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Werden in der BRD die Menschenrechte
politischer Gefangener beachtet?
Wenn in diesen Tagen die Sonntagsreden über "50 Jahre Grundgesetz"
gehalten werden, werden die staatlichen Maßnahmen gegen die Rote
Armee Fraktion (RAF), die im Jahr 1977 einen Gipfelpunkt hatten, entweder
ausgeblendet oder mit Formeln wie "der Staat hat sich in der Stunde
seiner Bedrohung bewährt" abgehandelt. Kein Wort über die
Verletzung von Gefangenen- und Verteidigerrechten, die ständige Repression
gegenüber unabhängigen linken Gruppen ebenso wie Leuten, die
einfach verdächtig wurden, weil sie in einer WG wohnten, kein Wort
über die Verletzung der in den höchsten Rechtsnormen garantierten
subjektiven Rechte - vom Internationalen Pakt über bürgerliche
und politische Rechte (IPbürgR)1
der Vereinten Nationen über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten (EMRK)2 des
Europarats bis hin zum Grundgesetz. Dabek ist dies keineswegs nur Geschichte.
Noch immer sitzen sieben Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) in
deutschen Gefängnissen. Die Sonderbehandlungen, denen diese unterworfen
sind, zeigen, daß Rache an die Stelle rechtsstaatlicher Prinzipien
getreten ist.
I. Isolationshaft
Isolationshaft gibt es in drei Formen, der Einzelhaft, der Kleingruppenisolation,
und der - hier so bezeichneten - besonderen Beschränkung der Kommunikation.
Gemein ist allen Formen eine weitgehende Verhinderung der Kommunikation.
So wird die Post - einschließlich die Verteidigerpost - kontrolliert
und zensiert und Besuche werden durch Beamte der politischen Polizei überwacht.
1. Formen
a) Einzelhaft
Bei der Einzelhaft gemäß § 89 StVollzG wird der
Gefangene von Kontakten zu anderen Gefangenen und zu Menschen außerhalb
der Haftanstalt nahezu vollständig abgeschnitten. Einzig der Kontakt
zu seinem Rechtsanwalt und eventuell zu nahen Angehörigen bleibt
möglich.
Die Fenster der Zellen sind dabei so konstruiert (z.B. Sichtblenden aus
Lochblech), daß die Kontaktaufnahme zu anderen Gefangenen nicht
möglich ist. Die Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen wie Gottesdienst
oder Sport ist untersagt. Die Gefangenen dürfen bei Vorführungen
und beim Duschen nicht mit anderen Gefangenen zusammen kommen. Sie haben
"Hofgang" einzeln, und zwar oft nicht im Freien, sondern auf
einem überdachten Platz innerhalb des Gefängnisgebäudes.
Die Gefangenen werden vor und nach jedem Besuch, auch dem eines Verteidigers,
bei völliger Entkleidung und Umkleidung körperlich durchsucht.
In der Praxis werden die Hafträume der Gefangenen häufig durchsucht
und eingesehen; dabei werden auch Gegenstände beschlagnahmt.3
b) Kleingruppenisolation
Bei der Kleingruppenisolation wird eine kleine Zahl von Gefangenen gemeinsam
in einem Hochsicherheitstrakt untergebracht und haben dort täglich
eine bestimmte Zeit Kontakt untereinander, sind aber von Kontakten zu
anderen Gefangenen und zur Außenwelt wie bei der Einzelhaft ausgeschlossen.
c) Besondere Kommunikationsbeschränkung
Neben diesen Formen ist es auch möglich, daß der Gefangene
zwar den oben genannten allgemeinen Bedingungen der Isolationshaft ausgesetzt
ist, aber an Gemeinschaftsveranstaltungen mit anderen Gefangenen in eingeschränktem
Maß teilnehmen kann. Auch dann ist es berechtigt, von Isolationshaft
zu sprechen.
2. Kontaktsperre
Verschärft werden kann die Isolationshaft schließlich noch
durch die anläßlich der Entführung des BDA- und BDI-Präsidenten
Hanns-Martin Schleyer eingeführte Kontaktsperre gemäß
§§ 31 ff. EGGVG. Bei ihr wird gemäß § 31
Satz 1 EGGVG "jedwede Verbindung von Gefangenen untereinander und
mit der Außenwelt einschließlich des schriftlichen und mündlichen
Verkehrs mit dem Verteidiger" unterbrochen. Dies bedeutet u. a.,
daß die Gefangenen ausschließlich Kontakt zu amtlichem Personal
haben und keine Zeitungen und Zeitschriften erhalten; Radiogeräte
werden ihnen weggenommen.
