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Montanmitbestimmung endgültig abgeschafft

Am 2.März hat das Bundesverfassungsgericht das Ergänzungsgesetz für die Montan-Mitbestimmung von 1988 teilweise für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz sollte das Ausbluten der Montan-Mitbestimmung verhindern und dadurch Mitsprache und Mitentscheidung der abhängig Beschäftigten in Großkonzernen sichern. Die Regelung unterwirft bisher montan-mitbestimmte Konzernobergesellschaften weiterhin der Montan-Mitbestimmung, wenn deren Umsatz Stahl- und Bergbaubereich nicht unter 20% beträgt oder die Beschäftigungszahl dieses Sektors nicht weniger als 2000 beträgt (§3 II Nr.1 und 2 MitBestErgG). Etwa 10 Jahre später erhob die "Deutsche Schutzvereinigung für den Wertpapierbesitz" für die Mannesmann AG Klage. Das OLG Düsseldorf hatte Zweifel an der verfassungsmäßigkeit und legte dem BVerfG nach Art. 100 GG zur Normenkontrollklage vor. Das BVerfG entschied daß es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sei, bei der Nichterfüllung der Wertschöpfungsquote von 20% Montananteil (§3 II Nr.1 MitBestErgG) allein auf die Beschäftigtenzahl im Montanbereich von mehr als 2000 (§3 II Nr.2) abzustellen. 1

Damit ist die arbeitnehmerfreundliche Montanmitbestimmung abgeschafft, woran auch die Lobhudeleien des BVerfG, sie ist wichtig und gut, nichts ändern und eher Abgesang und Grabrede (über Tote nur Gutes) sind. Die Sozialordnung der BRD ist zuungunsten der abhängig Beschäftigten verändert worden und soziale Demokratie, sozialer Rechtsstaat sowie Sozialbindung des Eigentums haben einen Bedeutungsverlust erlitten.

Gewerkschaftsveranstaltung aus dem Jahre 1968

Welche Bedeutung hat die Mitbestimmung im Unternehmen?

Unsere Wirtschaftsordnung wird durch Unternehmen geprägt, die Produkte auf dem Markt anbieten. Unternehmen sind juristische organisatorische Einheiten zur Verwirklichung eines wirtschaftlichen Zwecks. Der Zweck des Unternehmens wird im Aufsichtsrat festgelegt. Der Aufsichtsrat steht in der Mitte zwischen der Versammlung der Eigentümer (Aktionäre) und dem Vorstand, der die Geschäfte führt. Der Aufsichtsrat wählt einen Vorstand und überwacht dessen selbständige Geschäftsführung, beim Einsatz des Kapitals. In dieser Konstruktion des Marktes nach Eigentumsverhältnissen fehlen jedoch die Arbeitenden, sie sind von der Verwertung des Produkts ihrer Arbeit getrennt. Die arbeitenden Menschen treten nur noch als Kostenfaktor bei der Herstellung des Produktes auf, sie werden zu Arbeitnehmern, zu einer Ware. Damit diese Ware nicht zu billig wird, hohlen wir sie wieder ins Boot, beteiligen sie im Aufsichtsrat und nennen das Ganze Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Diese Mitbestimmung darf aber nicht zu weit gehen sonst schädigt es das freie Unternehmertum der Eigentümer(Art 14 GG).

Was soll Mitbestimmung?

Im Aufsichtrat der Unternehmen stehen sich diese unterschiedlichsten Interessengruppen gegenüber. Während die Aktionär Interesse an einer hohen Gewinnausschüttung haben, liegt es im Interresse der Beschäftigten die Löhne zu stabilisieren und zu erhöhen und das Gesellschaftsvermögen zu erhöhen, so daß dieses bei einem Einsparungsrisiko (Verlust von Marktanteilen bzw. nicht aussreichendes Wachstum) angetastet werden kann und keine Arbeitsplätze wegfallen. Auch werden sie sicherlich nicht einsehen, immense Gewinne (Dividende) auszuschütten, während ihre Einkommen sinken und Arbeitsplätze vernichtet werden. Der Einfluß von AN-Interessen hängt vom Grad der Beteiligung ab. Der Grad der Beteiligung ist im bundesdeutschen Recht unterschiedlich, am weitesten geht sie in der Montan-Mitbestimmung.

