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Unendliche Gerechtigkeit

Fünf Kubaner sind politische Gefangene der USA, weil sie versucht haben, den Terrorismus zu bekämpfen



Am 27. Dezember 2001 verurteilte der Federal District Court im südlichen Florida fünf kubanische Staatsbürger zu exorbitanten Haftstrafen., Ramón Labañino, René González, Fernando González und Antonio Guerrero erhielten wegen Spionage Haftstrafen zwischen lebenslänglich und 15 Jahren. Gerardo Hernández der als einziger auch wegen Mordes angeklagt war, erhielt mehr als zwei mal lebenslänglich. Inzwischen wurde das Urteil angefochten, in vielen Ländern haben sich Solidaritätskomitees für die Fünf gegründet.


Die Hintergründe



Im Juni 1998 hatte die kubanische Regierung dem FBI ein Memorandum vorgelegt über die gegen Kuba gerichteten terroristischen Aktivitäten unter der Schirmherrschaft von exilkubanischen Organisationen in Miami. 4 Ordner mit jeweils über 300 Blatt Papier, 8 Audiokassetten und rund zweieinhalb Stunden Videoaufnahmen wurden übergeben. Seit über 40 Jahren geht vom Boden der USA Terrorismus gegen Kuba aus, eins der bekanntesten Verbrechen war das Attentat auf ein Flugzeug der Cubana de Aviación 1976, das in der Luft explodierte. 73 Menschen starben. 1997 gab es eine Reihe von Bombenanschlägen kubanische Touristenzentren, ein italienischer Tourist starb, viele wurden verletzt.

Die US-amerikanischen Behörden machten keine Anstalten, diesen von ihrem Boden ausgehenden Terrorismus zu bekämpfen. Statt dessen hoben sie nur 90 Tage später im südlichen Florida ein Informanten-Netzwerk mit dem Namen “Wespe” aus, das die Informationen über die terroristischen Aktivitäten geliefert hatte. Die fünf Angeklagten bestreiten nicht, daß sie exilkubanische Organisationen ausgekundschaftet haben und ihre Informationen nach Kuba übermittelt haben.

Jenseits aller moralischen und politischen Erwägungen: Die Sammlung von Informationen über private Gruppen ist auch in den Vereinigten Staaten keine Straftat. Um die mißliebigen Sammler lebenslang hinter Gitter stecken zu können, mußte schwereres Geschütz aufgefahren werden.


Verhaftung und Anklage

Die Fünf wurden in den Morgenstunden des 12. September 1998 verhaftet und im F.B.I.-Hauptquartier 6 Stunden lang verhört. Anwaltlichen Beistand erhielten sie erst zweieinhalb Tage später. 17 Monate lang wurden sie in sogenannte „special housing units“ gesperrt. Das sind Arrestzellen, in die Gefangene nur zeitweise zur Bestrafung von groben Verstößen gegen die Anstaltsordnung wie Drogen- und Waffenbesitz gesperrt werden dürfen, sie werden auch “the hole“ genannt. Der einzige ihnen erlaubte Kontakt zur Außenwelt waren die Gespräche mit den Anwälten, bei denen die Gefangenen Handschellen trugen und dickes Glas die Gesprächspartner trennte.

Bei Prozeßbeginn am 27. November 2000 enthielt die Anklageliste 26 Punkte. Die 3 gewichtigsten lauteten Verschwörung mit dem Ziel, Straftaten gegen den Staat zu begehen, Übermittlung von Staatsgeheimnissen nach Kuba und Verschwörung zum Mord. Die übrigen 23 Anklagepunkte sind eine Sammlung von Vorwürfen, die sich entweder auf die Benutzung falscher Identitäten beziehen oder auf Vorschriften, die von ausländischen Agenten, vor allem von kubanischen, eine offizielle Anmeldung, quasi eine Selbstanzeige, verlangen. (Zur Vertiefung: Titel 18, Sektion 951 des US-Code, auch im Internet unter der Zitierung “18 USC 951” zu finden.)

