Editorial
Verben oder sterben!
|
|
Schwerpunkt: Feind(straf)recht |
|
Feindstrafrecht
Anmerkungen zu einer vergangenen Debatte mit offenem Ausgang
von
Severus Snape
Alle Zeiten haben ihre Themen. Unter den postmodernen Debatten unserer Zeit
firmiert z. B. die These vom »Ende der Staatlichkeit«: Von außen unterliegt der
Nationalstaat einer Erosion seiner Souveränität, innen gehen ihm Glaubwürdigkeit
und soziale Integrationskraft verloren. Wird er einerseits durch das »Empire«
als einer imperialen Weltordnung geschluckt, die auf eine Geschlossenheit des
nationalen Rechtssystems verzichten kann, wächst in seinem Innern ein Netzwerk
von Frustrierten heran, für die Nation und Wohlstand das staatliche Gewaltmonopol
längst nicht mehr rechtfertigen. Es ist eine feindliche Welt, meint
der Strafrechtler Günter Jakobs: »Eine Gesellschaft, der die Stützen einer staatskonformen
Religion ebenso abhanden gekommen sind wie diejenigen der Familie
und in welcher die Nationalität als eine zufällige Eigenschaft verstanden wird,
lässt den Einzelnen zahlreichen Möglichkeiten, am Recht vorbei eine Identität
aufzubauen. Hinzu kommt die Sprengkraft so genannter Multikulturalität – ein schieres Unding.« Doch Jakobs ist keiner, der dies nicht als Herausforderung
für ein »modernes Staatsrecht« begriffe. Mit seiner Reaktivierung des »Feindstrafrechts« legte er ein zeittypisches Konzept vor, an dem sich nicht nur
StrafrechtlerInnen abarbeiten mussten. Die nunmehr bereits mit Promotionen
bedachte und fürs Erste zum Stillstand gekommene Debatte war mehr als eine
Verortung von Freund und Feind, von Normgeltung und Strafzwecklehre. Sie rührte
an die Grundfragen vom Begriff des Rechts und der Würde des Menschen, die – so scheint es – im Bundestag zur Abstimmung stehen. |
|
Psychoanalytische Kriminologie versus
Feindstrafrecht
Gedanken zum Verhältnis von Gesellschaft
und StraftäterInnen
von
Sarah Ehlers
In die Strafrechtsreformdiskussion der
1960er und 70er Jahre wurde eine psychoanalytisch
inspirierte Außenseiterposition
hineingetragen: Die Mitverantwortung
der Gesellschaft für Kriminalität sollte in
den Vordergrund gestellt werden. Diese
Gedanken wurden damals im Kampf gegen
das Vergeltungsstrafrecht eingesetzt.
Heute sind sie für aktuelle Diskussionen
etwa um Terrorismus-Bekämpfung relevant. |
|
Ist Rechtswissenschaft
geschlechtslos?
Die universitäre Nicht-
Thematisierung von
Sexismus
von
Hannah Blum
Im Jurastudium kommen Geschlechterverhältnisse
kaum vor. Für die rechtswissenschaftliche
Dogmatik soll das
Geschlecht irrelevant, das Recht objektiv
und sachlich sein. Sexismus findet jedoch
auch innerhalb der Rechtswissenschaft
statt und muss auch dort sichtbar gemacht
werden, um Diskriminierung in der Uni
und in der Gesellschaft zu bekämpfen.
|
|
Für immer weggesperrt – Sicherungsverwahrung
in der
anwaltlichen
Praxis
Interview mit dem Berliner Strafverteidiger
Sebastian Scharmer
Fragen:
Antonia Rebel & Micha Plöse
Aus Anlass der umstrittenen Freilassung des
wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger
verurteilten Uwe K. in Brandenburg (Havel)
entbrannte 2007 die Diskussion um Versäumnisse
bei der Sicherungsverwahrung von Sexualstraftätern.