Geschichtliche Entwicklung

Nach der Revolution von 1918/19 sollte in der Weimarer Republik eine Wirtschaftsdemokratie eingerichtet werden. Art. 165 WRV ging von einer umfassenden Mitbestimmung der arbeitenden Bevölkerung an wirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmen durch Betriebsräte, Bezirksarbeiterräte und Reichsarbeiterrat aus. Diese Ordnung der Wirtschaft stieß auf Wiederstand der wirtschaftlichen und politischen (sowie juristischen) Eliten, die wegen des Scheiterns der Revolution weiter an den gesellschaftlich entscheidenden Punkten saßen. Dieser Wiederstand führte dazu, daß nur die Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene, durch das BetriebsverfassungsG von 1920, umgesetzt wurde und eine demokratische Mitbestimmung auf Kapitalebene scheiterte.

Der NS Faschismus stärkte die Vormachtstellung der monopolistischen Großkonzerne in den Schlüselindustrien und beseitigte die Mitbestimmung, die dabei nur hinderlich war.

Auf diese Art der Kapitalverwertung und Marktbeherrschung einzig im Interesse der Konzerne und der Verflechtung mit dem NS-Staat reagierte der allierte Kontrollrat und wollte die Konzerne entflechten und verstaatlichen. Um dieses zu verhindern, einigten sich die Eigentümer und die Gewerkschaften auf das Modell der Montanmitbestimmung, welches troz des Wiederstandes der Adenauerregierung durch den Druck der Gewerkschaften 1951 Gesetz (Montan-MitbestG) und 1956 novelliert wurde.2

In diesem Aufsichtrat sind nun Kapitaleigner und AN zu gleichen Teilen vertreten, bei streitigen Entscheidungen entscheidet ein "neutrales" Mitglied. Im Vorstand muß ein ArbeitsdirektorInnenposten besetzt werden, welcher in Personalangelegenheiten zuständig ist und nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Gewerkschaftsvertreter gewählt (abgewählt) werden kann.

Ziel war es die großen kapitalstarken Unternehmen, welche die Organisation und wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft bestimmen, unter eine Demokratische Mitbestimmung zu stellen "...denn das Ziel des Volkes ist viel sittlicher als das der Großen; diese wollen unterdrücken und jene nur nicht unterdrückt werden.“3. Damit konnten Betriebsräte und Gewerkschaften Einfluß auf grundlegende wirtschaftliche Entscheidungen nehmen. Zum ersten Mal hatten diejenigen, deren Existenz von ihrer Arbeit abhängt nicht nur ein Mitspracherecht sondern wegen der Konsenspflicht ein Mitenscheidungsrecht. Es brachen also fast sozialistische Verhältnisse im Sinne eines Arbeite mit, Plane mit, Regiere mit aus.

Die SPD wollte Anfang der 70'er die Mitbestimmung auf die gesamte Wirtschaft ausdehnen, dies scheiterte aber am liberalen Koalitionspartner, so daß 1976 ein allgemeines Mitbestimmungsgesetz erlassen wurde, welches das Kräfteverhältnis zugunsten der Kapitaleigner festlegte.

Im Aufsichtrat sind die AN zwar noch zur Hälfte vertreten aber ihnen sind die leitenden Angestellten zugeordnet, die Aufgrund ihrer Stellung der AG-Seite (Aktionäre) näher stehen. Bei streitigen Entscheidungen entscheidet der Vorstansvorsitzende, der von den Anteilseignern eingesetzt wird. Einen Arbeitsdirektorenposten gibt es nicht mehr. Mitreden ja, aber Mitbestimmen....

Gegen dieses Gesetz erhob die AG-Seite Verfassungsbeschwerde, weil ihr auch dies zu weit ging. Das BVerfG erklärte die Mitbestimmung 1976 und in einem Abwasch auch die Montanmitbestimmung 1979 für verfassungsgemäß4: "Das GG enthält keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung, es überläßt die Ordnung des Wirtschaftslebens dem Gesetzgeber. Dieser sieht in der Mitbestimmung eine gleichgewichtige und gleichberechtigte Teilnahme von Anteilseignern und ArbeitnehmerInnen am Entscheidungsprozeß im Unternehmen. Die ökonomische Legitimation (fremde Leitungs- und Organisationsgewalt) ist durch eine soziale (institutionelle Beteiligung) zu ergänzen. Der Gesetzgeber muß die Gestaltungsfreiheit beim Unternehmensrecht so ordnen, daß die unterschiedlichen und einander widersprechenden Interessen berücksichtigt werden.".

