Entstehung des Entwurfs

Folgende EU-Richtlinien (RL) sollen umgesetzt werden:

Antirassismus-RLvon 2000

Rahmen-RLvon 2000

Gleichbehandlungs-RL von 2002

Vierte Gleichstellungs-RLvon 2004



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Hätte schlimmer kommen dürfen

Was die Privatautonomie der Mehrheitsgesellschaft von einem Antidiskriminierungsgesetz zu befürchten hat

Ab Juli 2005 sollte es in Deutschland ein Antidiskriminierungsgesetz (ADG) geben. Nichts Besonderes für viele andere Staaten, aber hierzulande ein Anlass für massive Polarisierung. Dass der Entwurf tatsächlich noch vor einer vorgezogenen Bundestagswahl Gesetz wird, ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Vermittlungsausschuss unwahrscheinlich. Ein Blick auf den aktuellen Entwurf empfiehlt sich jedoch für eine zukünftige Debatte, wenn der Schutz vor Diskriminierung nicht weiter zugunsten unternehmerischer Interessen verwässert werden soll.

Granny Weatherwax


Der Hintergrund, vor dem der aktuelle Gesetzesentwurf1 (ADG-E) erarbeitet wurde, besteht hauptsächlich aus vier EU-Richtlinien, die sich auf mehrere Diskriminierungsmerkmale beziehen. Ihnen liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Diskriminierungen im Bereich des Zivilrechts für viele Menschen ein akutes Problem darstellen und mit einem modernen Grundrechtsverständnis nicht zu vereinbaren sind. In der deutschen Debatte um den Entwurf, welcher die Bereiche des Arbeits- und des allgemeinen Zivilrechts regelt, äußerten sich Gewerkschaften und Betroffenenvertretungen generell zustimmend – verbunden mit der Forderung nach weitergehenden Bestimmungen. ArbeitgeberInnen- und andere Unternehmensverbände reagieren dagegen mit heftiger Ablehnung und verzeichnen einen Angriff auf die Privatautonomie und auf die bürgerliche Freiheit.2

Die Schaffung eines ADG wurde bereits 1998 im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis-Grünen vereinbart. Trotzdem hat es bis Mai 2002 gedauert, bis ein erster Entwurf unter Federführung der damaligen Justizministerin Däubler-Gmelin entstanden ist – und nach massiver Kritik der Kirchen und des ArbeitgeberInnenlagers nicht weiter verfolgt wurde. Wegen Nichtbeachtung der Umsetzungsfristen der Antira- und der Rahmen-Richtlinie leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD ein, was offensichtlich für den nötigen Druck sorgte: Ende 2004 wurde endlich ein neuer Entwurf vorgestellt, der im Januar 2005 die erste Lesung im Bundestag durchlief. Dieser Text wurde nach Anhörungen vor dem Ausschuss für Familie, Soziales, Frauen und Jugend im März 2005 erneut verändert, hauptsächlich in Richtung einer Absenkung des Schutzniveaus.3


Einheitliche Struktur für mehr Transparenz

Die Umsetzung der Richtlinien erfolgt im Wesentlichen durch das eigenständige ADG; Änderungen in bestehenden Gesetzen betreffen eher Randthemen. Damit unterscheidet sie sich vom vorherigen Entwurf, der die Antidiskriminierungsvorschriften jeweils in die einzelnen Gesetze einfügte, und deswegen auf Kritik von Betroffenenverbänden gestoßen ist. Für einE JuristIn mag es dogmatisch klarer und übersichtlicher sein, neue Regelungen in bestehende Gesetze einzufügen. Den Rechtsschutz erschwert es aber bedeutend, wenn Betroffene sich die relevanten Normen aus BGB, ZPO u. a. zusammensuchen müssen. So sehr zwar heute eine professionelle Beratung bei der Rechtsverfolgung notwendig geworden ist, so ist es weiterhin erforderlich, gegen diese tendenziell undemokratische Entwicklung gegenzusteuern und die selbstständige Information nicht zusätzlich zu erschweren. Außerdem wird so auch das politische Signal deutlicher, was gerade bei der hohen gesellschaftlichen Relevanz von Antidiskriminierungspolitik wichtig ist.


