Die Militarisierung in der BRD
im Wandel der Zeiten
Das pazifistische Grundgesetz
Als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz verabschiedet wurde, fehlte es diesem
an militärischem Gehalt. In dieser Fassung hat das Grundgesetz "nur
an zwei Stellen des Wehrdienstes und des Krieges gedacht"1.
Zum einen wird in Art. 4III GG die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung
festgeschrieben zum anderen wird der Angriffskrieg in Art. 26 GG geächtet.
Ursprünglich war das Grundgesetz also voll auf das Ignorieren bzw.
Beschränken des Militärs ausgerichtet, was durch den noch frisch
in Erinnerung liegenden Krieg nicht allzusehr verwundern dürfte.
Doch schon bald begann die Diskussion um eine Wiederbewaffnung der BRD
und damit um die Ergänzung des Grundgesetzes durch eine "Wehrverfassung".
Pilot eines NATO-Kampfjets markiert einen "Treffer"
Die Wehrverfassung
Am 19. März 1956 trat das 7. Grundgesetz-Änderungsgesetz2,
mit dem die "Wehrverfassung" in das Grundgesetz Aufnahme fand,
in Kraft. Damit wurde der Weg für eine Remilitarisierung der BRD
freigemacht. Als Rechtfertigung für diesen Schritt mußte die
Bedrohung "aus dem Osten" und die "Verteidigungsbereitschaft
der freien Welt" herhalten.3
Im Rahmen dieser Wehrverfassung wurde z.B. der Art. 17a eingefügt.
Darin wird die Einschränkbarkeit von Grundrechten für SoldatInnen
festgelegt.
So kann die Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1, 1. HS GG beschränkt
werden. Damit soll die militärische Disziplin gewahrt werden.4
Die Gewährleistung der Meinungsfreiheit kann schließlich schon
deshalb nicht stattfinden, weil "das auf Befehl und Gehorsam basierende
Strukturprinzip einer Armee ... die laute Kritik des Gehorchenden am Befehl
des Vorgesetzten" regelmäßig ausschließt.5
Auch die Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG unterliegt dem Art. 17a GG,
"um in Spannungszeiten ... [die] Soldaten ... von politischen Verwicklungen
fernzuhalten"6.
Weiterhin soll es den SoldatInnen nur begrenzt ermöglicht werden,
Bitten und Beschwerden im Rahmen des Petitionsrechts nach Art. 17 GG loszuwerden.
Art. 17a GG und die übrigen Änderungen und Ergänzungen
des Grundgesetzes sollten folgenden Zielen dienen: "Einführung
der Wehrpflicht, landsmannschaftliche Gliederung der Streitkräfte,
Einschränkungen der Grundrechte, Ernennungsrecht für Offiziere
und Unteroffiziere, Zuständigkeit des Bundes für die Errichtung
einer Wehrverwaltung, Bildung von Gerichten für die Streitkräfte
..."7.
Für die einen mögen die mit der Wehrverfassung verbundenen
Grundrechtseinschnitte in der Natur der Sache liegen, da die Verteidigungsaufgabe
nur unter diesen Bedingungen sinnvoll erfüllt werden könne8
- für andere mag sich die Frage aufdrängen: Wenn elementare
Grundrechte einer Demokratie in einer Armee nicht uneingeschränkt
gelten können, wie verträgt sich dann beides miteinander? Ist
die Armee nicht ein Antidemokratischer Fremdkörper in jedem demokratischen
Staat? Und wie soll gerade ein solcher Fremdkörper diese Demokratie
verteidigen und sichern, zumal bei einem legitimen Einsatz der Armee9
jedes demokratische Element der Gesellschaft in der Regel obsolet sein
wird? Deutet die Existenz von Armeen und deren ständige Aufrüstung
nicht folgerichtig darauf hin, daß wir von einer wirklichen Demokratie
noch weit entfernt sind?
Einfügung des Abschnitts "Xa. Verteidigungsfall" in das
Grundgesetz
Mit dem 17. Grundgesetz-Änderungsgesetz10
von 1968 erhielt das Grundgesetz den Abschnitt "Xa Verteidigungsfall".
Der Regelungsgehalt dieses Abschnittes kann in den Art. 115a-l GG nachgelesen
werden.
Entscheidend an dieser Ergänzung des Grundgesetzes ist, daß
damit der militärische Teil weiter ausgebaut wurde. Die ablehnende
Haltung gegenüber dem Militär des Ursprungs-Grundgesetzes war
lange verloren, der "Bürger in Uniform" etabliert und das
Militär als solches wieder ein fester Bestandteil der bundesdeutschen
Gesellschaft. Aber noch wurde beständig der reine Verteidigungscharakter
der Bundeswehr betont. Dies sollte sich jedoch am Ende des Jahrhunderts
grundlegend ändern.
Von deutschem Boden geht wieder Krieg aus
Trotz der Militarisierung des Grundgesetzes ist es bis heute nicht kriegslegitimierend.
Zum einen schreibt es durch Art. 25 GG den Vorrang des Völkerrechts
vor, nachdem jede Drohung und Anwendung von Gewalt grundsätzlich
verboten ist (z.B. Art. 2 UN-Charta) und zum anderen ist in Art. 26 GG
die Verpflichtung zur Friedenssicherung festgeschrieben.
Bei der Remilitarisierung der BRD wurde wenigstens Bemühen gezeigt,
im Rahmen des Grundgesetzes zu handeln - wenn es dafür auch geändert
werden mußte. Heute wird das Grundgesetz, die UN-Charta, der Zwei-Plus-Vier-Vertrag,
die OSZE und alle Hemmungen einfach fallen gelassen. Deutschland ist wieder
im Krieg!
"Wer gegen die Rechtsordnung verstößt, muß streng
bestraft werden etc". So schallt es uns oft von hoher Stelle entgegen.
Doch wenn die Verfechter der Rechtsordnung selbst Rechtsbruch betreiben,
dann wird sich jede Kritik verbeten. Welchen Wert hat aber eine Verfassung
und ein Rechtssystem als solches, wenn die Mächtigen in Politik und
Wirtschaft tun und lassen, was ihnen nutzt und die "einfache Bevölkerung"
tun und lassen muß, was die Rechtsordnung zuläßt?
Art. 3 I GG: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." -
Vorschlag für einen Art. 3a GG: Abs. 1: "Regierungsangehörige
haben das Recht, die Gesetze nach Belieben einzuhalten."; Abs. 2:
"Das Recht des Abs. 1 kann durch Erklärung oder konkludentes
Verhalten des Bundeskanzlers auf weitere Personen übertragen werden."
Volker Gerloff
-
Hans Schäfer, NJW 1956, 529
-
BGBl. 1956 I, S. 111
-
Richard Jaeger, BayVerwBl. 1956, 289
-
Walter Roemer, JZ 1956, 193, 194
-
Jaeger, 290
-
Roemer, 194
-
Jaeger, 289
-
Jaeger, 290
-
als solcher kann nur der Verteidigungsfall
gelten
-
BGBl. 1968 I, S. 709
back
|