Das beste Instrument Interessen zu berücksichtigen, ist Demokratie, ist die Mitbestimmung. Die Gewerkschaften betrachten die paritätische Montan-Mitbestimmung als wünschenswertes Modell für die gesammte Wirtschaft. Auch Arbeitsminister und Gewerkschafter Walter Riester lobt die Konsenskultur der Mitbestimmung und setzte sich für die Montanregelung ein. 5

Nach 1976 setzte durch Ausgliederungen, Fusionen, Konzernumbildungen ect. eine Auflösung (Flucht aus) der Montanmitbestimmung ein, die durch das Gesetz von 1988 gebremst werden sollte. Dies gelang nicht, da von dem Ergänzungsgesetz nur ursprüngliche Konzerne erfasst wurden und z.B Thyssen Krupp als "neuer" Stahlkonzern mit 40% Montananteil nicht die 50% nach §1 MontanMitbG erreichte und somit nicht montanmitbestimmt wird. Das Gesetz war von vornherein nicht geeignet die Montanmitbestimmung zu erhalten. Nachdem 1992 noch 46 Unternehmen der Momtan-Mitbestimmung unterfielen, unterliegen mittlerweile nur noch zwei Kozerne der Montanmitbestimung: die Mannesmann AG und Klöckner Humboldt Deutz. Ergebnis ist eine schleichende, formalrechtlich abgesicherte Abschaffung von Demokratie in dem Bereich, der unser Leben am meisten präg, der Wirtschaft. Die Konzentrationsprozesse in der kapitalistischen Gesellschaft, die Monopolisierung von Industrie- und Finanzkapital sollten durch dieses Gesetz nicht aufgehalten und schon garnicht arbeitnehmerfreundlich gestaltet werden. Dies läuft dem Sinn und Zweck von Mitbestimmung entgegen.

Einordnung des Urteils

Sinn und Zweck der gestaffelten Mitbestimmung ist eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungen, je größer die strukturelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung, die Wirtschafts- und Finanzkraft des Unternehmens ist (Schlüsselindustrien, Finanzkonzerne). Diesem Zweck wird das Urteil nicht gerecht. Die unternehmerischen Entscheidungen haben großen Einfluß auf die Anforderungen, die an die AN gestellt werden und beeinflußen unmittelbar das Bildungswesen, die Arbeitmarktstruktur, die Chancen der AN ihr Brot zu erwerben. Nachdem das BVerfG die Mitbestimmung als nicht Nachteilig für die Unternehmen angesehen sowie Bedeutung und Sicherungswürdigkeit hervorgehoben hat blieb für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung kein Raum mehr. Es kann nicht die Differenzierung zwischen Alt- und Nicht- Montan-Unternehmen als grundsätzlich verfassungsrechtlich tragfähig angesehen werden, um dann doch den Unterschied als nicht verfassungskonform zu beurteilen. Das Urteil führt dazu, daß ein schlechtes Gesetz nun überhaupt keine Wirkung mehr entfaltet und die demokratischste Form der Mitbestimmung abgeschafft ist. Als kleiner Lichtstreif am Horizont erschein zwar die verfassungsrechtliche Würdigung der Montan-Mitbestimmung, so daß der rosa-grünen Regierung mit ihrem gewerkschaftlichen Arbeitsminister die Möglichkeit eröffnet ist diese Mitbestimmung auf die gesamte Wirtschaft der BRD auszudehnen. Mit ähnlichen Erfolgsaussichten kann ich auch hoffen, durch Arbeit reich zu werden.

Michael Wittich


  1. NJW 1999 Heft 11.   zurück

  2. Wesel , Fast alles, was Recht ist, S. 366 f.   zurück

  3. Machiavelli, Der Fürst, Reclam Leipzig 1976 S. 47.   zurück

  4. BVerfGE 50, 290.   zurück

  5. taz vom 25.11.1998.  zurück

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