Horizontaler Ansatz statt Hierarchisierung von Merkmalen

In § 1 ADG-E werden die Merkmale, aufgrund derer Benachteiligungen unzulässig sind, benannt: „Rasse/ethnische Herkunft“ (im Original ohne Anführungszeichen), Religion/Weltanschauung, Behinderung, sex-uelle Identität und Geschlecht.

Hier muss auch schon die erste schwerwiegende Kritik am Entwurf geäußert werden: es gibt keine menschlichen „Rassen“, die Verwendung dieses Begriffs ist daher „falsch und irreführend“.4 Im deutschen Sprachraum wird „Rasse“ immer noch – anders als im englischen – nicht als politische Kategorie für die Zielgruppe von Rassismus, sondern als biologisches Konzept verstanden. Die Existenz einer solchen biologischen Kategorie kann wissenschaftlich nicht belegt werden, worauf sowohl die Antira-Richtlinie der EU wie auch das ADG-E hinweisen. Die trotzdem erfolgende Verwendung dieses Begriffs wird idR damit begründet, dass die Vorstellung von men-schlichen Rassen trotzdem Grund von Diskriminierungen ist und dieses Phänomen benannt werden muss. Dafür können aber auch Formulierungen wie „zugeschriebene Rasse“, „so genannte Rasse“ oder „rassistische Diskriminierung“ verwendet werden. Die biologistische Fehlvorstellung wird durch die Verwendung im Gesetz weiter transportiert, da die klarstellenden Anmerkungen in der öffentlichen Debatte und bei der Rechtsanwendung nicht auftauchen. Vielmehr hat sich in Politik und Medien teilweise der Begriff „Rasse-Richtlinie“ eingebürgert – mit der Folge, dass die Vorstellung der Existenz unterschiedlicher menschlicher Rassen bestärkt wird. Diese Übernahme eines Sprachgebrauchs, deren Wertungen gerade bekämpft werden sollen, steht dem eigentlich erforderlichen gesamtgesellschaftlichen Umdenken entgegen.5

Sehr positiv ist dagegen zu bewerten, dass alle Diskriminierungsmerkmale aus Art. 13 EU-Vertrag einheitlich behandelt werden. Diese Vorgehensweise weicht insofern von den Richtlinien ab, als dass dort zwischen so genannter Rasse und Geschlecht einerseits und den sonstigen Merkmalen andererseits differenziert wird: nur für erstere werden Regelungen nicht nur im Arbeitsrecht, sondern auch im allgemeinen Zivilrecht verlangt. Der horizontale Ansatz des ADG, der diese Unterscheidung nicht vorsieht, trägt dem Gedanken Rechnung, dass eine effektivere Bekämpfung von Diskriminierung stattfinden kann, wenn betroffene Gruppen nicht voneinander isoliert, sondern übergreifende Diskriminierungsmechanismen als solche erkannt und bekämpft werden. Rechtssubjekte und Betroffene sind nicht spezifische Gruppen, sondern einzelne Individuen. Insofern soll auch einer Hierarchisierung von Merkmalen entgegengewirkt werden, wie sie beispielsweise beim Merkmal Geschlecht verzeichnet werden kann: Frauen-, Gleichstellungs-, oder Gender-Mainstreaming-Beauftragte gibt es mittlerweile in den meisten Institutionen, anders sieht es bei den anderen Gründen für Ungleichbehandlungen aus.


Angewandtes ADG diskriminiert die Wirtschaft?

