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Haben Politisch Verfolgte in der BRD
eine Chance auf Asyl?
Das früher in Art.16 II 2 GG verankerte Recht von im Ausland politisch
Verfolgten auf Asyl in der BRD wurde zum 1.7.93 durch die Einführung
des Art.16a GG massiven Einschränkungen unterworfen und dadurch stark
ausgehöhlt. Hier soll nun ein kurzer Abriß verschiedener Aspekte
der gesamten Asylrechtsproblematik gegeben werden.
1)
die Drittstaatenregelung
Sie ist in Art.16a I GG verankert, vom BVerfG für verfassungsgemäß
erklärt worden und besagt, daß kein Asyl gewährt wird,
wenn die Asylsuchenden aus bzw. über einen sogenannten sicheren Drittstaat
einreisen. In diesem Falle können sie sofort wieder in diesen Drittstaat
zurückgeschickt werden, d.h. sie genießen keinerlei Rechtsschutz
in der BRD (Art.16a I 3 GG). Welche Staaten sichere Drittstaaten sind,
wird durch Gesetz festgelegt. Voraussetzung dafür ist jedoch lediglich,
daß der entsprechende Staat der Genfer Flüchtlingskonvention
und der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten ist und
beide "anwendet", selbst wenn er schon wiederholt gegen diese
verstoßen hat, da es nach dem BVerfG nur auf die normative Rechtslage
in dem Staat, nicht auf einzelne Verstöße ankommt. Wie kann
ein Staat aber als sicherer Drittstaat gelten, wenn er wiederholt gegen
die ja nicht besonders hohen Anforderungen der genannten völkerrechtlichen
Verträge verstoßen hat und damit das Leben von Menschen unmittelbar
gefährdet? Um als sicherer Drittstaat eingestuft zu werden muß
daß dort praktizierte Asylverfahren auch keinerlei Mindeststandards
aufweisen, wie z.B. garantierter Rechtsbeistand, Dolmetscher oder gewisse
Mindestfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen etc.
So gilt z.B. Polen als ein solcher Drittstaat mit dem Ergebnis, daß
asylsuchende Flüchtlinge an der Grenze von Polen zur BRD gar nicht
erst Einlaß erhalten und zurückgeschickt werden, obwohl Polen
so gut wie kein Asylrecht und dafür notwendige Einrichtungen aufweist1,
mit den Flüchtlingen somit völlig überfordert ist und daher
sehr fraglich ist, ob diesen dort ein angemessenes Asylverfahren zuteil
wird.
Somit ist ersichtlich, daß die Drittstaatenregelung nicht geeignet
ist sicherzustellen, daß dem Flüchtling in jedem Fall ein ausreichendes
Asylverfahren gewährleistet wird und somit einer Kettenabschiebung
vom Drittstaat weiter in das Herkunftsland nicht ausreichend verhindert
wird.
2) politische Verfolgung
Nur politisch Verfolgte genießen gemäß Art.16a I Asyl.
Problematisch daran ist zunächst schon, daß die Bundesregierung
und die deutschen Gerichte politische Verfolgung nur annehmen, wenn diese
von staatlichen Stellen ausgeht. Dies ist eine völlig unsinnige Einschränkung,
wie das Beispiel Algeriens drastisch zeigt. Dort verübt die sog.
Islamische Heilsfront seit 1992 im gesamten Landesgebiet immer wieder
völlig willkürliche grausamste Massaker an der Bevölkerung.
Ganze Dörfer wurden in einer Nacht niedergemetzelt. Offiziell waren
staatliche Stellen dagegen völlig hilflos.Eine fehlende Hilfsbereitschaft
konnte lange nicht bewiesen werden. Trotzdem beharrten Bundesregierung
und deutsche Gerichte entgegen der Meinung einiger Landesregierungen darauf,
daß keine politische Verfolgung derjenigen stattfand, die Grund
zu der Annahme hatten im Visier der FIS zu stehen. Ein Asylgrund lag daher
nicht vor und eine Abschiebung konnte stattfinden.
