akj



Home

Aktuell

Erklärungen

das
freischüßler

     Ausgabe 1/99
     
Ausgabe 2/99
     
Ausgabe 3/99
     
Ausgabe 1/00
     
Ausgabe 2/00
     
Ausgabe 3/00
     
Ausgabe 1/01
     
Ausgabe 2/01
      Ausgabe 1/02
     
Ausgabe 1/03

     
Ausgabe 2/03
      Ausgabe 1/04

     Ausgabe 1/05

      Ersti-Heft

Vorträge

Projekte

Seminare

Links

Impressum




Schöne neue Hochschulwelt oder
Was kosten zwei Pfund Bildung?

Wenn Du mit staunenden Augen durch die Humboldt-Universität gehst und der Geist der Jahrhunderte durch die inzwischen mit Bewegungsmeldern ausgestatteten Flügeltüren zu huschen scheint, wird Dir vielleicht klar, was es bedeutet, an einer Universität zu studieren. Doch von den Ideen und Intensionen, die den heutigen Namensgeber unserer Universität zu ihrer Gründung veranlasst haben, ist wenig übrig geblieben. Du beginnst Dein Studium in einer Zeit, in der mehr denn je an den Grundfesten des Hochschulsystems gerüttelt wird.


Was ist eigentlich die Universität? Diese Frage beantwortete mir ein älterer Kommilitone zu Studienbeginn wie es die Sendung mit der Maus für Fortgeschrittene nicht besser hätte tun können: „Also eine Universität, das ist so eine Institution, in der Menschen zusammenkommen, um zu lernen und zu forschen, das Gelernte weiterzugeben und das Erforschte zu diskutieren. Aus der Diskussion sollen dann neue Impulse für weitere Forschungen erhalten und das Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft als Forschungsfolgenabschätzung wach gehalten werden.“

Dieser einfachen Erklärung liegt ein bestimmter Bildungsbegriff zugrunde, der als Ausdruck der demokratischen Verfasstheit unseres Landes auf die Durchsetzung des Rechts auf Bildung zielt. Denn nur durch Bildung können wir Grundrechte wie das Recht des Individuums auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf soziale Teilhabe an den von der Gesellschaft erwirtschafteten materiellen Ressourcen und auf Partizipation an der demokratisch verfassten Gesellschaft wahrnehmen.

Demokratie muss mensch sich leisten können. In Zeiten leerer Kassen werden neue Leitbilder gesucht. Verkaufsschlager eben. Ebenso symptomatisch wie die zunehmenden Schwierigkeiten der öffentlichen Hand bei der Finanzierung staatlicher Aufgabenbereiche, sind deren Lösungsversuche auf Bereiche beschränkt, die fernab von Ideen steuerpolitischer Umverteilung auf die Einführung einer marktwirtschaftlichen „Selbstregulierung“ solzialer und ökonomischer Prozesse abzielen. Grundlage dafür ist die Verankerung des Wettbewerbes als marktorientiertes Bewusstsein in der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. Dieses Lieblingsspielzeug der neoliberalen Umstrukturierung von Staat und Gesellschaft hat bereits weite Verbreitung gefunden. Es tritt weitläufig als Trend zur Privatisierung sozialer Risiken auf, der neben den Bereichen wie Altersvorsorge, Gesundheit und Beschäftigung auch das Bildungssystem einschließt.

Dieser marktförmigen Ausrichtung der Hochschulen liegt auch ein neues Bildungsverständ-nis zugrunde. Danach wird Bildung nicht mehr aus volkswirtschaftlichen Überlegungen heraus als öffentliches Gut angesehen, sondern als käuflich zu erwerbende Dienstleistung. Nicht die Gesellschaft soll für die Finanzierung der Bildung verantwortlich sein, sondern das sich qualifizierende Individuum (also Du) selbst. Das Recht auf Bildung wird so zur Qualifzierungspflicht derer, die es sich leisten können. Denn auf dem Markt gibt es nichts geschenkt. Wo sich AnbieterInnen und KundInnen gegenüberstehen, wird meist nur noch über den Preis verhandelt. Der marktorientierten Umstrukturierung der Hochschullandschaft folgt daher die Studiengebühr.

Auf dem „Wissenschaftsmarkt“ sind Hochschulen als Dienstleistungsunternehmen zu begreifen. Als Anbieterinnen der Dienstleistung Studium konkurrieren sie miteinander um die Studierenden als Kundinnen und Kunden. An die Stelle des Modells einer politischen Steuerung des Hochschulwesens durch Partizipation seiner Mitglieder tritt die Vorstellung einer ökonomischen Steuerung über den Markt, auf dem sich die Hochschulen als Anbieterinnen und die Studierenden als Nachfragende der Ware Studium gegenüberstehen.

Als Kundinnen und Kunden des Dienstleistungsunternehmens Hochschule können die Studierenden eine echte Marktnachfrage entfalten. Dies setzt jedoch voraus, dass sie den Preis zum Erwerb der von den Hochschulen angebotenen Leistungen zahlen können. Deren Höhe bestimmt sich im Idealfall durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Insofern stellt die Einführung von Studiengebühren einen wichtigen Teilschritt bei der Implementation des Wettbewerbs als neuem Steuerungsprinzip in der Hochschulorganisation dar.

