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Friede Freude Eierkuchen und die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit
Anmerkungen zum Beschluß des BVerfG vom 12. Juli 2001 zur Love und Fuck Parade Erst war der Jubel bei den Linken groß, die durch und durch kommerzielle Love Parade war in den Augen des Verwaltungsgerichts keine politische Demonstration, weil kommerziell; die alternative, antikommerzielle Fuckparade hingegen doch. Aber schon das Oberverwaltungsgericht rückte die Welt wieder gerade und stellte fest, dass bei der Fuck Parade nur mehr oder weniger nichts sagende Parolen verbreitet würden und die Gesamtveranstaltung eher unterhaltenden Charakter habe. Am 12. Juli 2001 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sowohl die Love Parade wie auch die Fuck Parade keine Demonstrationen sind, was in der Konsequenz heißt, dass sich beide Paraden an der Müllentsorgung beteiligen müssen. Insbesondere für die Fuck Parade, hinter der keine im Umgang mit Sponsorengeldern versierte Firma steckt, bedeutet das, dass sie in Zukunft so gut wie undurchführbar sein wird. Als krönende Provinzialität und Dummheit wurde es verboten, bei der Protestdemo gegen das Verbot der Fuckparade Radiogeräte mitzuführen, um das einheitliche Abspielen einer Protestradiosendung zu verhindern. Wie kommen Gerichte dazu festzulegen was politisch ist und was nicht ???? Welche Veranstalter gute oder schlechte Motive haben???? In erster Linie sind die VeranstalterInnen und Teilnehmenden, diejenigen, die darüber bestimmen welchen Charakter ihre Veranstaltung haben soll, in welcher Form ihre Meinungskundgabe erfolgen soll und nicht irgendwelche selbstgefälligen alten Männer. Auch ich find die Love Parade Scheiße. Zur Love-Parade in Berlin kommen Millionen Jugendliche und zelebrieren ihre Unterwerfung unter das kapitalistische Chaos, Anpassertum, Gruppenegoismus, Drogenmacht, Perversionen, Selbstentwürdigung, Konsumanbetung, Geschichtsverachtung, Politikverdrossenheit, Dummheit, Sexismus und Gewalt gegen Andersdenkende, Behindertenhaß, Revolutionsgegnerschaft. Aber gerade das, genau das ist politisch, ob ich‘s nun gut finde oder nicht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind die Inhalte der Veranstaltung an den Grundrechten zu messen und nicht an einem willkürlich festgelegten Schwerpunkt der Veranstaltung (einfach nur ganz fest die Augen zu machen, dann gibt’s auch keinen Hintergrund). Die Begründung, man sehe den politischen Hintergrund nicht, kann demnächst auch den 1. Mai, die LL-Demo, Gipfelproteste oder sonstige ander Spaßveranstaltungen treffen, weil ein Wagen mit lauter Musik mitfährt und für Unterhaltung sorgt. Denn Politik und Justiz haben sich dazu aufgemacht, Form und Inhalt einer öffentlichen Versammlung zu beurteilen. Und dies dient ihren eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen. Wirtschaftliche Interessengruppen machen ihren Einfluß halt auf „seriösem“ Feld geltend, durch Druck auf spendenabhängige Parteien (was gut funktioniert) über Pressekampanien der vom Kapital abhängigen Medien, aber auch Entlassung von mißliebigen ArbeitnehmerInnen. Hingegen sind die Menschen, deren wirtschaftliche Macht sich in erste Linie auf die Verfügung der eigenen Arbeitskraft beschränkt, auf die Form politischer Aktivitäten beschränkt, die die Demonstrationsfreiheit liefert. Durch das Urteil wird grade diese Bandbreite der Möglichkeiten beschränkt, durch interaktive, kommunikative und spaßorientierte Aktionsformen andere Menschen zu erreichen. Und betroffenen sind vor allem marginalisierte, ausgegrenzte Gruppen. Zur Konkretisierung der juristischen Argumentation soll der vom Verfassungsgericht benutzte Versammlungsbegriff am Beispiel einer einer „reclaim the streets“ Party – Demo dargestellt werden. Da die Ausgangsveranstaltung als Fest organisiert wird, spricht nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einiges dafür, dass das äußere Erscheinungsbild dieses Ereignisses nicht auf Meinungskundgabe bzw. –äußerung gerichtet war. Das BVerfG definiert Versammlung als örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Die darauf gerichtete Versammlungsfreiheit genießt einen gesteigerten Schutz. (BVerfG Urteil vom 12. Juli 2001 BvQ 28/01 und 30/01 Orientierungssatz 1a bb) Entgegen einer bedeutenden Meinung in der Literatur (Pierot/Schlink RN 758; Herzog, M/D Art 8 RN 50) lehnt das BVerfG eine weite Auslegung des Versammlungsbegriffes ab. Es reiche nicht aus, dass die Teilnehmenden bei ihrem gemeinschaftlichen Verhalten durch irgendeinen Zweck miteinander verbunden sind (Os. 1a cc), Dies folge aus dem besonderen Schutz der Versammlung, den Art. 8 GG gewährleiste. Desweiteren führt das BVerfG aus, dass in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch Versammlungen fallen, die ihren kommunikativen Zweck unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen und diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Die Meinungskundgabe darf aber nicht nur unbedeutender Nebenakt sein. Die Verwaltungen und Gerichte treffen im Rahmen einer Abwägung die Entscheidung, welches Schwergewicht eine Veranstaltung hat, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach Versammlung oder ob der Spaß-, Tanz-, oder Unterhaltungscharakter im Vordergrund steht. (Orientierungssatz 1c aa bb) Der Zweck der reclaim the streets Veranstaltungen ist die Rückeroberung des öffentlichen Raumes als politische Aktion in Form eines Festes. Schon diese Motto ist politische Aussage und Meinungskundgabe. Im Internet ist dargestellt, was eine reclaim the streets party ist (http://squat.net/rts/archiv/texte.html):
