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BAföG-Förderungshöchstdauer Informationen für BAföG-empfangende FreischüßlerInnen Die Regelstudienzeit für das Jurastudium beträgt 9 Semester! So sagt es § 2 des Gesetzes über die juristische Ausbildung (JAG). Wer sich in Berlin am Ende des 8. Semesters zur Staatsprüfung anmeldet (Freischuß), der oder die wird aufgrund des Berliner Prüfungssystems im 10. Semester die Staatsprüfung abschließen – das Bestehen des Examens vorausgesetzt. Damit studiert der oder die Berliner FreischüßlerIn auf jeden Fall länger als die Regelstudienzeit. Pech für diejenigen, die BAföG berechtigt sind, sagt sich jedenfalls das BAföG-Amt. Ab dem 10. Semester wird kein „normales“ Bafög mehr gezahlt sondern nur noch ein voll verzinsliches Darlehen angeboten. So war es auch bei mir. Als ich den entsprechenden Bescheid erhielt, habe ich mir einen Termin beim stellvertretenden Chef des BAföG-Amtes (Herr Alberts) geholt, um zu erfahren, warum mir das langwierige Berliner Prüfungsverfahren angelastet wird – ich habe mich schließlich im 8. Semester zur Prüfung gemeldet, was soll ich denn noch tun? Ich war recht zuversichtlich, denn eine Kommilitonin war mit dem gleichen Problem erfolgreich und so nahm ich an, daß lediglich ein Fehler des Sachbearbeiters vorlag. Weit gefehlt! Herr Alberts Standpunkt war so simpel wie unverschämt: Er sagte mir, ich hätte mich eben im 7. Semester anmelden müssen, ja ich wäre sogar verpflichtet gewesen, mich im 7. Semester anzumelden, um in der Regelstudienzeit fertig zu werden. Er fragte mich gar, warum ich denn sooooo lange für das Studium gebraucht habe! Meiner Frage, ob er denn wüßte, wie umfangreich der Prüfungsstoff wäre und ob er mir denn sagen könnte, wieviel Leute bundesweit es tatsächlich schaffen, sich im 7. Semester zur Prüfung anzumelden, wich er aus. Er versicherte mir auch, daß ein Widerspruch auf keinen Fall Erfolg verspräche; die Widerspruchsbehörde würde regelmäßig solche Fälle ablehnen, aber ich solle ruhig mein Glück versuchen. Dieses Gespräch mit Herrn Alberts war also eine Mischung von frecher Überheblichkeit eines Beamten und sinnloser Zeitverschwendung eines „fleißigen Jurastudenten“.
Ich habe gegen den Bescheid, welcher meinen Antrag auf Ausweitung meiner Förderungshöchstdauer auf 10 Semester ablehnte erfolgreich Widerspruch eingelegt. Hier nun in aller kürze einige Argumente: Bei der Regelstudienzeit von 9 Semestern geht der Gesetzgeber von einer Anmeldung zum Staatsexamen im 8. Semester aus. Damit sind 8 Semester für das Studium vorgesehen und ein Semester für das Staatsexamen. Wenn nun die Prüfungen in einem Bundesland länger dauern als ein Semester, so kann dies nicht zum Nachteil der Studierenden ausgelegt werden. Vielmehr muß dann der Förderungszeitraum erweitert werden. Ein Studium in 7 Semestern ist schon angesichts der Stoffülle (nahezu) undenkbar.
Das BAföG-Amt argumentiert diametral entgegengesetzt. Hier wird gesagt: Weil die Studierenden in Berlin studieren, müssen sie sich im 7. Semester zur Prüfung melden, um die Regelstudienzeit einzuhalten. Während also in Brandenburg 8 Semester für das Studium zur Verfügung stehen sollen (dort dauert das Examen ein Semester), sollen in Berlin 7 Semester genügen. Diese ungleiche Behandlung entbehrt jeder Grundlage und verkennt den bundesrechtlichen Charakter des BAföG und der Regelstudienzeit. (Als ich dies Herrn Alberts vortrug, lachte dieser nur und sagte: „Daß das BAföG Bundesrecht wäre, glaubt schon lange keiner mehr“) Das BVerwG entscheidet seit langem in solchen Fällen für eine Ausdehnung der Förderungshöchstdauer und doch sah sich der Gesetzgeber bisher nicht genötigt, eine Neuregelung im Sinne der Argumentation des BAföG-Amtes-Berlin zu erlassen.
Zudem ist es höchst widersinnig, Studierende über das gesamte Studium hinweg zu fördern und gerade mitten in der Prüfungssituation die Förderung zu streichen, obwohl der alleinige Grund für die „Verzögerung“ beim Land Berlin liegt.