Neben der häufigen Ansicht,
die eine solche Maßnahme unkritisch und
generell bejaht, unter Umständen sogar deren
Verschärfung fordert, meldeten sich auch
jene Stimmen, welche die Sicherheitsverwahrung
unter anderem aus verfassungsrechtlicher
Perspektive als höchst problematisch
betrachten, da sie für die Inhaftierten oft
einen perspektivlosen Freiheitsentzug jenseits
der Strafe darstellt und auch im Bereich
der Vermögensdelikte Anwendung findet. Das
folgende Interview stellt eine solche Kritik
an Sanktionen und Sicherungsmechanismen
und an dem damit verbundenen Ausdruck
staatlicher Repression dar.
Die mit dieser Kritik zwangsläufig einhergehende
Umdefinition der Täter zu Opfern
ist jedoch im Bereich der Straftaten gegen
Leib und Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung
nicht hinnehmbar, so eine weiter
differenzierende Ansicht. Die bloße Abschaffung
der Maßnahme der Sicherungsverwahrung
wäre in keiner Weise eine Antwort
auf das Problem, wie mit Menschen, die auf
die Freiheit und Selbstbestimmung anderer
Menschen keine Rücksicht nehmen, umgegangen
werden soll. Keine Straftaten wirken
so traumatisierend und zerstörend wie solche
gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Eine
Abwägung eventueller Opfer mit den Freiheitsrechten
potentieller Täter unterschätze
das Problem.
Die sehr unterschiedlichen Konsequenzen
der verschiedenen Ansichten bedingen, dass
eine einseitige Sicht auf die Problematik der
Sicherungsverwahrung unbedingt zu vermeiden
ist. Dieses Interview soll daher den
Einstieg in eine notwendige Auseinandersetzung
bilden, die in den folgenden Ausgaben
des freischüßlers ihre Fortsetzung finden wird. |
|
Anatomie des Feindes
Die Geschichte der Assassinen
oder die Mutter aller Verschwörungen
von
Franziska Roy & Micha Plöse
Wieso fahren junge, in Deutschland aufgewachsene Menschen, die scheinbar alle Vorzüge
dieser Gesellschaft genossen haben, in Ausbildungslager terrorverdächtiger
Organisationen und kehren als Mugahid zurück? Wie kommen interessierte Studierende,
denen die Welt offen steht, dazu, sich als Selbstmordattentäter in die Luft zu
sprengen? Das sind Fragen, die sich nach den Anschlägen in New York 2001, Madrid
2004 und London 2005 nicht nur in Geheimdienstkreisen mit dem Begriff ›homegrown
terrorists‹ verbinden. Dahinter verbergen sich nicht selten diffuse Vorstellungen
von den nicht integrierbaren Anderen, die trotz aller Anpassung nie dem Bild entsprechen
werden, das wir uns von uns selbst machen: Und ›wir‹ leben im Schrecken
vor denjenigen unter ihnen, deren Anpassung nur Tarnung ist – den ›Schläfern‹. Die
Angst vor den Anderen, jenen die sich »wie der Teufel in Engel des Lichts verwandeln,
indem sie Gebärde, Kleidung, Sprache, Sitte und Benehmen vieler Völker nachahmen«,
ist alt. Schon in den Berichten von Kreuzfahrern über den ismailitischen Geheimbund
der Niza¯riyya verfestigen sich Stereotype über jene ›fanatischen Glaubenskrieger‹, die
als Assassinen berühmt und berüchtigt wurden. Ein Vergleich mit einem der großen
Orientalismus-Bestseller des frühen 19. Jahrhunderts (Jhd.) verdeutlicht wie die aktuelle
Terror-Debatte sich aus dem Fundus eines alten Diskurses bedient und wie sich
das Schattenspiel ›unserer‹ eigenen Ängste periodisch zu wiederholen scheint. |
|
Guantanamo auf
Griechisch
Psychopharmaka
und Isolation –
zeitgenössische Folter
im Rechtsstaat
von
Verena F. & H.