§ 2 ADG-E bestimmt als Anwendungsbereich alle Bereiche des Arbeitslebens, im allgemeinen Zivilrecht den Zugang zu öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen einschließlich Wohnraum sowie Bildung, Sozialschutz und Gesundheitsdienste. Indem der Entwurf den Anwendungsbereich des allgemeinen Zivilrechts nicht nur für die Merkmale (sogenannte) Rasse/ ethnische Herkunft und Geschlecht, sondern auch für die anderen Merkmale eröffnet, geht er über die europarechtlichen Vorgaben hinaus. Auf konservativer und neoliberaler Seite hat dies für Entrüstung gesorgt – begründet weniger mit einem spezifischen, auf die Merkmale und besonderen Diskriminierungsformen bezogenen Argument, sondern mit einer allgemeinen Ablehnung von Antidiskriminierungsrecht. So hält der Bund Deutscher Arbeitgeber die EU-Richtlinien an sich für „verfehlt“.6 Insofern solle die Bundesregierung das tun, wozu sie europarechtlich verpflichtet ist, aber bloß keinen Deut mehr.

Damit gelangen wir zu dem Kernpunkt der Kritik von konservativer und wirtschaftsliberaler Seite: „Eingriff in die Privatautonomie“ und „Zunahme an Bürokratie“. Da auch unter den bestehenden Regelungen Diskriminierungen sittenwidrig seien, eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen würden und gegebenenfalls über §§ 823 ff BGB, Art. 2 I, 1 I GG ersatzfähig seien, würde das ADG Eulen nach Athen tragen.7 Dieser Einwand ist nicht gänzlich verkehrt, aber: für die im deutschen Athen herrschende Mäuseplage sind offensichtlich noch nicht genügend Eulen da. Wer die Realität von Diskriminierungsbetroffenen wahrnimmt, erkennt, dass die gegenwärtige Gesetzeslage nicht ausreicht, um bspw. gegen „Türkentarife“ von Kfz-Versicherungen – höhere Tarife für Nichtdeutsche aufgrund einer behaupteten statistisch höheren Unfallwahrscheinlichkeit –, systematische Verweigerung von Wohnraum und geschlechtsspezifische Arbeitslöhne vorzugehen.8

Von einem erschreckenden Maß an Ignoranz zeugt auch die mantra-ähnliche Bedrohung der Freiheit durch Gleichheit, letztere durch das ADG erzwungen. Dabei verkennen die KritikerInnen, dass es in einer Gesellschaft jenseits einer darwinistischen Sozialstruktur um die gleiche Freiheit aller gehen sollte und dass umgekehrt eine uneingeschränkte Freiheit nur für wenige und nur auf Kosten anderer bestehen kann. Wenn Menschen mit migrantischem Hintergrund, einer Behinderung oder der „falschen“ sexuellen Orientierung der Zugang zum Wohnungsmarkt oder zu einem Club abgesprochen wird, kann von deren Privatautonomie keine Rede sein. Das Zusammenspiel von Freiheit und Gleichheit prägt seit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung die Rechtslage, und gerade das Grundgesetz verlangt bei der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung eine Abwägung im Sinne der praktischen Konkordanz.9 Eine rechtlich unbeschränkte Privatautonomie existiert also zu Recht schon lange nicht mehr. Zwingende Normen im Schuldrecht und der Typenzwang im Sachenrecht werden als normal – und sinnvoll – angesehen. Den VerfechterInnen der Vertragsfreiheit ist entgegenzuhalten, dass gerade umfassender Diskriminierungsschutz der Freiheit dient.10 Leider ist diese offensive Argumentation von der Bundesregierung als Initiatorin des Entwurfs selten zu vernehmen. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass das Benachteiligungsverbot ja nur mit vielen Einschränkungen gilt, also im Einzelfall immer Raum für eine Abwägung zwischen Diskriminierungsschutz und sachlichen Gründen für eine unterschiedliche Behandlung ist. Gerade diese massiven Einschränkungen begründen aber die Gefahr, dass das ADG zum Papiertiger wird.


