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Totale Kriegsdienstverweigerung

Ein Kampf gegen Windmühlen?



Da die wenigsten Leute etwas über totale Kriegsdienstverweigerung (TKDV) wissen, will ich, bevor ich zum eigentlichen Thema dieses Artikels komme, grundlegend einige Dinge erläutern. TKDV ist keine gesetzliche Alternative zur Wehrpflicht. GG Art.4 Abs. 3 besagt, das niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. In der Umkehrung bedeutet dies, dass man jeden gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst ohne Waffe zwingen darf. Das ist nämlich der sogenannte Zivildienst: Kriegsdienst ohne Waffe, denn auch der Zivildienstleistende wird im Verteidigungsfall zu zeitlich unbegrenztem Dienst herangezogen.


Was dies bedeutet will ich später erklären. Wer auch den Zivildienst mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, darf sich auf Zivildienstgesetz (ZDG) §15a berufen. Dieser Paragraph gibt einem die Möglichkeit anstelle von Zivildienst ein freies Arbeitsverhältnis in einer Einrichtung zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen zu begründen, welches allerdings ein Jahr länger sein muß, als der vorgeschriebene Zivildienst. Diese angebliche Alternative stellt in zweierlei Hinsicht eine Verhöhnung pazifistischen Denkens dar. Zum einen ist der bestrafende Charakter durch die längere Dienstzeit eindeutig, zum anderen sieht ZDG §79 Abs. 6 vor, dass ein derartiger Kriegsdienstverweigerer im Verteidigungsfall wieder ein freies Arbeitsverhältnis eingehen muß oder ansonsten zum Zivildienst herangezogen wird.


Wer aber Kriegsdienst in jeder Form verweigert, macht sich strafbar. Wer keinen KDV - Antrag stellt und nicht den Dienst in der Kaserne antritt, ist fahnenflüchtig und wird von den Feldjägern gejagt. Wer in der Kaserne sämtliche Befehle verweigert macht sich der Gehorsamsverweigerung schuldig und wird, bevor ein Strafprozess stattfindet, als erzieherische Maßnahme in Kasernenarrest gesteckt - praktisch Isolationshaft. Wer einen KDV - Antrag stellt, aber auch nicht den Zivildienst antritt ist Dienstflüchtig. All dies sind Straftaten, die mehrere Jahre Freiheitsstrafe zur Folge haben können. Was bringt jemanden also dazu, derartige Repressalien in Kauf zu nehmen?


Es gibt nicht den typischen Totalverweigerer. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe für TKDV. Es gibt Pazifisten die Militär und Gewalt in jeder Form ablehnen, aber auch ein FDJ - Mitglied ist derzeit fahnenflüchtig. Ringo Ehlers schreibt in einer Erklärung, dass er nur den Dienst in der Bundeswehr und in der BRD verweigert, in der NVA hätte er allerdings gedient, weil diese für Frieden und Völkerfreundschaft eintrat. Manch einer hat gefühlsmäßig etwas gegen Zwangsdienste, ein anderer argumentiert rein sachlich. Exemplarisch möchte ich hier meine Beweggründe umreißen.


Krieg hat noch nie einen Konflikt gelöst, er hat immer nur zu neuer Gewalt und neuem Leid geführt. So sind Terroranschläge doch nur eine Reaktion auf eine Politik der Gewalt und Geringschätzung. Umgekehrt führen Terroranschläge wieder zu Krieg. Hinzu kommt das Kriege niemals für die hehren Ziele geführt werden, die von den Kriegsherren vorgeschoben werden. Die frisch geschmiedete Anti-Terror-Allianz, kann mit Terrorbekämpfung nicht besonders viel am Hut haben, da die selbsternannte Weltpolizei und Todesstrafenland USA Handlanger um sich schart, die den Taliban in Sachen Menschenrechtsverbrechen in nichts nachsteht. Von den russischen Staatsterroristen, die Tschetschenien in Schutt und Asche legten, über das Militärregime in Pakistan, gegen das bis vor kurzem noch Wirtschaftssanktionen verhängt waren und das sich jetzt über US-Kredite freuen darf, bis hin zur afghanischen Nordallianz, die genau so große Kämpfer für die Frauenemanzipation sind wie die Taliban und ebenfalls einer Vielzahl von Kriegsverbrechen schuldig, ist jeder mit von der Partie, der Dreck am Stecken hat. Armeen sollen den Staat schützen, und das ist nicht die Bevölkerung sondern es sind die Mächtigen, die hinter dem Staat stehen. Die Existenz einer Armee in einem Land führt zur Aufrüstung im nächsten, und wer Armeen besitzt, will sie auch benutzen. Will man wirklich eine friedliche Zukunft, so kann dahin nur die Abrüstung aller Waffen führen. Dies ist ein langwieriger Prozess, der aber, je eher er begonnen wird, umso eher beendet sein wird.


