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„Der Dekmantel von Gleichheit und Objektivität“1Was hat Rechtswisschenschaft mit Antisexismus zu tun? “Es mag auf den ersten Blick einseitig erscheinen, die Bedürfnisse und die Sichtweise einer bestimmten Personengruppe in den Vordergrund zu rücken. Bei näherem Hinsehen allerdings erweist sich das Recht selbst als einseitig. Es sind stets die männlichen Normen, die sich in den meisten Bereichen als vorherrschendes Muster erweisen.“2 In der nächsten Zeit wird euch mit unmissverständlicher Intensität die Bedeutung des Gutachtenstils nahegebracht werden. Dieser Text ist daher – ausschließlich! – als methodische Eingewöhnung gedacht. Zunächst der Sachverhalt - anzuwendende juristische Technik: wichtige Stellen pinkfarben oder neongrün markieren!
Es existiert das Phänomen der sogenannten „feministischen Rechtswissenschaft“, zu verzeichnen mit besonderer Intensität in den USA, aber mit steigender Tendenz auch in Westeuropa, die BRD eingeschlossen. Nachgewiesene Anzeichen sind ominöse Konferenzen wie der jährliche „Feministische Juristinnentag“, fragwürdige Medien wie die „STREIT. Feministische Rechtszeitschrift“ und mittlerweile sogar die Verschwendung öffentlicher Gelder in Gestalt eines Lehrstuhls für „Öffentliches Recht und Geschlechterstudien“ an der HU. In besagten Kreisen wird wiederholt behauptet, dass das bestehende Rechtssystem nicht neutral sei, sondern zur strukturellen Ungleichberechtigung der Geschlechter beitrage. Von dieser Grundannahme ausgehend werden diverse Theorien, Kritiken und Lösungsansätze formuliert. Daraus ergeben sich folgende Fallfragen: Kann der Grundthese der feministisch-juristischen Diskussion zugestimmt werden – insbesondere angesichts Art. 3 II S.1 GG: “Männer und Frauen sind gleichberechtigt“? Sind eventuell noch vorhandene Unterschiede nicht vielmehr das Resultat individueller Entscheidungen? Und vor allem: Wen interessiert das denn eigentlich bzw. ist das überhaupt spannend?? Ich (existenzieller Stilfehler: im Gutachten NIE in der 1. Person Singular sprechen! Recht hat abstrakt-unpersönlich und objektiv zu wirken, äh, zu sein.) werde mich nur der letzten Frage widmen, die ersten bleiben dem Selbststudium überlassen. Wir haben also folgenden Obersatz: Es ist zu untersuchen, ob die Auseinandersetzung mit „feministischer Rechtswissenschaft“ spannend ist. Definition: Spannend im studentischen Sinne ist, was gesellschaftliche Relevanz sowie eine Komponente der Auseinandersetzung („Spannung“) zwischen den AkteurInnen aufweist. Weiterhin müsste jedes Individuum einen persönlichen Bezug zu der Thematik aufbauen können. Zuletzt setzt die Charakterisierung „spannend“ voraus, dass die betreffende Thematik eine eigene intellektuelle Dynamik besitzt.3 Ich komme zur Subsumtion - Methodik: immer zuerst begründen, dann das Ergebnis liefern. Dabei so oft wie möglich „daher“, „demnach“, „mithin“, „somit“ usw. verwenden - diese Vokabeln sind unschlagbare Anzeichen für eine logisch schlüssige Argumentation. I. Zu prüfen ist ein möglicher persönlicher Bezug zur Thematik. (Argumentationsmittel: Empirie, unter JuristInnen normalerweise für irrelevant bzw. unglaubwürdig gehalten.) Der Frauenanteil der Studierenden in Deutschland liegt bei ca. 50%. Der Anteil der Professorinnen liegt demgegenüber bei 4-5%, bei den Rechtswissenschaften bei 3%. In Führungsschichten der Politik sieht es nicht bedeutend besser aus, in der Wirtschaft noch schlechter. Frauen verdienen durchschnittlich 2/3 des für die gleiche Arbeit gezahlten Männergehalts. Eine Ungleichberechtigung kann somit kaum geleugnet werden. Zumindest für die strukturell benachteiligte Hälfte der geneigten LeserInnenschaft dürfte dies einen konkreten persönlichen Bezug vermitteln. Die andere Hälfte darf sich, sofern sie sich nicht dem Vorwurf der macho-haften Ignoranz aussetzen will, herausgefordert fühlen. II.