Der Prozess gegen die griechische »Revolutionären Organisation 17. November« trägt
in vielerlei Hinsicht spezifisch griechische Züge. Er verdient dennoch internationale
Aufmerksamkeit, damit das Folterverbot in Europa nicht in aller Stille begraben wird. |
|
FRONTEX mit Fallschirm
von Sencilla Simplon
Alle reden von Frontex. Leider gerät die Leserin angesichts der vielen Texte, Verträge und Verordnungen zur europäischen Grenzschutzagentur schnell ins Trudeln. das freischüßler gibt eine Einführung mit Fallschirm…
|
|
Autonomie
und europäische Flüchtlingspolitik
Rezension
von
Matthias Lehnert
Europas Zäune werden immer höher, die Festung wird beständig ausgebaut, und
Migration nach Europa wird in geraumer Zukunft kaum mehr möglich sein – so sehen
die gängigen Analysen und Zukunftsvisionen aus, wenn es um die europäische
Migrationspolitik geht. |
|
Recht und Politik |
|
Gebissen und gestraft
Im Freiburger Hundebiss-Fall wird das Opfer verurteilt
von
John Philipp Thurn
In einem deutschen Gerichtssaal. Ein Mann fragt einen Anderen, wieso dieser seinen
Hund auf ihn gehetzt habe. In einem normalen Strafverfahren ist der Hundehalter
wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Im Prozess, der vom 22. bis 25. Januar
2008 am Amtsgericht Freiburg stattfindet, ist jedoch alles anders. Was damit zu tun
haben könnte, dass der Gebissene aus Nigeria stammt – und dass der Hundehalter
Polizist ist.
|
|
Da könnte ja jeder kommen
Identitätskontrollen beim Einlass zur Hauptverhandlung
und das Öffentlichkeitsprinzip
von
Boris Breun
Mitte März 2008 hat in Stuttgart-Stammheim unter verschärften Sicherheitsbedingungen
das § 129b-Verfahren gegen vermeintliche Unterstützer der türkischen
Untergrundorganisation »Revolutionären Befreiungsfront« (DHKP-C) begonnen. Ein
Detail: laut sitzungspolizeilicher Anordnung darf nur als ZuhörerIn am Prozess teilnehmen,
wer der Ablichtung des eigenen Ausweises zustimmt. Begründung: Die Kopien
sollen der Identifizierung von StörerInnen der Hautpverhandlung dienen. Ein Verstoß
gegen das Öffentlichkeitsprinzip bei Gerichtsprozessen? |
|
Abtreibung in Spanien
Restriktives Gesetz und Auslegung
zwischen gentlemen’s
agreement und Verfolgung
von
Kirsten Achtelik
Nach dem Tod Francos 1975 kam es in Spanien zu
großen sozialen Bewegungen, unter anderem entstand
eine kraftvolle Frauenbewegung. Eine ihrer
Hauptkampagnen war der Kampf für das Recht auf
Abtreibung. Doch das Gesetz, das 1985 in Kraft trat,
erschien den Aktivistinnen unzureichend. Zur Zeit
wird im Parlament über eine weitere Liberalisierung
debattiert. |
|
Arbeitgeber-Lobby schreibt Gesetze
Der Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes der
Bertelsmann
Stiftung
von
Sonja Mangold
Von der Öffentlichkeit bislang wenig beachtet, betreibt die Bertelsmann Stiftung, 1977
vorrangig zwecks Steuervermeidung vom gleichnamigen Medienkonzern gegründet, bereits
seit einiger Zeit ein ehrgeiziges Unterfangen: die Zusammenfassung der auf eine
Vielzahl von Einzelgesetzen verstreuten individualarbeitsrechtlichen Regelungen zu
einem einheitlichen Arbeitsvertragsgesetz (ArbVG). |
|
Intransparent und unkontrollierbar
Wahlcomputer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand
von
Jörg Pohle
Seit 1961 können Wahlgeräte bei Wahlen in der Bundesrepublik eingesetzt werden.