Andererseits soll jedoch nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts ein
sicheres Herkunftsland trotz massiver staatlicher politischer Verfolgung
eines Flüchtlings dann vorliegen, wenn der Flüchtling eine sog.
inländische Fluchtalternative hat, d.h. wenn es in dem Land einen
Ort gibt, an dem er vor seinen staatlichen Verfolgern sicher ist. Dies
nahm das BVerwG so bei vom irakischen Staat politisch Verfolgten (idR
Kurden) an, denn der Nordirak sei ja faktisch autonom und von irakischen
staatlichen Stellen nicht kontrollierbar. Daher gelte dieser Teil des
Landes als zumutbare inländische Fluchtalternative und somit liegt
weder ein Asylgrund noch ein Abschiebehindernis vor.
Die tatsächliche Lage, daß nämlich irakische staatliche
Stellen unproblematisch innerhalb kürzester Zeit Personen auch im
Nordirak finden und töten können2
wurde hier ignoriert.
Da diese tatsächliche Lage jedoch anhand unzähliger Beispiele
geradezu offensichtlich ist, schleicht sich der Verdacht ein, daß
hier bewußt durch Klitterung der Tatsachen und Schaffung eines rechtlichen
Konstruktes die bisherige Notwendigkeit der Aufnahme von irakischen Kurden
beendet werden soll3. Gerade für
abgeschobene Flüchtlinge ist dies fatal, da es im Irak schon strafbar
ist, in einem anderen Land einen Asylantrag zu stellen.
Genügend Beispiele aus der Praxis zeigen, daß es den Asylsuchenden
in der BRD oft zu schwer gemacht wird ihre politische Verfolgung nachzuweisen.
Folge dessen ist, daß viele tatsächlich politisch Verfolgte
abgeschoben werden und kurz nach ihrer Ankunft im Herkunftsland von den
staatlichen Stellen verhaftet, gefoltert, ermordet etc. werden4.
Damit jedoch noch nicht genug: es kommt auch vor, daß die deutschen
Behörden den abgewiesenen Asylsuchenden mitsamt der Unterlagen über
das Asylverfahren den staatlichen Stellen "übergeben"5.
3) das Flughafenverfahren
Flüchtlinge aus sog. sicheren Herkunftsstaaten sowie solche ohne
Paß, die mit dem Flugzeug die BRD erreichen unterliegen gemäß
§ 18a AsylVfG der sog. Flughafenregelung und damit u.a. einer
drastischen Rechtswegeinschränkung. Nach Ablehnung ihres Asylantrages,
der spätestens 2 Tage nach ihrer Ankunft, durch Anhörung vor
dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtling
zu stellen ist, bleiben ihnen nur 7 Tage Zeit beim Verwaltungsgericht
dagegen Widerspruch einzulegen. Zur Vorbereitung auf die Anhörung
und zur Rechtsbehelfsbelehrung etc. ist somit für sie dringend eine
rechtliche Beratung notwendig. Die Flüchtlinge dürfen während
der ganzen Zeit den Transitbereich des Flughafens jedoch nicht verlassen.
Somit wäre es dringend notwendig dort direkt Beratungsstellen einzurichten.
Dies sah das BVerfG 1996 auch schon so, damit überhaupt die Verfassungsgemäßheit
der gesamten Flughafenregelung hergestellt wird. Im Oktober 1997 erhielt
das Bundesinnenministerium sogar von der EU-Kommission 280.000,- DM für
die Einrichtung einer solchen Stelle im Flughafen Frankfurt/Main. Dies
ist bisher jedoch immer noch nicht erfolgt6.
Somit verstößt die Flugafenregelung in ihrer derzeitigen Praxis
gegen die Verfassung und gibt den Flüchtlingen keine zumutbare Chance
einer Verfolgung in ihrem Land zu entkommen.