„Der
Unterschied von reclaim the streets Parties zum normalen Straßenfest
ist, dass nicht vorher um Erlaubnis gebeten wird dies zu tun. ... Die Party zeigt, daß mensch die Möglichkeit hat das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Mensch kann das System von Verbotenem/ Erlaubten durchbrechen und sich eigenständig Räume für Parties und Kommunikation schaffen. Außerdem ist reclaim the streets eine Widerstandsform, die sehr viel Spaß macht und verschiedene Leute zusammenbringt, (MigrantInnen, Arbeitslose, Obdachlose, Rentner, Raver, Kinder, Eltern,...) die den Willen zur Veränderung haben. Spaß kann auch Widerstand machen!!! Direkt ist es natürlich ein Angriff gegen den Autoverkehr. Dieser macht Teile der Stadt fast unbewohnbar. Aber genauso geht es gegen die Privatisierung öffentlichen Raums und die damit zusammenhängende Ausgrenzung von Personen (AusländerInnen, Obdachlose, Punker etc.). Wir wollen zeigen, daß wir all dies nicht mehr tatenlos hinnehmen und aktiv dagegen vorgehen. Wir wollen das stören, was als "normal" angesehen wird und zeigen, wie wir uns städtischen Lebensraum vorstellen. Wir wollen auf keinen Fall den Ablauf der Party vorgeben. Die Party lebt durch die Teilnehmenden, und Sie entscheidet was passiert. Es soll schließlich kein konsumorientiertes Selbstbeweih-räucherungsfest wie die "love parade" werden. Was Eltern mit ihren Kindern auf der Party sollen? Die Räume hier werden immer enger und Kinder haben die größten Probleme mit dem Verkehr in den Städten. Der Verkehr ist an die Kinder nicht angepaßt. Dies kostet Tausenden von ihnen jährlich das Leben. Genauso gut könnten die ganzen Straßen, die das Auto für sich vereinnahmt, sichere Orte für spielende Kinder sein. Auf der anderen Seite werden die Räume von Kindern nicht mehr finanziell unterstützt. Alle Kinder- und Schülerläden sind von Kürzungen betroffen. Die reclaim the streets Party schafft diese Räume.“ (aus „Was eigentlich ist eine reclaim the street – Party?“ Internet: http://www.rts.squat.net/archiv/texte.html)
Wie das BVerfG fordert liegt in der Aktionsform Fest gerade die Meinungskundgabe. Ohne den Willen sich politisch zu äußern und dies in die Öffentlichkeit zu tragen würde kein Fest entstehen. Mit anderen Worten bei einer reclaim the streets Party steht die Meinungskundgabe im Vordergrund und nicht das Fest. Die Besetzung des öffentlichen Raums und die darauf folgende Auseinandersetzung mit den Passantinnen und Passanten ist kommunikativer Zweck der Veranstaltung. Das Fest ist lediglich Mittel zum Zweck und knüpft an moderne Formen der Kommunikation an. Ebenso gibt es ja auch Fahrraddemonstrationen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach lediglich eine Radwanderung sind aber als Mittel dienen, auf die Gefahren und Mißstände des Autoverkehrs aufmerksam zu machen. Bei der Frage, welches Gesamtgepräges einer Veranstaltung zukommt, ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung machen und welcher Form der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. (BVerfG aaO unter B 2. c bb der Gründe) Die rechtliche Einordnung dieses Verhaltens als Versammlung stehe den dazu berufenen Gerichten zu. Es kommt also auf die Schwerpunktsetzung an. Zwar kann ein Zweck der Meinungskundgabe vorliegen, aber den Schwerpunkt bestimmen konservative alte Männer in den Gerichten und Polizeibehörden prima. Nach dem Oben geschilderten, ist die rts Veranstaltung schon als solche eine politische Meinungskundgabe, sie hat eine zulässigen Schwerpunkt. Andererseits wird das Abstellen auf das Schwergewicht der Veranstaltung solchen politischen Aktionsformen nicht gerecht. Der Begriff ist zu unbestimmt, als dass er Kriterium für eine Entscheidung sein könnte und läßt Raum für willkürliche Urteile. Gerade wenn der kommunikative Zweck durch Tanz und Musik erreicht wird, kann eine Grenzziehung schwer fallen. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Besetzung des öffentlichen Raumes gerade durch Musik und Tanz besteht, dies aber als politische Aktion und nicht als kommerzielles Fest. Das Abstellen auf ein äußeres Erscheinungsbild, welches das Gesamtgepräge ausmacht, vernachlässigt die politische Dimension dieser Aktionsform.
Es erscheint fast so, dass eine Versammlung keinen Spaß machen darf und nicht unterhaltsam sein kann, tritt dies dem äußeren Erscheinungsbild nach in den Vordergrund, ist es keine Versammlung mehr und die Meinung der Menschen interessiert nicht mehr.
Eigentlich ein sehr ehrliches Urteil.
Micha W.
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