Diskriminierung – ausnahmsweise – zulässig

Eine positiv zu bewertende Ausnahme regelt § 5 ADG-E: spezifische Fördermaßnahmen sind weiterhin zulässig. Ansonsten lassen die Detailregelungen eine gesellschaftliche Wirksamkeit unwahrscheinlich werden:

Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gilt nur für Massegeschäfte (bei denen der Person der Vertragsgegenseite typischerweise keine Bedeutung zukommt), nicht aber für Geschäfte im persönlichen Nähebereich, § 19 I Nr. 1 und V ADG-E. Diese Bestimmungen stellen keine angemessene Einzelfallabwägung mehr sicher, sondern sind so unklar und weit formuliert, dass sie Rechtsschutzlücken begründen, wo das ADG gerade Abhilfe schaffen sollte. Eine Orientierung der/des einzelnen am Gesetzestext wird damit verhindert. Der Rechtsprechung steht es frei, weite Teile von diskriminierungsanfälligen Geschäften aus dem Regelungsbereich herauszunehmen. Die gleiche Gefahr besteht für das arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot, zu welchem Ausnahmetatbestände sachliche Gründe für zulässige Ungleichbehandlungen bestimmen und dabei so unkonkrete Begriffe wie „entscheidende berufliche Anforderung“, „legitimes Ziel“ und „angemessen“ verwenden, §§ 8 I, 10 ADG-E.

Bei Wohnraumvermietung kann auch der Aspekt der „ausgewogenen“ Sozialstruktur eine Benachteiligung zulässig machen, § 19 III ADG-E. Dadurch wird erneut der Rechtsprechung die eigentliche Entscheidung überlassen. Darüber hinaus hat die Bestimmung einen perfiden Unterton, da sie sich in der Praxis ausschließlich gegen schwächere soziale Schichten richten wird, deren Auswahl auf dem Wohnungsmarkt ohnehin eingeschränkt ist. Es ist kaum zu erwarten, dass mit dem Hinweis auf die einheitlich westeuropäische und damit unausgewogene Sozialstruktur einem deutschen Double-Income-No-Kids-Ehepaar die Anmietung eines Lofts in Berlin-Mitte verweigert wird.

Eine massive Lücke im arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbot begründet § 9 ADG-E. Dort wird Religionsgemeinschaften und den ihnen zugeordneten Einrichtungen die Diskriminierung aufgrund von Religion/Weltanschauung gestattet, wenn eine bestimmte Überzeugung „nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“ Erneut also ein alles für die Rechtsprechung offen lassender Ausnahmetatbestand, der insbesondere auf das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft abstellt. In der bisherigen Praxis wird nicht nur für den Kernbereich von Lehre und Verkündigung, sondern beispielsweise auch für pflegerische Tätigkeiten Kirchenmitgliedschaft verlangt. Vor dem Hintergrund, dass kirchliche Träger in der Sozial- und Gesundheitsbranche häufig ein Monopol haben und dabei weitgehend öffentlich finanziert werden, kann diese massive Diskriminierung staatlich nicht hingenommen, geschweige denn weiterhin subventioniert werden.


Rechtsschutz und Rechtsfolgen

Der Entwurf wählt einen individuellen Ansatz zur Bekämpfung von Diskriminierung, indem er einen individuellen Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz gewährt, §§ 15 I, II, 21 III ADG-E. Ein Anspruch auf Vertragsschluss besteht im Arbeitsrecht nicht, im allgemeinen Zivilrecht nur, wenn der Vertragsgegenstand noch verfügbar ist.

