akj
Aktuell
Ersti-Heft
|
Editorial
Wir
brauchen einen Plan!
Milosevic darf sich nicht verteidigen. Die Bundesregierung kann
sich nicht verteidigen. Nicht ein einziges frisch geschlüpftes Arbeitsplätzchen,
piepst an ihrer Seite. Darfür klingelt bei Clements ununterbrochen
das Telefon. Da geht aber auch keiner mehr ran. Haben sie eben alles nicht
verstanden. Wird sich auch nicht ändern. Den Bachelor-Studiengang “Transkription
und Rekognition von Hartz IV-Formularen” wird es auch nach der dreiprozentigen
Anhebung des Bildungsetats nicht geben. Dafür aber jede Menge toller Eliteuniversitäten,
an denen sich jedoch auch nichts erneuern wird, außer der Auslese unter
den weniger werdenden Studis. “Endlich Gerechtigkeit!” – freut sich da
der CHE-verbildete ALG-II-Empfänger: “Viel zu lange haben diese Drückeberger
auf Kosten des kleinen Mannes ihre Bildung schmarotzt. Kriegen wir ja
schließlich auch nicht.” Sagt’s und reiht sich in die Montagsdemo ein.
Da weiß auch keiner, wo es hingeht, aber alle latschen mit. Die PDS-Spitze
latscht hinterher und sucht ihren Weg in den demokratischen Sozialismus.
Gregor Gysi glaubt ihn schon gefunden und streitet seit dem für
den genossenschaftlichen Konsum. Wie es aussieht, sollte er sich dabei
besser von jemandem beraten lassen, der weiß, wie es geht. McKinsey
zum Beispiel. Die beraten inzwischen alle. Von Daimler Benz bis zur Berliner
Tafel, der Hochschulleitung und der Landesregierung. Aber guter Rat ist
teuer. Kann sich nicht jedeR leisten. Wer keine Steuergelder zum Verplempern
hat, zahlt in Naturalien. Was darf’s denn sein: Eine Uni, ein Palast,
der Dom, eine historische Allee oder nehmen Sie doch gleich die ganze
Stadt. Nur vorübergehend – natürlich, dafür aber mit Polizeischutz. Die
sperrt dann auch gerne mal die Öffentlichkeit aus der Öffentlichkeit aus.
Nur zu deren eigener Sicherheit versteht sich. Denn wie uns der RAF-Experte
Otto Schily warnte, wird das Demonstrationsrecht von Terroristen
missbraucht. Der Antiterrorkampf beansprucht die Polizeikräfte indes so
sehr, dass sie die nach Hartz IV so essentiell gewordene Aufgabe der Bekämpfung
von Armut und Subkulturen an die eilig eingerichtete SOKO “Grill und Kot”
abgeben müssen. Die haben auch keine Ausbildung und sind deswegen volksnäher.
Überhaupt muss auf das Erscheinungsbild der Öffentlichkeit jetzt viel
mehr Wert gelegt werden. Seit der Bundeskanzler die BrandenburgerInnen,
Sachsen und Sächsinnen zum Wahlsonntag daran erinnerte, dass es auch bei
allgemeiner Enttäuschung nichts rechts von der CDU geben dürfe, wissen
wir, dass braunes Brachland den Standort gefährdet. Wenn überhaupt, muss
es so grün ummäntelt sein, damit es sich vom Außenminister als Innovation
verkaufen lässt. Innovationen sind sowieso immer gut. Besonders wenn mensch
sonst keinen Plan hat. Blöd ist nur, dass sie nicht länger vorhalten,
als der Protest gegen sie. Zugegeben, das klingt etwas konfus und planlos.
Aber eine Reform, die selbst die letzten arbeitsfähigen SozialhilfeempfängerInnen
noch zum Zwangsdienst verpflichtetet, hat auch etwas für sich: Es gibt
keine Arbeit mehr, für die mensch sich schämen müsste. Deswegen werden
wir unser nächstes Editorial von einer (über)qualifizierten Hochschullehrkraft
schreiben lassen. Die gibt es jetzt schon ab 1 Euro die Stunde. So werden
endlich auch unsere Texte kürzer, flexibler und innovativer. Na, wenn
das kein Plan ist.
Eure Redaktion
|