Bei der in der UN-Menschenrechtskommission kritisierten "Incomunicado-Haft"
"wird der Gefangene vollständig von jedem Kontakt zur Außenwelt
abgeschnitten. Besuche von Anwälten und Angehörigen werden nicht
erlaubt. Es werden keine Informationen über die Bedingungen, unter
denen der oder die Gefangene lebt, gegeben. Der oder dem Gefangenen wird
nicht erlaubt, Briefe zu schreiben oder Bitten an jemanden außerhalb
zu schicken. Die einzigen Personen, zu denen er oder sie Kontakt hat,
sind die, die ihn gefangenhalten, oder manchmal andere Gefangene, die
das gleiche Schicksal teilen."4
Nach dieser Beschreibung entspricht also die Incomunicado-Haft weitgehend
der Kontaktsperre. Der zitierte Bericht bezeichnet sie als "ideale
Bedingung für Folter"
II. Isolationshaft gegenüber den Gefangenen aus der RAF
1. Haftstatut
Die Gefangenen aus der RAF wurden den geschilderten Haftbedingungen unterworfen.
Im Detail wurden diese in einem 23-Punkte-Haftstatut festgelegt. Die zugrunde
liegenden richterlichen Anordnungen sind in sämtlichen Bundesländern
unter der Regie von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesanwaltschaft (BAW)
vereinheitlicht worden. Dieses 23-Punkte-Haftstatut wurde in den 90er
Jahren bei Birgit Hogefeld (von der Verhaftung 1993 bis zur Rechtskraft
des Urteils 1997) genauso angewandt wie Anfang der 70er Jahre.
2. Der Isolationshaft dienende Architektur
a) Hochsicherheitstrakte
Hervorzuheben ist, daß die Isolationshaft im Fall der Gefangenen
aus der RAF anfangs in sogenannten "Toten Trakten" bzw. isolierten
Abteilungen realisiert wurde, etwa ab Mitte bis Ende der 70er Jahre in
Hochsicherheitstrakten. Zu den Kennzeichen dieser Trakte gehören
ständige Beleuchtung, fast völlige Stille, Zellen mit weiß
gestrichenen Wänden, an die nichts gehängt werden darf, weiß
gestrichene Möbel und fast ständige Beobachtung. Die Gefangenen
in den Trakten waren dort nicht nur von den anderen Häftlingen sozial
getrennt, sondern die Isolation war so weitreichend, daß sie die
Existenz anderer Gefangener weder visuell noch akustisch wahrnehmen konnten.
Das heißt, daß sie unter den Bedingungen sensorischer Deprivation
isoliert waren. Diese spezielle Isolation ist von Angehörigen der
Gefangenen einmal so charakterisiert worden: "Die Barbarei des Mittelalters,
die Augen auszustechen, die Zungen abzuschneiden, die Sinnesorgane zu
zerstören, ist heute durch eine wissenschaftlich entwickelte Foltermethode
perfektioniert worden: die sensorische Deprivation. Das ist der Versuch,
die Sinnesorgane `verhungern' zu lassen. Vernichtung durch Isolation ist
Entzug von sinnlichen Empfindungen, Kommunikation, Menschen, Bewegungen,
von Leben. Die Gefangenen wird nicht die physische Fähigkeit der
Sinnesorgane entzogen, sondern ihr Inhalt. In dieser Form der Folter liegt
der Grund dafür, daß sie als Folter so unvorstellbar ist für
den, der ihr nicht ausgesetzt ist."
In den Hochsicherheitstrakten wurde diese Isolation architektonisch perfektioniert.
b) Trennscheibe
Zu der architektonischen Gestaltung der Isolation gehört ebenfalls
die Trennscheibe, eine zentimeterdicke Glasscheibe, die Gefangene und
Besucher trennt. Gesprochen werden muß durch einen Schlitz bzw.
ein paar Löcher. Während die Rechtsgrundlage § 148
II 4 StPO nur von Anwaltsbesuchen spricht, war die Trennscheibe bis weit
in die neunziger Jahre hinein allgemeine Praxis, auch bei Angehörigenbesuchen.
Der Anwalt von Rolf Heissler konnte jetzt kürzlich nach 20 Jahren
das erste Mal seinen Mandanten ohne Trennscheibe besuchen.