Ein Verbandsklagerecht, welches von Betroffenenverbänden gefordert wurde, wird nicht eingeführt. Antidiskriminierungsverbände erhalten aber Beteiligungsrechte und die Möglichkeit, abgetretene Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Dabei bleibt zweifelhaft, ob diese Variante genügt, um die strukturelle Unterlegenheit von Diskriminierungsbetroffenen auszugleichen: Bei Vertragsverhältnissen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, insbesondere bei Arbeitsverhältnissen, muss ein Individuum, dass sich gerichtlich z.B. gegen diskriminierende Entlohnung wehren will, ein erhebliches Maß an Mut aufbringen. Bei einzelnen Diskriminierungen, die in der Summe der Betroffenen eine wirksame Diskriminierungsstruktur ergeben, kann trotzdem für den/die einzelne BetroffeneN eine Rechtsverfolgung zu aufwendig sein – bspw. beim verweigerten Zutritt zum Club. Für Klagen gegen mittelbare Diskriminierungen, die von den Richtlinien wie vom ADG explizit umfasst sind, ist eine detaillierte Kenntnis der Strukturen erforderlich, die durch einzelne Benachteiligte kaum zu erlangen ist.11 Insofern wäre ein stärkerer kollektiver Ansatz überaus wichtig, der Entwurf bleibt dahingehend hinter den Erwartungen zurück.

Wie eine Benachteiligung vor Gericht zu beweisen ist, ist Gegenstand weiterer unternehmerischer Kritik: die angeblich vorgesehene Beweislastumkehr lade dazu ein, unbegründete Prozesse zu führen, und stelle Unternehmen vor unzumutbare Dokumentationspflichten. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine Beweislastumkehr, sondern nur um eine Beweiserleichterung, ähnlich wie in § 611a I S. 3 BGB für Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, aber auch im Arzt- und das Produkthaftungsrecht. So wird darauf reagiert, dass Betroffene in aller Regel keinen Zugriff auf die kompletten Informationen haben. Daher genügt die Glaubhaftmachung anhand von Tatsachen, der/die Beklagte kann den Gegenbeweis antreten. Die behauptete Prozessflut ist auch nach Einführung des § 611 a BGB nicht eingetreten

Ein weiterer Vorwurf bezieht sich auf den „Tugendstaat“: Das ADG knüpfe Sanktionen an individuelle Motive und widerspreche damit dem klassisch liberalen Freiheitsverständnis der Privatautonomie, welches eine „staatliche Motivzensur“12 verbiete. Bei dieser Argumentation wird ignoriert, dass die Schadensersatz gewährenden Tatbestände an konkreten, diskriminierenden Handlungen ansetzen. Motive werden erst bei der Prüfung von Ausnahmetatbeständen relevant. Auch andere zivilrechtliche Tatbestände – wie §§ 123, 438, 444, 826 BGB – enthalten subjektive Elemente. „Geregelt wird keine Tugend, sondern Gerechtigkeit.“13

Die Vehemenz der unternehmerischen Kritik wirkt angesichts der undramatischen Erfahrungen mit Antidiskriminierungsrecht in anderen Ländern unangemessen. Sie erzeugt aber gleichzeitig die Hoffnung, dass das ADG tatsächlich eine gewisse Wirkung entfalten könnte und sich die – als Pro-Argument vorgetragene! – Vorhersage der Bündnis-Grünen Bundestagsfraktion nicht erfüllt: „Kaum sind Antidiskriminierungsgesetze tatsächlich in Kraft, verfliegt die ganze Aufregung.“14 Ein effektives Eintreten gegen Diskriminierungen muss zwangsläufig für Aufregung sorgen, nämlich bei denjenigen, die diskriminieren.