Punkt eins der Anklage lautete auf eine Verschwörung mit dem Ziel, gegen den Staat gerichtete Straftaten zu begehen (18 USC 371). Da die Angeklagten Verstöße gegen Paßvorschriften zugegeben haben, die ja auch Straftaten gegen den Staat sind, berief sich die Verteidigung in diesem Punkt auf Notstand: Die Angeklagten waren mit der Wahl zwischen zwei Übeln konfrontiert - entweder gegen diese Gesetze zu verstoßen oder den Tod von Menschen durch Terroristen in Kauf zu nehmen. Sie entschieden sich für das kleinere Übel und sie hatten bei der Angabe ihrer Identitäten keine Alternative zum Gesetzesverstoß.

Punkt zwei der Anklage betraf das Weiterleiten von Informationen über die nationale Verteidigung zum Vorteil Kubas und Nachteil der USA (18 USC 794). Einer der Angeklagten -Antonio Guerrero - war als ungelernter Arbeiter auf der Boca Chica Marinebasis beschäftigt. Als Hilfsarbeiter hatte er keinerlei Zugang zu Geheimdokumenten. Zwar wurden Informationen zusammengestellt und nach Kuba übermittelt, die Verteidigung legte jedoch dar, daß alle Informationen über die Marinebasis aus öffentlichen Quellen stammten. Die Regierung hat - einzigartig in einem sogenannten Spionagefall - nicht behauptet, daß die Angeklagten jemals Geheiminformationen in der Hand gehabt hätten oder auch nur nach ihnen gesucht hätten. Ein Pentagon-Sprecher äußerte sich ähnlich. Es ist aber Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Spionage, daß besonders geschützte Information erlangt werden muß, die zudem geeignet ist, dem Staat Schaden zuzufügen. Die Suche nach solchen Informationen war gar nicht Aufgabe oder Ziel des “Wespen”-Netzwerks. Das hielt jedoch die Jury nicht davon ab, die Angeklagten für der Spionage schuldig zu befinden.

In Punkt drei wurde der Hauptangeklagte - Gerardo Hernandez - beschuldigt, an einer Mordverschwörung mitgewirkt zu haben (18 USC 1111). Am 24. Februar 1996 wurden zwei Privatflugzeuge der aus Miami stammenden Organisation “Brothers to the Rescue” von kubanischer Seite abgeschossen, 4 Mitglieder der Organisation starben. Der Abschuß war der traurige Höhepunkt einer seit längerem fortschreitenden Eskalation zwischen “Brothers to the Rescue” und Kuba. Die “Brothers” patrouillierten regelmäßig in Privatflugzeugen vor der kubanischen Küste. Kuba hatte sich bereits bei den US-Behörden über Luftraumverletzungen und den Abwurf von Propagandamaterial beschwert und vor Konsequenzen gewarnt. An dem fraglichen Tag änderten die Flugzeuge plötzlich den genehmigten Kurs und hielten auf Havanna zu, ohne - wie es international Pflicht ist - die umliegenden Bodenstationen zu benachrichtigen. Sie durchflogen dabei ein Gebiet, das Kuba schon Tage zuvor für diesen Zeitraum zum militärischen Übungsgebiet erklärt hatte. Die Anklage versuchte nun, Gerardo Hernandez persönlich für den Tod der 4 “Brothers”-Mitglieder verantwortlich zu machen. Er war den “Brothers” beigetreten und flog mit ihnen. Im Vorfeld des Abschusses wurden Nachrichten zwischen ihm und Kuba abgefangen. Aus den Nachrichten wird ersichtlich, daß Kuba für den fraglichen Zeitraum Provokationen befürchtete, denn es fand zeitgleich ein Treffen von Dissidenten in Havanna statt. In einer der Nachrichten wird Hernandez instruiert, daß er und seine Mitstreiter an den fraglichen Tagen “unter keinen Umständen [...] mit BTTR [...] fliegen sollten, um Zwischenfälle oder etwaige Provokationen und unsere Antwort darauf zu vermeiden”. Und diese Nachricht sollte als Beweis für eine Mordbeteiligung herhalten? Für die Jury reichte es: Gerardo Hernandez wurde des Mordes für schuldig befunden.