Weiterhin stehen die span-nungsfördernde Komponente der Auseinandersetzung
sowie die behauptete gesellschaftliche Relevanz in Frage. Zunächst
eine historische Argumentation (auch juristisch anerkannt)
anhand der Entstehungsgeschichte des Art. 3 II GG. 61 Verfassungsväter
und 4 Verfassungsmütter lieferten sich am 18. Januar 1949 im Hauptausschuss
des Parlamentarischen Rates eine erregte Debatte. Anlass war der nun schon
zum dritten Male zu befassende Antrag von Elisabeth Selbert, der da lautete:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Zweimal bereits
abgelehnt, stand ihre Gesetzesvorlage aufgrund der heftigen öffentlichen
Proteste erneut zur Diskussion. Waschkörbeweise waren tagtäglich
Eingaben, Solidaritätsadressen, Forderungen und Protestschreiben
im Tagungsgebäude des Rates ausgeleert worden. Der erste Entwurf
für den Gleichheitsartikel war schlicht: „Alle Menschen sind
gleich“. Vorsichtig wurde darauf aufmerksam gemacht, dass dieser
absolute Gleichheitssatz irgendwie mit der Frauenfrage kollidierte und
so hieß dann der Gegenantrag seitens der CDU: „Männer
und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“
Hier ging es nicht um Wortklauberei, sondern um sehr unterschiedliche
Rechtsfolgen: aufgrund des CDU-Entwurfs wäre Frauen lediglich das
Wahlrecht und die Zulassung zu öffentlichen Ämtern gewährt.
Die Annahme des Selbert-Antrages hatte jedoch zur Folge, dass grundsätzliche
Bestimmungen des Familienrechts wegen Verfassungswidrigkeit geändert
werden mussten. Diese Angleichung vollzog sich in der Männerdomäne
Jurisprudenz schleppend und oftmals unzureichend. Regelungen wie der „Stichentscheid“,
der die letzte Entscheidung in allen Fragen, die das gemeinschaftliche
Leben und die Kindererziehung betreffen, dem Mann zusprach, die Bestimmung,
daß der Nachname des Ehemannes der Familienname wird, oder die Verpflichtung
der Ehefrau zur Mitarbeit im Geschäft des Mannes galten noch bis
1957. § 1356 BGB besagte noch bis 1976, dass Frauen den Haushalt
in „eigener Verantwortung“ zu führen hätten und
nur dann zur Erwerbstätigkeit berechtigt seien, wenn dies mit ihren
Pflichten in Ehe und Familie vereinbar sei, anderenfalls konnte gem. §
1358 der Ehemann unter Einschaltung des Vormundschaftsgerichts das Arbeitsverhältnis
seiner Frau ohne Kündigungsfrist lösen. Eine umfassendere Familienrechtsreform
fand erst 1976 statt. Dass sich aus einem Diskriminierungsverbot auch
die staatliche Pflicht zu aktiven Maßnahmen ergibt, wurde erst 1994
erkannt und Satz 2 in Art. 3 II GG angefügt: „Der Staat fördert
die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Noch länger hat es gedauert, bis Politik und Strafrechtswissenschaft
erkannt hatten, dass es auch in der Ehe Vergewaltigungen gibt.
IV. Zuletzt immer noch mal unmissverständlich das Ergebnis formulieren – falls sich der/die KorrekturassistentIn nicht durch das ganze Gutachten quälen will. Insgesamt ist demnach der feministischen Rechtswissenschaft – nach Bestehen der eingehenden Prüfung kann auf die Anführungszeichen verzichtet werden – das Prädikat “spannend” zu verleihen. Bleibt mir nur noch, zur detaillierteren Verifizierung des Ergebnisses und zum Selbststudium der nicht bearbeiteten Fallfragen den Feministischen Juristinnentag vom 9. bis 11. Mai 2003 in Berlin zu empfehlen sowie die Vorlesung “Recht und Differenzen. Einführung in Ansätze feministischer Rechtswissenschaft” bei Prof. Baer, dienstags von 18-20 Uhr, UL 9, 213 (und im Anschluss selbstverständlich zum akj einzuladen).
Ulrike
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1Baer, Streit 1-2/93, 18.
2Dahl in: Frauenrecht, 1992.
3Umis großes Definitionslexikon, 2002.
4Degen in: Justitias mißratene Töchter, Streit 1-2/93, S. 44.
5MacKinnon in: Auf dem Weg zu einer feministischen Jurisprudenz, Streit 1-2/93, 4, 8.
6Baer, Streit 1-2/93, 13, 17.
7vgl. BVerfGE 85, 191, 207.
8vgl. MacKinnon, s.o.
9Kutscha in: Frauen ans Gewehr, ansprüche 1/2 2000, 27.
10Kutscha, s.o.tungsgebührenordnungen für die Ausfertigung von Zweiturkunden vorgesehen ist.