Die vermeintliche Pflicht, sich in Berlin im 7. Semester zur Staatsprüfung anzumelden, ist auch deshalb unschlüssig, weil die Privilegierung durch den Freischuß an der Anmeldung im 8. Semester festgemacht wird. Warum sollte also einerseits anerkannt werden, daß eine Anmeldung im 8. Semester privilegierungswürdig ist und andererseits erklärt werden, daß ein 8 semestriges Studium „zu langsam“ sei?
Im persönlichen Gespräch mit Herrn Alberts eröffnete mir dieser, daß ich im 6. Semester scheinfrei war und somit formal zur Prüfung befähigt wäre und sich daraus die Pflicht zur Anmeldung im 7. Semester ergäbe. Zum einen ist es jedoch nicht zutreffend, daß die Scheinfreiheit eine Befähigung zum Examen darstellt. Die Universität sieht vielmehr ein über zwei Semester gehendes Repetitorium vor, um diese Befähigung zu erlangen. Auch werden einige Wahlfachveranstaltungen nur jedes zweite Semester angeboten bzw. ziehen sich über zwei Semester hin. Das gesamte Studium ist auf 8 Semester ausgelegt. Zudem ist es theoretisch auch möglich, nach dem 5. Semester scheinfrei zu werden und vernünftigerweise würde dann keine Anmeldung zur Prüfung im 6. Semester verlangt werden können. Dies müßte aber in der Konsequenz der Argumentation des BaföG-Amtes geschehen.
Wenn also eine faktische Herabsetzung der Regelstudienzeit in Berlin auf 8 Semester vermieden werden soll, so muß die Förderungshöchstdauer für „FreischüßlerInnen“ auf 10 Semester erhöht werden.
Wie gesagt, hatte mein Widerspruch Erfolg. Doch ich blieb drei Monate ohne jede BAföG-Zahlung. Mir wurde zwar recht schnell das von mir unter Vorbehalt beantragte Darlehen bewilligt, doch hielt es das BAföG-Amt für angemessen erstmal nicht zu zahlen und statt dessen auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde zu warten. Erst als ich mich erkundigte, wann denn nun endlich über mein Darlehen entschieden wird, wurde mir mitgeteilt, daß das Darlehen längst bewilligt sei, da aber von der Widerspruchsbehörde eine Aufhebung dieser Bewilligung und eine Umwandlung in „normales“ BAföG zu erwarten sei, wolle man erst den Widerspruchsbescheid abwarten. Ich stand also drei Monate ohne Geld da, obwohl es mir bewilligt war. Die Umwandlung des Darlehens in „normales“ BAföG hat zwar mit den Zahlungen an sich nichts gemein, doch erschien es dem BAföG-Amt wohl opportun, sich und dem Land Berlin einen zinslosen Kredit zu gewähren, indem sie das Geld drei Monate lang behielten.
Wenn ihr Euch also eine längere Zeit der Zahlungsflaute ersparen wollt, dann widersprecht der Förderungshöchstdauer (diese ist auf jedem BAföG-Bescheid vermerkt) sobald ihr Euch im 8. Semester zur Prüfung angemeldet habt. Dadurch habt ihr mehr Zeit eventuellen Schikanen des BAföG-Amtes entgegenzutreten und vor allem steht ihr dann ab dem 10. Semester nicht ohne Geld da.
Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum BAföG-EmpfängerInnen zur Sanierung des maroden Berliner Haushalts beitragen sollten. Die Regelstudienzeit ist mit 9 Semestern schon knapp genug bemessen. Wenn das Studium schon ausschließlich unter Verwertungsgesichtspunkten betrachtet wird, dann sollte wenigstens jeder Versuch des Staates, sich um die wenigen staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten des Studiums zu drücken, vereitelt werden.
Die Argumentation mit dem „schnellen Studium“ ist in diesem Fall gegenüber dem BAföG-Amt nützlich – mehr aber auch nicht! Bei all dem Zwang zum „schnellen Studium“ sollte die fundamentale Kritik an eben diesem Zwang nicht zu kurz kommen. Ein Schnellstudium birgt immer die Gefahr, daß ein unreflektiertes Widerkäuen von vorgefertigten h.M.‘s und m.M.‘s stupide Subsumtionsmaschinen produziert. Die Universität sollte statt einer Produktionsstätte potentieller Fachkräfte eine Stätte von unabhängiger Wissenschaft und Forschung sein – unabhängig vor allem von Verwertungsinteressen. Niemand sollte sich unter etwas unterordnen (müssen), was er oder sie nicht selbst kontrollieren kann – statt dessen ordnen sich viel zu viele gern freiwillig unter etwas unter, was sie kontrolliert und lenkt.
Victor Gumpel
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