Massive öffentliche Vorverurteilung

Was für eine Jury konnte zu diesem Ergebnis kommen? Die exilkubanische Gemeinde hat maßgeblichen Einfluß auf das öffentliche leben und die öffentliche Meinung in Miami. Zwar war es der Verteidigung gelungen, alle KubanoamerikanerInnen aus der Jury zu entfernen, aber es half nicht viel. Der “foreman” der Jury sagte, befragt nach seiner Meinung zu Kuba ”Ich halte Fidel Castro für einen kommunistischen Diktator und ich werde froh sein, an dem Tag, an dem er entfernt wird.” Zwei weitere Jurymitglieder schlossen sich dem an. Wegen der entscheidenden Rolle der Jury im US-Prozeßrecht ist ihre strikte Neutralität zwingende Voraussetzung. Die Verteidigung hatte von Anfang an erklärt, daß der Prozeß verlegt werden müsse, denn in Miami-Dade County ist es unmöglich, eine Jury zu finden, die nicht von den mächtigen lokalen Meinungsmachern gegen Kuba beeinflußt ist. Das Gericht verweigerte jedoch die Verlegung.


Ausblick

Die Anwälte erhielten später recht: Der gleiche Staatsanwalt, der im Fall der Fünf das Gericht davon überzeugt hatte, die Verlegung des Prozesses sei unnötig, weil Miami als “urbanes Zentrum” sehr “heterogen” sei - dieser gleiche Staatsanwalt begehrte kürzlich selbst in einem anderen Fall eine Verlegung. Er stützte sich dabei auf die gleichen Argumente, auf die massiven öffentlichen Vorurteile, die auch die Verteidigung der Fünf vorgebracht hatte. Leonard Weinglass, vormals Anwalt von Mumia Abu Jamal und seit kurzem Verteidiger von Antonio Guerrero, brachte deswegen eine “New Trial Motion” ein, mit der er die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und eine Neuaufnahme des Prozesses beantragt. Die Entscheidung steht noch aus, vor Mitte Januar ist mit Neuigkeiten nicht zu rechnen.

Parallel dazu wurde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Der Fortgang der Berufung ist derzeit von einer anderen ausstehenden Entscheidung gehemmt. Der Classified Information Procedures Act - ein Gesetz über den Umgang mit Geheiminformationen vor Gericht, das vor allem die Rechte der Verteidigung einschränkt - kam trotz eklatantem Mangel an Geheimdokumenten in dem Verfahren in zur Anwendung: Es gab ein geheimes Gespräch zwischen dem Gericht und Regierungsvertretern. Die Verteidigung begehrt Einsicht in das Gesprächsprotokoll. Erst nach dieser Entscheidung kann das Berufungsverfahren vorangebracht werden.

Derweil sind die fünf Angeklagten über Gefängnisse im ganzen Land verteilt worden, was die Verteidigung sehr erschwert. Die Regierung behindert auch nach dem Urteil noch den Kontakt zu Familienmitgliedern: Den Ehefrauen von zwei der Angeklagten wurde die Einreise ins Land verweigert. Auch bezüglich anderer Rechte wie Bewegung etc. unterliegen sie strengen Beschränkungen. Am 14.12.02 hat sich in Köln ein deutsches „Solidaritätskomitee für die Freiheit der Fünf“gegründet.

Verena Grundmann, Eberhard Schultz


Kontakt und Information: info@miami5.de, www.miami5.de


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