Dies geschieht auf zwei Ebenen. Zum einen dadurch, dass die Studierenden angesichts der steigenden Höhe der Gebühren schärfer kalkulieren müssten. Da das BAföG keine bedarfsdeckende Ausbildungsförderung mehr sicherstellt und 44% der Studierenden ohnehin nebenbei jobben, um ihren existentiellen Lebensunterhalt zu finanzieren, würden Studiengebühren bereits vorhandene Mechanismen der sozialen Ausgrenzung und Benachteiligung weiter forcieren. Dies ist naturgemäße Konsequenz der Blindheit marktwirtschaftlicher Steuerungskonzepte gegenüber der Anfangsausstattung und den Ausgangsbedingungen der MarktteilnehmerInnen.

Zum anderen werben die Hochschulen um die Kaufkraft der studentischen KundInnen, die nun zunehmend nach Qualitäts- und Kostenkriterien entscheiden, bei welcher Anbieterin sie ihre Hochschulausbildung erwerben wollen. Im Zuge des Konkurrenzkampfes der Hochschulen untereinander scheint eine immer stärkere Differenzierung zwischen Eliteuniversität und Aldi-Hochschule unvermeidlich. Nach dem Ruf der Hochschule wird sich auch die Höhe ihrer Studiengebühren richten, dabei ist eine Trennung zwischen Zahlungskraft des Studierenden und Qualität der Ausbildung kaum vorstellbar. Kurz: Die Kosten der Ausbildung sprechen auch für ihre Qualität.

Dieses Szenario dürfte sich jedoch nicht nur auf die Konkurrenz der Hochschulen untereinander beschränken. Auch der Selbsterhaltungskampf der Fachbereiche an der Universität wird sich darauf ausrichten. Dies betrifft vorrangig Studiengänge, deren Attraktivität sich nicht schon allein aus der praktischen Verwertbarkeit des Studiums auf dem Arbeits- und Innovationsmarkt ergibt. Sie müssen damit rechnen, dass die zahlungspflichtigen Studierenden sich nicht länger ihr Interesse oder ihren Wissensdrang werden finanzieren können.

Wegbereiter und notwendige Voraussetzung dieser Wettbe-werbsorientierung in der Hoch-schulorganisation ist die „Leistungs- bzw. Produktbewertung“ (Evaluation) und die auf ihr beruhende leistungsorientierte Mittelvergabe. Die Forderung nach einer Mittelzuweisung, die sich an erfolgs- und qualitätsorientierten Kriterien in Lehre und Studium bemisst, simuliert durch die Honorierung erfolgreicher Erbringung von Leistung einen zunächst rein fiktiven Absatz. Die Beurteilung des Erfolges der erbrachten Leistungen, nach der die Mittel verteilt werden, hat deren Bewertung durch Evaluationen zur Voraussetzung. Schließlich kann durch die Einführung von Studiengebühren eine echte Nachfrage von Kundinnen und Kunden an den Dienstleistungen der Hochschule geschaffen werden.

Bei der Evaluation von Lehr-leistungen und Studiengängen werden Daten gewonnen, die unmittelbar mit hochschulpolitischen Strukturentscheidungen verbunden werden können. Diese Verbindung findet in erster Linie durch die Mechanismen der leistungsorientierten Mittelvergabe statt. So konkurrieren die einzelnen Fachbereiche oder Studiengänge um die staatlichen Ressourcen, die ihnen in Abhängigkeit von der ihnen durch Evaluation zugeschriebenen Leistung im Vergleich mit den anderen Zurechnungssubjekten zugewiesen werden. Die im Evaluationsprozess gewonnenen Daten orientieren sich indes vor allem an betriebswirtschaftlichen Kriterien. Dies trägt den Vorstellungen von einer effizienten Unternehmensführung und Reduktion auf die ertragreichen Unternehmensteile Rechnung. Ein der Komplexität von Lehre und Forschung gerecht werdendes Regelwerk wird sich indes kaum auf betriebswirtschaftliche Datenberge begrenzen lassen. Vielmehr stellt sich im aktuellen Wahn der Vereinheitlichung und Vergleichbarmachung von Leistungen der unterschiedlichsten Bezugssysteme die Frage, ob und inwieweit wissenschaftliche Leistungen überhaupt einer Messung zugänglich sind.

Das neue Leitbild vieler Hochschulstrukturreformen, an deren Ende die Hochschulen als Dienstleistungsunternehmen für schnelle Berufsausbildung und absatzfähige Wissenschafts- und Forschungsarbeit glänzen, hält seinen glorreichen Einzug. Nicht nur in den Strukturen, auch in den Köpfen scheint es immer gegenwärtiger und gewünschter zu werden. Was einst mit Hochschulrankings in populären Nachrichtenmagazinen begann, ist längst zu einem Wettbewerbsdiktat geworden, dem sich die Studierwilligen schon vor Beginn ihres Studiums unterwerfen: Wieviel bist Du Dir wert? Wieviel Bildung kannst Du Dir leisten? Wissen ist Macht, aber was wissen wir schon . . .


micha


zurück