3. Isolation über Jahre
Alle Gefangenen haben mehrere Jahre Einzel- und Kleingruppenisolation
erlitten. Am längsten wohl Bernd Rössner mit 17 Jahren Einzelisolation.
Er erhielt 1992 Haftverschonung aus medizinischen Gründen und wurde
später auf Antrag seiner Mutter begnadigt.
III. Rechtliche Bewertung
1. Isolationshaft
Alle Maßnahmen werden - der Titelüberschrift der §§ 81
ff. StVollzG entsprechend - immer mit der Sicherheit und Ordnung begründet.
Dies erscheint z.B. in bezug auf das vollständige Entkleiden und
Durchsuchen vor und nach einem Besuch mit Trennscheibe und Überwachung
besonders abwegig. Amnesty international (ai) sagte dazu 1980 im Memorandum
an die Bundesregierung (BReg): "Diskussionen mit Sachverständigen
bringen ai zu der Schlußfolgerung, daß es möglich ist,
Sicherheit mit menschlicher Behandlung in Einklang zu bringen, und daß
die derzeitige extreme soziale Isolation der Häftlinge unter strengen
Sicherheitsbedingungen deshalb ungerechtfertigt ist. " Die Begründung
der durchgeführten Maßnahmen mit der Sicherheit erscheint deshalb
unglaubwürdig. Objektiv dienen sie allein der Verstärkung der
sensorischen Deprivation.
a) GG
Der BGH erkannte zwar in einer Entscheidung vom 22.10.75 die besondere
Isolation der Gefangenen und ihre erhebliche gesundheitliche Schädigung,
hob aber nicht etwa die Isolation auf, sondern beschied, daß die
Gefangenen aufgrund ihrer "Gefährlichkeit" für ihre
Isolation und deren Folgeschäden selbst verantwortlich sind. Dem
BGH zufolge beruhte die "Gefährlichkeit" der Gefangenen
nicht, wie sonst offiziell behauptet, auf einzelnen strafrechtlich relevanten
Handlungen, sondern auf ihrer politischen Gesinnung, genauer gesagt: auf
ihrer fehlenden Loyalität gegenüber diesem Staat.
Besonders deutlich wird dies daran, daß die Isolationshaft auch
auf Gefangene angewendet wird, denen lediglich Unterstützung oder
Werbung für eine terroristische Vereinigung (§ 129a III
StGB) vorgeworfen wird. AI kommentiert dies so: "Im Falle von Gefangenen,
deren Anklage auf gewaltlose Verbrechen lautet, wurden ebenfalls extreme
Sicherheitsmaßnahmen angeordnet."5
Generell gilt, daß die für jeden einzelnen Gefangenen festgelegten
Haftbedingungen keinen direkten Bezug zu der individuellen Beurteilung
des Häftlings haben. AI betont, daß Sachverständige auf
dem Gebiet des Strafvollzugs betonen, daß eine solche individuelle
Beurteilung unabdingbar ist.
Die Haftbedingungen stellen deshalb eine seelische und körperliche
Mißhandlung i. S. d. Art. 104 I 2 GG dar und verletzen
das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit der Gefangenen aus
Art. 2 II GG.
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Sartorius II, Nr. 20. zurück
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Sartorius II, Nr. 130. zurück
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Empell, Hans-Michael, Die Menschenrechte
der politischen Gefangenen in der Bundesrepublik Deutschland,Köln
1995, S. 86 ff.;
Bakker Schut, Pieter u. a., Todesschüsse, Isolationshaft,
Eingriffe ins Verteidigungsrecht, 4. Auflage, Berlin 1995, S. 15.
Beide Bücher werden zur Lektüre empfohlen; sie untersuchen
neben den hier behandelten Haftbedingungen auch die Eingriffe in das
Verteidigungsrecht sowie Todesfälle in den Gefängnissen
und bei der Fahndung. zurück
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UN-Dokument E/CN.4/1986/15, S. 26 f.
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Amnesty international, Arbeit zu den Haftbedingungen in der BRD,
Mai 1980, S. 16. zurück
Dieser Artikel wird in der nächsten Nummer des "Freischüßlers"
(Nr. 3) fortgesetzt. Hier bereits das Inhaltsverzeichnis des zweiten
(und letzten) Teils:
b) EMRK
c) IPbürgR
d) Europ. Folterkonvention
2. Beschränkungen für Verteidiger
3. Haftdauer
IV. Schlußfolgerungen
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