Das man als Pazifist den Wehrdienst und die Armee ablehnt, ist für viele nachvollziehbar. Die Gründe, weshalb ein konsequenter Kriegsdienstverweigerer auch den ach so friedlichen Zivildienst verweigern muss, sind den meisten unbekannt. Zuerst einmal ist Zivildienst als Kriegsdienst ohne Waffe definiert. Wer Ersatzdienst leistet wird im Verteidigungsfall wie schon gesagt zu zeitlich unbegrenztem Dienst eingezogen. Dabei ist es keinesfalls so, das jemand der im Kindergarten den Zivi gespielt hat, die Garantie hat, dort auch wieder eingesetzt zu werden. Vielmehr kann er im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) bis hin zum Entschärfen von Blindgängern und Minen eingesetzt werden, also zu allen Kriegsdiensten für die man keine Waffe braucht. Dies geht aus einschlägigen Äußerungen des Bundesministeriums für Verteigung (BMVg), wie dem Weißbuch hervor. Natürlich ist es gut Bomben zu entschärfen, aber vielleicht sollte man es gar nicht erst dazu kommen lassen, dass sie geworfen werden.


Was die ZMZ vor allem auch vorsieht ist die Verplanungen von Zivis in Krankenhäusern, bei denen man heute nicht mehr sicher gehen kann, dass sie rein zivile Einrichtungen sind. Das Bundesministerium für Verteidigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft schlossen am 22.4.1999 nämlich eine Rahmenvereinbarung zur zivil-militärischen Zusammenarbeit ab. Diese Vereinbarung sieht u.a. den Einsatz von Militärpersonal in Zivilkrankenhäusern vor und umgekehrt, wenn z.B. aufgrund von Kampfeinsätzen Bundeswehrpersonal in Bundeswehrkrankenhäusern fehlt, sollen zivile Angestellte dort arbeiten. Die Beweggründe für ein solches Vorgehen der Bundeswehr liegen auf der Hand. Die Soldaten im Sanitätsdienst werden auf Kosten der Krankenhäuser ausgebildet, das eingesparte Geld kann dann beispielsweise in die Waffenentwicklung gesteckt werden. Den Krankenhäusern soll ein Vertragsabschluss mit der Überlassung von medizinischem Gerät und der Linderung des Personalmangels schmackhaft gemacht werden. Dabei wird jedoch übersehen, dass die fertig ausgebildeten Soldaten, dann nicht mehr zur Verfügung stehen, weil sie in Kriegen eingesetzt werden. Mehrere Kliniken schlossen infolgedessen einen entsprechenden Vertrag ab, u.a das Universitätsklinikum Tübingen, die Städtischen Kliniken in Koblenz und Karlsruhe. Durch einen derartigen Vertrag wird das Anliegen eines dort tätigen Zivildienstleistenden oder auch ehemaligen Zivildienstleistenden sich gegen Kriegsdienst auszusprechen, zunichte gemacht.


Als letztes möchte ich mit einer weit verbreiteten Meinung aufräumen, dass der Zivildienst nämlich wichtig für unser Sozialsystem sei. Tatsächlich ist es für die Einrichtungen, die Ersatzdienstleistende beschäftigen, billiger z.B. Pflegestellen mit Zivildienstleistenden zu besetzen, als stattdessen teurere, dafür aber qualifizierte, Fachkräfte einzustellen. Volkswirtschaftlich gesehen trifft dies aber nicht mehr zu. Dietmar von Boetticher zeigt dies in seiner Studie "Zivildienst und Sozialer Bereich". Er kommt hier zu folgendem Schluss:


"Die Ersetzung von Zivildienstleistenden durch tariflich bezahlte Arbeitskräfte würde gesamtwirtschaftlich gesehen keine zusätzlichen Kosten verursachen, vor allem aufgrund immenser Einsparungen im Verwaltungsbereich (Bundesamt für Zivildienst) und bei den Sozialleistungen für Arbeitslose, sowie durch Mehreinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen." (Dietmar von Boetticher, Zivildienst und Sozialer Bereich, Bonn 1993)


Die durch von Boetticher vertretene Meinung wurde nach anfänglicher Ablehnung dann doch von den Bundeswehr-Experten bestätigt.


Wie man sieht, gibt es aus den unterschiedlichsten Bereichen Argumente, die die Wehrpflicht unhaltbar machen und TKDV ist also auch kein Kampf gegen Windmühlen. Nicht ohne Grund verbietet das Grundgesetz Zwangsarbeit. Das Zusammenleben von Menschen darf nicht auf der Basis funktionieren, daß Menschen andere Menschen zur Arbeit zwingen, sondern nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Zwangsarbeit, ganz gleich für welchen noch so guten Zweck sie auch eingesetzt wird (Und wer kann das schon entscheiden ?), wird zwangsläufig mißbraucht werden.


Wer noch nicht seine Zwangsdienstpflicht abgeleistet, sollte sich vielleicht nochmal überlegen, ob er sich wirklich auf Wehr- oder Zivildienst einlassen möchte.


Es gibt keinen gerechten Krieg und keine gerechte Herrschaft!


Malik Sharif

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