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Speichel, Schleim und 50 Jahre FDGO oder FDGO gegen "Innere Sicherheit"

Mit dem Grundgesetz wird auch die viel zitierte Freiheitlich-Demokratische-Grundordnung (FDGO) 50 Jahre alt. Ein halbes Jahrhundert Freiheit, Demokratie und gut ausgestalteten Grundrechte. Da liegt der Verdacht nahe, daß die Menschen - die das Glück haben, in einem solchen System zu leben - in vollem Bewußtsein ihrer geschützten Position gegenüber dem Staat zu selbstbestimmten, aufgeklärten Bürgern und Bürgerinnen geworden sind.
Wie sieht aber die grausame Realität aus? Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dieser Frage, speziell unter Zuhilfenahme des Beispiels der umfangreichen Gentests im vergangenen Jahr. Dabei kann natürlich kein wissenschaftlicher Befund geliefert werden, aber es entsteht vielleicht ein nachdenkenswertes Bild von der Situation nach 50 Jahren FDGO.

Dem Staat gedient und dabei wohl gefühlt - Speicheltest

Im Juni 1998 fand die bisher größte Gen-Reihenuntersuchung durch die Polizei statt. 17 900 Männer wurden untersucht und dabei der des Mordes verdächtige Ronnie Rieken gefaßt. Es ergingen Schreiben an die jungen Männer einer ganzen Region, sie mögen doch bitte ihren Speichel abgeben, um einen Gentest zu ermöglichen. So könnten sie Ihre Unschuld an einem Mord beweisen.
Wie würde wohl ein Bürger auf ein solches Schreiben reagieren, der mit der FDGO groß geworden ist und dadurch selbstbestimmt gegenüber dem Staat auftritt? Zunächst würde wahrscheinlich Protest angemeldet werden. Es kann doch nicht sein, daß Zehntausende nur aufgrund ihres Geschlechts und ihres Wohnortes für verdächtig erklärt werden. Gibt es da nicht die Unschuldsvermutung? Der Staat will meinen Speichel - nun da halte ich ihm mein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, auf informationelle Selbstbestimmung, auf die Freiheit meiner Person und auf meine allgemeine Handlungsfreiheit entgegen.
Die tatsächliche Reaktion bei den Betroffenen sah anders aus. Der Staat rief - ihr Speichel war gefragt - da ziehen sie also aus, um ihren Speichel herzugeben. Dem Staat zu dienen ist schließlich eine der edelsten Bürgerpflichten!
Die letztgenannte Reaktion führte zu einem großen sozialen Druck auf alle die, die eher zu der ersten Variante neigten, so der niedersächsische Datenschutzbeauftragte Gerhard Dronsch. Wer nicht zum Speicheltest ging, galt als verdächtig, hatte wohl etwas zu verbergen(?). Vermutlich dadurch stellte sich sogar der tatsächliche Täter.

Das "Volksgesundheitsamt" auf (erfolgreichem) Dummenfang

Im Juli 1998 trieb in Sachsen und Berlin das "Bundesamt für Volksgesundheit" sein Unwesen. Dieses Amt war eine Erfindung von Jugendlichen, die testen wollten, wie weit ein FDGO-geprägter Bürger oder eine solche Bürgerin gehen würden, um für die "Innere Sicherheit" ihre Grundrechte aufzugeben.
Das Volksgesundheitsamt postierte sich in großen Städten an zentralen Stellen. Passanten wurden Speichelproben entnommen, um angebliche Gendefekte herauszufinden. Es wurde erklärt, daß dadurch die Kriminalitätsneigung bzw. sozial abweichendes Verhalten erkannt werden könne. Je nach Ausprägung dieser Kriminalitätsneigung bekamen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bunte Punkte in ihren Paß geklebt. Vermutliche Reaktion von FDGO-bewußten Bürgern und Bürgerinnen: Ein Volksgesundheitsamt(?) - gibt's doch gar nicht. Gene, die über meine Persönlichkeit aussagen können(?) - gibt's doch gar nicht. Einen Punkt in meinen Paß(?) - die spinnen wohl. Und überhaupt, was wird denn mit den Daten, die aus meinem Speichel entnommen werden? Fazit: An einer solchen windigen Aktion beteilige ich mich nicht! Tatsächliche Reaktion: Die Leute standen Schlange! Vereinzelt wurde gefragt, was denn das Volksgesundheitsamt überhaupt sei. Jedoch genügte dabei der Verweis auf Herrn F.-J. Strauss, der dieses Amt gegründet habe. Niemand zweifelte die Ergebnisse der "Speicheluntersuchung" an. Niemand fragte nach dem Umgang mit den Daten etc. etc.

Fazit

Es gibt noch viel zu tun in diesem Land. Die FDGO scheint nicht gegriffen zu haben. Proteste gegen Grundrechtseinschränkungen (großer Lauschangriff, Gendatei, etc.) sind minimal. Dagegen kann sich jeder und jede eine breite Zustimmung erhoffen, wenn von einem "Grundrecht auf Sicherheit" gesprochen wird. Das Grundrecht auf Sicherheit meint die totale Überwachung der Bürger und Bürgerinnen und damit die massive Beschränkung von Grundrechten. Es scheint heute so, als ob die Bereitschaft, dem Staat zu dienen, weit ausgeprägter ist, als die Bereitschaft, seine freiheitlich demokratischen Rechte wahrzunehmen und dem Staat entgegenzuhalten.
Was nützt aber die beste FDGO, wenn die Menschen gar nicht frei sein wollen? Der Staat möchte gern totale Kontrolle über die Bürger und Bürgerinnen und die Bürger und Bürgerinnen fühlen sich geehrt, wenn sie dabei behilflich sein dürfen - wer nicht mitspielt, hat etwas zu verbergen. Angesichts der Tatsache, daß die FDGO und das gesamte Grundgesetz nur auf Druck der Alliierten zustande kamen, zeichnet sich ein düsteres Bild ab ...

Volker Gerloff   

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