompetenzlos
in inhaltlichen Fragen vorgestellt wurde, diese Einflußnahme "bestätigt"
und damit gerechtfertigt, daß "renommierte" Projekte in
der Öffentlichkeit nicht zu kritisieren seien. Intern wurde für
das nächste Jahr eine Erörterung angeboten, wobei dann die Thematik
an Aktualität verloren hätte, da bereits eine Regierungsvorlage
zur Änderung des Soldatengesetzes vorliegt.
Das
Plenum hatte ein schweres Brot zu essen, da im Vorfeld ein heftiger Streit
eingesetzt hatte. Der den Kongreß organisierende akj hatte deshalb
den Vorschlag gemacht, daß die Beziehung Forum Recht - BAKJ und
die Einbindung der Basis in wichtige Entscheidungen Mittelpunkt einer
sachlichen Diskussion sein müsse, um einer destruktiven Debatte persönlicher
Motive vorzubeugen.
Stundenlange Erörterungen der Einzelheiten konterkarierten diese
Erwartung, so daß der Kongreß das Thema aus Zeitgründen
nicht mehr abschließend behandeln konnte. Die bisher auf Lebenszeit
vom BAKJ gewählten RedakteurInnen konnten aufatmen: der Antrag, daß
eine Begrenzung ihrer Amtszeit die Regel werden müsse und die BAKJ-Basis
demokratisch an den Strukturen beteiligt wird, konnte so dieses Jahr nicht
mehr diskutiert werden.
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