4) das Asylverfahren
Über den Asylantrag entscheidet das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge(BAFl). Die dort sitzenden Entscheider
sind Volljuristen und sollen "unabhängig wie ein Richter"
entscheiden. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Laut Berichten eines
Insiders7 herrscht in der Behörde
ein massiver Erwartungsdruck die Asylanträge durchweg abzulehnen,
was dadurch geschieht, daß sie von ihren Vorgesetzten angehalten
werden möglichst viel und schnell zu entscheiden, wobei eine ernsthafte
Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Vorbringen weder gewünscht
noch machbar ist (dies können ja immernoch die Gerichte im Falle
eines Widerspruchs). Nur bei Fällen mit Rechtsanwälten oder
sonstiger Außenwirkung ist eine gewisse Qualität der Entscheidung
gwünscht. Auf Besprechungen des BAFl werden die Entscheider nur über
die Rechtsprechung informiert, die sich zu Lasten der Antragsteller geändert
hat. Mit Entscheidern, die im Durchschnitt mehr als andere Asylanträge
aus bestimmten Ländern bewilligen wird "das Gespräch gesucht",
wobei sie gebeten werden im Hinblick auf eine einheitliche Spruchpraxis
des BAFl ihre eigene Spruchpraxis zu überdenken. Vor allem jedoch
können sich die Entscheider idR von ihren Vorgesetzten gedeckt wissen,
solange sie nur ablehnen8. Geschieht
dies, so ist der Fall erledigt. Wird dagegen einmal ein Antrag positiv
beschieden, so gilt die Entscheidung noch lange nicht, sondern sie wird
lediglich "als Entwurf" behandelt und muß dem Referatsleiter
vorgelegt werden, wobei oft die gesamte Hierarchie der Behörde Druck
macht, die Entscheidung zu ändern. Beharrt ein Entscheider aber trotzdem
auf seinem positiven Bescheid, so gibt es dafür extra den Bundesbeauftragten
für Asylangelegenheiten, der als staatliche Stelle gegen die Entscheidung
der staatlichen Behörde vor Gericht klagen darf. Dies tut er auch
reichlich, jedoch bisher ausschließlich gegen anerkannte Asylanträge,
nicht gegen Ablehnungen. Wo bleibt hier nun die angebliche Unabhängigkeit
der Entscheider des BAFl? Das Entscheidungsverhalten eines durchschnittlichen
Entscheiders, der nicht ständig Streß mit den Vorgesetzten
haben will und evtl. auch noch mal befördert werden will, kann man
sich hier leicht vorstellen. Hier wird durch die eindeutig unterbesetzte
Behörde, den massiven Konformitätsdruck, einseitige Information
der Entscheider und mehrmalige Überprüfung von Entscheidungen
systematisch darauf hingewirkt ablehnende Asylbescheide zu erreichen.
Liegt ein solcher aber erstmal vor, so interessiert der Fall keinen mehr.
5) die Behandlung in der BRD
Menschen, die legal in der BRD leben und keinerlei eigene Einkünfte
haben, erhalten zur Sicherung ihres Existenzminimums Sozialhilfe.
Für Asylbewerber wurde dies im letzten Jahr durch das Asylbewerberleistungsgesetz
jedoch stark ausgehölt. Sogenannte "geduldete" Flüchtlinge,
deren Abschiebung aufgrund der Situation in ihrem Heimatland nicht möglich
ist erhalten eine um 25% gekürzte Sozialhilfe, wenn vermutet wird,
daß sie nur hierher gekommen sind, um Sozialhilfe zu kassieren.
Beim Existenzminimum von Flüchtlingen und Deutschen wird somit mit
zweierlei Maß gemessen.
Dazu kommt noch, daß in Berlin das sog. Wertgutscheinprinzip eingeführt
wurde, d.h. außer einem Taschengeld von 80,-DM für Erwachsene
bzw. 40,-DM für Kinder und Jugendliche bekommen die Flüchtlinge
lediglich Wertgutscheine. Flüchtlinge, bei denen vermutet wird, daß
sie nur zum Kassieren der Sozialhilfe gekommen sind, bekommen gar kein
Bargeld. Dies wird jedoch von den Berliner Bezirksämtern immer öfter
ohne konkrete Anhaltspunkte pauschal angenommen, so Georg Classen von
der Passionskirchengemeinde, der sogar rund 50 Fälle von Flüchtlingsfamilien
kennt, die keinerlei staatliche Hilfe bzw. nur einen Heimplatz ohne Verpflegung
und Taschengeld bekommen9. Doch
schon allein der Entzug des Taschengeldes bewirkt, daß den Flüchtlingen
nichts anderes übrig bleibt als bei ihren Wegen zwischen Wohnheim,
Sozialamt, Ausländerbehörde und Botschaft "schwarz"
mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
Die anstelle der Sozialhilfe gewährten Wertgutscheine können
lediglich in zwei Läden in Westberlin eingetauscht werden, was unzumutbare
Anfahrtszeiten mit sich bringt. Die zwei Läden haben ca. Schulklassenzimmergröße,
sind sehr schlecht ausgestattet und zudem völlig überteuert
im Vergleich zu "normalen" Supermärkten. Das bezeichnende
an dem ganzen Verfahren ist, daß es den Staat im Endeffekt sogar
mehr kostet, als die normale Sozialhilfegewährung10.