Institutioneller Rückhalt: die Antidiskriminierungsstelle

Die – von den EU-Richtlinien vorgeschriebene – institutionelle Komponente setzt der Entwurf durch die Einrichtung einer zentralen Stelle beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend um. Diese Stelle soll mehrere Aufgabengebiete wahrnehmen: Unterstützung einzelner Betroffener, Analyse, Politikberatung und Öffentlichkeitsarbeit. Auf einen Unterbau auf Landes- und Kommunalebene wurde verzichtet, um ein Zustimmungserfordernis des Bundesrates zu umgehen. Aus dieser infrastrukturellen Schwäche ergibt sich die Frage, ob der Einrichtung überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommen wird, da Präsenz vor Ort eine wesentliche Voraussetzung für die Unterstützung Betroffener ist.15


Letztendlich

Angesichts der oft unklaren Formulierungen bleibt abzuwarten, wie sich die juristische und institutionelle Praxis gestalten wird. Ein epochaler Umbruch im Alltagsleben ist jedenfalls nicht zu erwarten, weder für diejenigen, die diskriminiert werden, noch für die, die diskriminieren. Die Hoffnung besteht aber, dass ein politisches Signal von dem Gesetz ausgeht und ein gesellschaftliches Umdenken gefördert wird. Bis dabei auch staatliche Diskriminierung – u. a. durch die Residenzpflicht, die AsylbewerberInnen das Verlassen des ihnen zugewiesenen Landkreises verbietet,16 und das Asylbewerberleistungsgesetz, welches AsylbewerberInnen und Geduldeten nur einen Bruchteil der Sozialleistungen für Deutsche zugesteht – als Verstoß gegen den Gleichheitssatz anerkannt und das Diskriminierungsmerkmal Staatsangehörigkeit generell abgeschafft wird,17 dauert es vermutlich noch ein paar Legislaturperioden ...

Granny Weatherwax

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1vom 15. Dezember 2004, BT-Drs. 15/4538, www.spdfraktion.de/rs_datei/0,,4395,00.pdf

2Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand in: www.awm-online.de/awm_kurzinfo/ku02_050126.html

3Synopse der Änderungen: www.spd fraktion.de/rs_datei/0,,5047,00.pdf

4So bereits 1997 Leskien, Dan: Der Schutz vor rassistsicher Diskriminierung im bundesdeutschen Recht, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Berlin, Fachtagung, 14./24.6.1997.

5Auch „ethnische Herkunft“ bzw. „Ethnie“ ist wohl als Konstrukt anzusehen. Die betreffende Diskussion würde hier aber den Rahmen sprengen.

6Beschluss des Präsidiums der BDA vom 24.1.2005.

7Säcker, „Antidiskriminierungsrecht besiegt Vertagsfreiheit“, in: Die Welt, 11.2.2005.

8Vgl. u.a. zu rassistischer Diskrikimi-nierung R.J. Hamm, „Das doppelte Anderssein. Die Lebenssituation von Menschen binationaler Herkunft in der Bundesrepublik Deutschland“, www.adb-berlin.org/documents/binatio nale.pdf, und zu Diskriminierung wegen Behinderung www.netzwerk-artikel-3.de/zag/009.php.

9BVerfGE 89, 214.

10Baer, Susanne: „Ende der Privatautonomie‚oder grundrechtlich fundierte Rechtsetzung? Zur deutschen Debatte um Antidiskriminierungsrecht“, in: ZRP 35, 7/2002, S. 292; Bielefeldt/Follmar-Otto: „Diskriminierungsschutz in der politischen Diskussion“, Policy Paper des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

11Raasch, „Vom Verbot der Geschlechtsdiskriminierung zum Schutz von Diversity“, in: KritJ. 4/2004, S. 397.

12Säcker.

13Baer, S. 294.

14Pressemitteilung vom 18.02.2005, www.gruene-fraktion.de/cms/presse/dok/59/59408.laenderkritik_am_ antidiskriminierungsges.htm

15Stellungnahme des Interkulturellen Rats, www.interkultureller-rat.de/Themen/Stellungnahmen/ADG-E-Stellungnahme-IR-Endfassung.pdf

16vgl. Gerloff, Volker: „Die Residenzpflicht ist verfassungswidrig“, das freischüßler 1/03, S. 6 - 9.

17Eine weitere Debatte, die hier den Rahmen sprengen würde.