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Innensenator verbietet Kameradschaft

 

Berlin: Mit Verfügungen vom 7. März 2005 (bekannt gemacht im BAnz. vom 9.03.05, S. 3452 und ABlBln vom 24.03.05, S. 979 f.) hat die Senatsverwaltung für Inneres die neonazistischen Kameradschaften „Berliner Alternative Süd-Ost“ und „Kameradschaft Tor“ inklusive deren „Mädelgruppe“ verboten. Nach Auffassung der für Vereinsverbote zuständigen obersten Landesbehörde Berlins richten sich die Ziele der beiden Gruppierungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Im Zusammenhang mit dem Verbot fanden Durchsuchungen in 10 Wohnungen in Berlin und Brandenburg statt, bei denen nach Angaben der Innenverwaltung umfangreiches Propagandamaterial beschlagnahmt wurde. Die beschlagnahmten Computer und Unterlagen werden nun vom Staatsschutz dahingehend ausgewertet, ob sie Anhaltspunkte für strafrechtliche Ermittlungen enthielten.

Im einzelnen wirft die Senatsinnenverwaltung den Kameradschaften aus Lichtenberg und Treptow-Köpenick vor, gegen staatliche Institutionen zu agitieren, und dadurch für deren Beseitigung zu kämpfen. Nach ihrem Gesamtbild würden sie eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus zeigen.

Zur Begründung verweist die Behörde auf die „Anti-Antifa“-Arbeit der Kameradschaften sowie die von ihnen betriebene Verherrlichung von Nazi-Funktionären und deren aggressive rassistische und antisemitische Propaganda. Mitglieder der beiden Gruppierungen seien darüber hinaus in der Vergangenheit wiederholt durch rechts­extremistisch motivierte Straftaten in Erscheinung getreten. So haben die Kameradschaften versucht, durch Drohungen und namentlich Benennung politische GegnerInnen einzuschüchtern. Mit dem Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess und den SA-Sturmführer Horst Wessel haben sie führende Nazi-Größen als Märtyrer und Helden glorifiziert.

Mit beiden Verboten wurde erstmals in Berlin nach den Vorschriften des Vereinsgesetzes gegen neonazistische Vereinigungen vorgegangen. Letztmals wurden in Berlin Anfang der 60er Jahre Vereinsverbote gegen rechtsradikale Vereinigungen ausgesprochen. 1964 trat dann das Vereinsgesetz in Kraft und wurde im selben Jahr in Berlin übernommen.

Die jetzigen Verbote hängen offenbar mit dem Wiederaufflammen der Diskussion über den Umgang mit neofaschistischem Gedankengut nach den Provokationen der NPD im Sächsischen Landtag zusammen. Innensenator Ehrhart Körting wollte allem Anschein nach mit den Verboten ein deutliches Zeichen setzen. Andererseits machten beiden Kameradschaften besonders durch ihren Aktionismus von sich reden. Laut Verfassungsschutz Berlin zählten beide zu den aktivsten neonazistischen Kameradschaften. Zuletzt erregte zum Beispiel die BASO durch einen geplanten Aufmarsch am Wohnhaus des Ltd. Polizeidirektors Michael Knape Aufsehen. Knape gilt als Verfechter einer harten Linie gegenüber Neonazis, insbesondere als Einsatzleiter bei entsprechenden Aufmärschen und innerhalb des Bezirkes Treptow-Köpenick, für den die von ihm geführte Direktion 6 zuständig ist.

Die Verbote sind sofort vollziehbar. Werden Mitglieder oder Sympathisanten für die Gruppierungen aktiv oder zeigen deren Symbole, machen sie sich bereits strafbar, auch wenn theoretisch das Verbot später aufgehoben oder zurückgenommen werden könnte.

Die Verbote werden innerhalb eines Monats bestandskräftig, wenn nicht vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Klage gegen sie erhoben wird. Die „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO) bzw. vier Einzelpersonen haben genau dies getan. Die Klage ging Anfang April beim OVG ein, wie die Pressestelle des Gerichts dem freischüßler mitteilte. Der Hamburger Neonazi Christian Worch rief nach Informationen der Berliner Zeitung vom 11. März bereits bundesweit dazu auf, Spenden zur Abdeckung der Prozesskosten der BASO zu sammeln.

Dabei liefert er ein gutes Beispiel für eine gleichermaßen rabulistische wie juristische abwegige Argumentation. In der Verbotsbegründung leite die Innenverwaltung aus der von BASO-Mitgliedern bei einer Demo gerufene Parole „frei, sozial und national“ eine Nähe der BASO zum Nationalsozialismus ab. Nach Worch aber werde der Nationalsozialismus vom „Mainstream der Politik“ als System von Unfreiheit bezeichnet. „Frei ist damit ein klarer Gegensatz zum Nationalsozialismus.“ Und deshalb bestehe nach herrschender Lehre keine Nähe zu ihm. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Verbote Bestand haben werden. Die unbestreitbare Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Art „Regelbeispiel“ für die Verfassungswidrigkeit einer Vereinigung dar.

Marten Mittelstädt


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