Rettet das Leben von Mumia Abu-Jamal!
Der zur Todesstrafe verurteilte politische Gefangene Mumia Abu-Jamal
ist akut von der Hinrichtung bedroht.
Der mittlerweile 45-jährige hat eine lange politische Geschichte.
Die Zeitschrift analyse & kritik fasst sie so zusammen: Nach
seinen Worten wurde er 1968 »in die Black Panther Party hineingeprügelt«.
Gemeinsam mit drei anderen schwarzen Jugendlichen protestierte er damals
als 14jähriger gegen eine Wahlkundgebung des rassistischen Präsidentschaftskandidaten
George Wallace in Philadelphia - und wurde von den Umstehenden
(einschließlich einiger Polizisten) brutal zusammengeschlagen. Wenig
später schloss sich Jamal der revolutionären Schwarzen-Organisation
Black Panthers an und arbeitete zeitweise als Journalist für
deren Zeitung. Auch nach der blutigen Zerschlagung der Panthers durch
das Aufstandsbekämpfungsprogramm (»Cointelpro«) des FBI
und durch interne Streitigkeiten arbeitete Jamal als Journalist, vor allem
für verschiedene Radiosender in Philadelphia. U.a. durch seine polizeikritischen
Beiträge wurde er bald in der ganzen Stadt als »voice of the
voiceless« (»Stimme der Stimmlosen«) bekannt - und bei
der Polizei verhasst.
1978 berichtete Jamal von der polizeilichen Belagerung (wegen eines
Räumungsbefehls) gegen die Organisation MOVE , eine schwarze
»Zurück-zur-Natur«-Sekte in Philadelphia. Bei einem Schusswechsel
wurde ein Polizist getötet - mehrere MOVE-Mitglieder erhielten deswegen
langjährige Haftstrafen und befinden sich zum Teil noch heute im
Gefängnis. (Eine ähnliche Belagerung gegen ein anderes MOVE-Gebäude
endete im Mai 1985 mit einem Blutbad. Um die Bewohner zum Verlassen ihres
verbarrikadierten Hauses zu zwingen, wurde von einem Polizeihubschrauber
eine Brandbombe abgeworfen. Das Haus brannte vollständig nieder,
13 Menschen - darunter vier Kinder - kamen in den Flammen ums Leben.)1
Tatvorwurf bei der Verurteilung Jamals war ein angeblicher Polizistenmord
am 9. Dezember 1981. Durch Zufall kam er vorbei, als sein Bruder gerade
von dem Polizisten Daniel Faulkner zusammengeschlagen wurde (Anlass
war ein Verkehrsdelikt). Was dann geschah, ist bis heute ungeklärt.
Es kam zu einem Schusswechsel. Am Ende war Faulkner tot, Jamal lag schwer
verletzt (Bauchschuss) auf dem Gehweg. Er wurde verhaftet, zusammengeschlagen
und wäre beinahe verblutet.1
Jamal hat die Tat stets bestritten. Im Urteil wurde unterstellt, er habe
fünfmal aus nächster Nähe auf Faulkner geschossen, worauf
dieser, bereits am Boden liegend, sich verteidigt habe und Jamal in den
Bauch getroffen habe. Allerdings wies die Beweisaufnahme an vielen Punkten
derart eklatante Widersprüche auf, dass von gezielter Manipulation
gesprochen werden kann. Für diese (eben geschilderte, Red.)
Version präsentierte die Polizei mehrere Augenzeugen, die allerdings
allesamt wegen eigener krimineller Delikte von der Justiz erpressbar waren.
Andere Augenzeugen, die zu Protokoll gaben, dass ein dritter Mann nach
dem Schusswechsel davongerannt war, wurden nicht vor Gericht geladen.
Eine Untersuchung ergab, dass Jamals Schusswunde von oben herab entstand
- Faulkner kann also nicht bereits am Boden gelegen haben.1
Der Tatsachenbeweis wurde ersetzt durch das Zitieren der politischen
Gesinnung des Angeklagten. Um den Tötungsvorsatz zu beweisen, las
der Staatsanwalt aus einem Artikel vor, den Jamal 1970 für die Black-Panther-Zeitung
geschrieben hatte. Die Logik des Staatsanwalts: Jamal hatte die ganzen
Jahre nur darauf gewartet, einen Polizisten umlegen zu können - also
»Vorsatz«.1
Auch die - bei Unterstellen eines Schusses durch Jamal - mögliche
Notwehr zugunsten seines Bruders wurde nicht geprüft.
Zudem gehörten der 12-köpfigen Jury 10 Weiße an1
- die Vermutung einer rassistischen Befangenheit einzelner Laienrichter
ist daher nicht unbegründet.
Mumia
Abu-Jamal sitzt nun seit 18 Jahren in Haft. Aufgrund einer beispiellosen
internationalen Kampagne ist es gelungen, seine Hinrichtung zu verhindern
- trotz einer Gegenkampagne der in den dortigen Medien einflussreichen
örtlichen Polizeigewerkschaft. Seit 1992 kämpft Mumia Abu-Jamal
um die Wiederaufnahme seines Verfahrens. Dennoch hatte der Gouverneur
des Staates Pennsylvania am 1. Juni 1995 einen Hinrichtungsbefehl gegen
ihn unterzeichnet. Jamals Anwalt Len Weinglass rechnet damit, dass
dieser im Oktober dieses Jahres einen zweiten Hinrichtungsbefehl unterzeichnet.
Die Konsequenz kann daher nur lauten: beteiligt euch an Aktionen zur
Wiederaufnahme des Verfahrens, zur Rettung des Lebens und für die
Freiheit von Mumia Abu-Jamal.
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Analyse & kritik 380/1995 vom 01.07.1995.
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