Das Verhalten der verantworlichen Gesetzgeber und Sozialämter kann
somit nur noch als systematische Politik der Aushungerung, Abschreckung
und Illegalisierung bezeichnet werden. Mit dem eigentlichen Zweck, der
Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums hat dies nicht
mehr viel zu tun.
Zur Vorbereitung und Sicherung der Abschiebung kann ein Ausländer
gemäß § 57 AuslG in Abschiebehaft genommen werden. Diese
kann bis zu 18 Monaten angeordnet werden. Ohne das geringste Vergehen
begangen zu haben, können ausreisepflichtigen Ausländern somit
bis zu 1 ½ Jahre Freiheitsentzug aufgebürdert werden, nur
um seine Außerlandbringung zu sichern. Darin liegt nach RA Hubert
Heinold11 ein dreifacher Grundrechtsverstoß12:
a) Art. 2 II 2 GG, der das Grundrecht auf Freiheit der Person verbürgt,
steht unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt, d.h. zur Einschränkung
des Rechts ist ein Gesetz notwendig, daß den Freiheitsentzug regelt.
Ein die Abschiebehaft regelndes Gesetz existiert jedoch nicht. Vielmehr
wird über die Generalklauseln der §§ 8 II Freiheits-EntziehungsverfahrensG,
171, 173-175 StrafvollzugsG einfach Strafvollzugsrecht angewandt, d.h.
Abschiebehäftlinge werden hier mit Straftätern gleichgesetzt,
z.B. eingeschränkter Besuchsverkehr, Zensur der Post etc.
b) Die Dauer der Abschiebehaft von bis zu 1 ½ Jahren ist unverhältnismäßig,
da Haft eine außerordentlich hohe Einschränkung nicht nur der
Bewegungsfreiheit, sondern der gesamten Persönlichkeit ist, die unverhältnismäßig
stärker wiegt als das staatliche Interesse den Ausländer außer
Landes zu schaffen. Somit ist die Dauer der Abschiebehaft verfassungswidrig.
c) Nach der derzeitigen Rechtsprechung steht den Haftrichtern bei der
Anordnung der Abschiebehaft auf Antrag der Ausländerbehörden
nur ein eingeschränkter Prüfungsspielraum zu. Es darf nur geprüft
werden, ob die Voraussetzungen des § 57 AuslG vorliegen, nicht jedoch,
ob die vorangegangenen Entscheidungen der Behörde, die die gegenwärtige
Lage ja mit herbeigeführt haben, eventuell rechts- oder grundrechtswidrig
waren.
Fazit
Würde man damit nicht gerade der Intention der deutschen Asylpolitik
in die Hände spielen, so könnte man Flüchtlingen nur raten
die BRD zu meiden, wenn sie Asyl vor politischer Verfolgung im Heimatland
suchen. In der BRD gibt es für politisch Verfolgte kein Recht, sondern
höchstens eine kleine Chance auf Asyl. Im gesamten gesetzlich geregelten
Umgang mit Asylanten steht nicht deren Schutz vor Verfolgung, sondern
das offensichtliche Interesse der BRD im Vordergrund, ohne Rücksicht
auf Menschenleben zu erreichen, daß in dieses Land so wenig wie
möglich Ausländer kommen. Dies ist inhuman und rassistisch.
Martin Henselmann
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näheres dazu in
Forum Recht... zurück
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dazu siehe Jungle World vom 23.12.98.
zurück
-
näheres siehe Jungle World vom 23.12.98.
zurück
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siehe z.B. Jungle World vom 20.1.99; vom
9.12.98; vom 3.6.98. zurück
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siehe Jungle World vom 20.11.97 und vom
4.9.97. zurück
-
siehe Jungle World vom 20.5.98.
zurück
-
siehe Jungle World vom 28.10.98.
zurück
-
alles dies in Jungle World vom 28.10.98,
wobei der "Insider" als Angesteller der BAFl verständlicherweise
anonym bleiben wollte. zurück
-
so in Jungle World vom 4.11.98.
zurück
-
so in Jungle World vom August '98.
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-
Vorstandsmitglied von pro asyl.
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-
ausführlicher in Grundrechtereport 1997 S.21ff. zurück
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