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Antwort des akj auf den offenen
Brief von Studens iuris Birger
Dölling
Liebe akj-Leute,
Eure kürzlich erschienene Informationsschrift "das
freischüßler" zwingt zum Widerspruch.
Aktiver Pazifismus erfordert nicht das ewige Wiederkäuen
fremder Phrasen, sondern die Entwicklung eigener, neuer Ideen. Wenn man
solche nicht hat, sollte man es zugeben. In der aktuellen, von Ratlosigkeit
gekennzeichneten Lage wird jeder dafür Verständnis haben.
Lieber Birger!
Die Entscheidungsträger in Bonn, Washington, London und Paris sind
um die Menschenrechte in Jugoslawien besorgt und "ratlos". Sie
warten nur darauf, daß jemand kommt und "eigene, neue Ideen
entwickelt".
Wenn man diesem, durch die Medien vermittelten Bild glaubt, ist es nur
folgerichtig, wenn man für die "destruktive" Kritik des
akj kein Verständnis hat. Wir haben in der zitierten Erklärung
und in dem Artikel davor (das freischüßler, 1/99, 15
f.) diese Sichtweise gerade widerlegt und gezeigt, daß es der NATO
ausschließlich um Machtinteressen geht. Beweismittel ist hier insbesondere
der Text des Vertragsentwurfs von Rambouillet. Das nähere hierzu
kann auch in unserer aktualisierten Fassung der
Erklärung nachgelesen werden.
Wir haben für unsere Positionen nie den Begriff "Pazifismus"
in Anspruch genommen. Wenn aber nun anscheinend die Worte "aktiver
Pazifismus" für einen Standpunkt gebraucht werden, der den Krieg
akzeptiert, fragt es sich, auf wen der Vorwurf des Gebrauchs von Phrasen
denn eher zutrifft.
Der Satz "Krieg wird wieder zu einem regulären Mittel
der Politik" (Eure Erklärung auf S.16) ist in den letzten Jahren
so oft gefallen, daß man inzwischen den Eindruck hat, die Welt sei
vor zehn Jahren noch ein wahrer Friedenshort gewesen. Kurz: Ihr könnt
diesen Satz nicht verwenden, weil Ihr damit impliziert, daß die
Bundesregierung einmal einen antimilitaristischen Kurs vertreten habe.
Das ist aber ganz offenbar Eure Meinung nicht (S.16, selber Absatz).
Zudem überseht Ihr, wenn Ihr solches sagt, daß wir
alle, und mag dies auch zynisch klingen, dem Krieg ein Dasein verdanken,
in dem man solche Sätze sagen darf, ohne in Lebensgefahr zu geraten.
Oder wie hätte Eurer Ansicht nach eine politische Lösung des
Falles Hitler aussehen können? Wohlgemerkt: es geht um die prinzipielle
Möglichkeit, einen solchen Satz zu sagen. Es geht nicht um einen
Vergleich zwischen Hitler und Milosevic; diesen aus historischer Perspektive
anzustellen muß künftigen Generationen vorbehalten bleiben.
Die beiden nach Deiner Meinung mit dem Satz "Krieg wird wieder zu
einem regulären Mittel der Politik" verbundenen Implikationen
können wir logisch nicht nachvollziehen. Der Tatsache, daß
die BRD erst durch Hochrüstung, dann durch Auslandseinsätze
und in jüngerer Zeit durch die Drohung eines Angriffskriegs immer
eine militaristische Politik betrieben hat, ändert doch nichts an
der neuen Qualität, daß erstmals ein Krieg nicht nur angedroht,
sondern auch tatsächlich geführt wird. Unerklärlich bleibt
auch, wieso daraus, daß in einer historisch einmaligen Situation
selbstverständlich das Handeln der Alliierten des Zweiten Weltkrieg
ohne jeden Abstrich gerechtfertigt war, folgt, daß man nicht in
der Gegenwart gegen Krieg als reguläres Mittel der Politik (z. B.
der Machterweiterung der NATO) protestieren soll. Im übrigen sollte
die Einmaligkeit der Verbrechen des Nationalsozialismus auch nicht in
verklausulierter Form in Frage gestellt werden.
Ich hoffe auf nichts mehr als auf eine friedliche Beilegung
des Konfliktes. Das, wenngleich ich die Chancen schwinden sehe angesichts
der unnachgiebigen Haltung der Vereinigten Staaten und der mangelnden
Emanzipation der am Krieg beteiligten europäischen NATO-Mitglieder.
Aber auch hier kann man zu konsensualen Ergebnissen nur gelangen auf dem
Wege sachlicher, nachvollziehbarer und streitbarer Argumentation.
Dasselbe gilt auch für fast alle anderen Artikel. (Schade
übrigens, daß kein einziger von ihnen namentlich gekennzeichnet
war.)
Die Redaktion des "freischüßlers" wurde im Impressum
vorgestellt, wobei auf die namentliche Kennzeichnung einzelner Artikel
verzichtet wurde. Das ist eine durchaus übliche und in keiner Weise
unredliche Praxis.
Der Austausch bloßer Überzeugungen und Polemiken
kann in der politischen Diskussion nie zu dauerhaften Ergebnissen führen.
Ganz gleich, ob auf Schülerzeitungsniveau: "die ach so freiheitlichen
und demokratischen USA" (S.13) oder schon recht menschenverachtend:
"Die tatsächliche Reaktion bei den Betroffenen sah anders aus.
Der Staat rief - ihr Speichel war gefragt - da ziehen sie also aus, um
ihren Speichel herzugeben" (S.9). Ganz schön dumm müssen
wohl Bürger sein, die so etwas tun. Gut, daß Ihr klüger
seid.
Zu allen Zeiten gab es Menschen und soziale Gruppen, an denen Kritik
tabu war. Früher waren dies die Kirche und die Territorialfürsten.
Heutzutage kann man PolitikerInnen, KapitalistInnen, Banken, IntressenvertreterInnen
und praktisch jedeN kritisieren und beschimpfen, ohne daß es jemanden
stört. Wehe aber, man wagt eine vorsichtige Kritik an der Bevölkerung
als ganzem, an dem "Volk". Dann fallen schnell die Worte "zynisch"
und "menschenverachtend". So wird bei der Kommentierung rechtsextremistischer
Wahlergebnisse stets darauf hingewiesen, daß nicht die WählerInnen
dieser Parteien rechtsextremistisch seien, sondern nur eine kleine Gruppe
von Drahtziehern. Daher stellt die von Dir zitierte Formulierung (S. 9)
denn in der Tat eine Gotteslästerung dar, für die wir uns schämen.
Was diese Fakultät bitter nötig hat, ist ein arbeitskreis
kritischer juristlnnen.
Mit besten Grüßen
Birger Dölling, stud. iur.
Der akj wird auch in Zukunft ein Forum kontroverser Argumentation sein.
Alle kritisch denkenden Menschen innerhalb und außerhalb des Fachbereichs
Jura der HUB sind eingeladen, bei uns mitzuarbeiten.
Mit antimilitaristischem Gruße
Die Studentes iuris (= sich um das Recht Bemühenden) des akj.
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