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Jura studieren - trotz alledem!




Es mag viele Gründe geben, warum sich junge Menschen entschließen, ausgerechnet Jura zu studieren. Vielleicht lockt die Aussicht auf guten Verdienst, treibt Papa mit weisem Zureden und hohen Erwartungen oder ist es gar der Traum vom Wissen um die Gerechtigkeit. In den meisten Fällen aber entscheiden sich Menschen für dieses Studium, denen nichts Besseres eingefallen ist, die noch unschlüssig sind und sich die lang gewordene Zeit in den Vorlesungen mit der Frage vertreiben, welchen Sinn das alles eigentlich haben soll. Und ob im Jurastudium überhaupt ein tieferer Sinn zu suchen ist.


Während dieses Studiums werdet Ihr schnell feststellen, das so ziemlich alles, was mit Recht zu tun hat, umstritten ist. Warum sollte also die Frage nach dem Sinn und Unsinn eines Studiums, das sich mit dem Recht beschäftigt, eine Ausnahme machen?

Im Großen und Ganzen gibt es zwei Strömungen: Radbruch sah den Geist durch das Recht verkümmert, verkrüppelt und verrenkt“1 - Prof. Redslob verglich das Jurastudium mit der Dressur von Zirkusflöhen, da diese gefangen in einer Zigarrenkiste, auf der eine Glasscheibe liegt, lernen, nur bis zur Glasscheibe zu hüpfen und diese Prozedur solange fortgesetzt wird, bis die Flöhe nur noch kriechen. Im freischüßler wurde diese These aufgegriffen und die Glasscheibe bei den Flöhen mit der 4-Punkte-Grenze bei Klausuren verglichen und damit die Gefahr der geistigen Verarmung während des Jurastudiums beschrieben.

Andererseits wird behauptet, dass dies alles nur „Vorurteile unserer Tanten“ seien und dass gerade solches „Geschwätz“ dazu führe, dass JurastudentInnen am Ende tatsächlich opportunistische Flohhirne würden. Das zuletzt Gesagte überzeugt natürlich vollständig, denn es ist allgemein bekannt, dass Missständen am effektivsten begegnet werden kann, wenn man sie konsequent und in aller Entschiedenheit ignoriert bzw. wegdiskutiert.

Aber wieder zum Ernst der Sache - zum Jurastudium und dessen Sinn und Unsinn. Letztendlich werdet Ihr Euch im Laufe der Zeit selbst ein Bild machen können, und überhaupt kommt es immer darauf an, was jeder und jede Einzelne aus dem Studium macht - oder juristisch gesprochen: es kommt auf die Bewertung aller Umstände des Einzelfalls an. Hier muss die Betonung aber auf „aller“ Umstände liegen. Das Jurastudium ist sehr starr und bietet wenig individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Der „Stundenplan“ steht fast so fest wie in der Schule, eigenständige Auswahl des Stoffes, der bearbeitet werden könnte, ist nur sehr begrenzt möglich usw. Die Versuchung, einfach die Scheine zu „erschlagen“ und zielstrebig auf das Examen zuzuarbeiten ist groß. Fragen nach dem Wesen des Rechts oder dem Inhalt von Begriffen wie Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Demokratie etc. bleiben auf der Strecke - dafür scheint keine Zeit zu sein.

Doch nicht verzagen: trotzdem Jura studieren und versuchen, sich aus dem üblichen Strudel zu lösen der zwangsläufig konservative, autoritätshörige, antidemokratische, ordnungsfanatische, geistig verarmte, marktkompatible Juristen und Juristinnen erzeugt. Lasst Euch nicht verrückt machen von der Masse des Stoffes und vor allem lasst Euch nicht unterkriegen. In diesem Sinne: Viel Spass beim Studieren und beim freischüßler-Lesen.


Kalle Klecks



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1Gustav Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 12. Auflage, 1969, S. 271.