Lange Zeit handelte es sich dabei um mechanisch oder elektromechanisch arbeitende
Maschinen. 1999 fanden dann zum ersten Mal Wahlcomputer Verwendung, rechtlich
gefasst als »rechnergesteuerte Wahlgeräte«. Spätestens seit den US-Präsidentschaftswahlen
2000, bei denen das Versagen der Technik George Bush die Präsidentschaft einbrachte,
stehen Wahlgeräte und Wahlcomputer in der öffentlichen Kritik. |
|
Recht und Geschichte |
|
Militärhistoriker im Zwielicht
von
Helmut Kramer
Dass Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung immer in der Gefahr der
politischen Instrumentalisierung stehen und sich darin nicht von der Jurisprudenz
unterscheiden, ist bekannt. Für diese immerwährende Gefahr gibt es vor allem im Bereich
der Vergangenheitsaufarbeitung viele Beispiele. Das zeigt auch die Auseinandersetzung
um die Rehabilitierung der sog. Kriegsverräter. |
|
»Die Freigabe der Vernichtung
lebensunwerten Lebens«
Eine unheilvolle Schrift und ihr Jahrhundert
von
Lars Winkler
Wenige Jahre vor Erscheinen der Abhandlung »Die Freigabe der
Vernichtung lebensunwerten Lebens – Ihr Maß und ihre Form« im
Jahr 1920 formulierte der Mediziner und Schriftsteller Alfred Döblin
folgende Gedanken: »Die Menschen sind eine wunderbare Gesellschaft;
man kann eigentlich nur gut zu ihnen sein und sich seines
Hochmutes schämen.« |
|
Recht und Universität |
|
Festung Universität
Anmerkungen zum Beschluss
des Berliner Verfassungsgerichtshofs
vom 16. 9. 2008
(VerfGH 81/08 – 81 A /08)
von
Micha Plöse
Nachdem der Exzellenzwettbewerb für die meisten Berliner Universitäten erfolglos geblieben ist,
wird wieder über Geldprobleme diskutiert. 15.000 Studienplätze stünden auf dem Spiel, lassen
die Hochschulleitungen vernehmen. 30 Mio. Euro fehlen an der Humboldt-Universität (HU), die
Freie Universität (FU) – Eliteuniversität hin oder her – macht einen zusätzlichen Bedarf von 56
Mio. Euro jährlich geltend. An Elitekonzepten wird dennoch festgehalten und das gilt vor allem
für StudienbewerberInnen. Wer nicht zur Elite gehört, kann sich sein Recht auf Studium einklagen.
Das aber versuchen die Universitäten mit absurden Argumenten und teuren Anwälten
zu verhindern. Jetzt musste sogar der Landesverfassungsgerichtshof ein Machtwort sprechen. |
|
Kritisches hinter der Fratze der Macht?
Anmerkungen zum akj-Gruppenpraktikum 2008
von
Bernadete
Wer hat sich nicht schon mal die Frage gestellt, inwieweit mensch in der bestehenden
Rechtsordnung oder gar in der juristischen Ausbildung die Möglichkeit hat, seine/ihre
eigene kritische Betrachtungsweise gegenüber der bestehenden Rechtspraxis oder der
herrschenden Meinung zu behaupten? Eine kleine Anregung für Antworten auf zumindest
erstere der beiden Fragen konnte das diesjährige Gruppenpraktikum des akjberlin
an der HU geben. |
|
Das akj-Gruppenpraktikum – 2009 mal anders
Ein neues Konzept für ein bewährtes Projekt
vom
akj-berlin
Das Gruppenpraktikum des akj-berlin hat an den Juristischen Fakultäten Berlins schon
seit einigen Jahren seinen festen Platz als echte Alternative zum »Kofferträger-«
oder »Scheinpraktikum«. Manchmal reisen die TeilnehmerInnen sogar von weit entfernten
Unis an. Auch wenn das Praktikum sich in erster Linie an linke und engagierte
Jurastudierende richtet, nehmen auch solche Interessierte daran teil, die sich in den
theoretischen Untiefen des Jurastudiums nur nach etwas praktischer bzw. beruflicher
Orientierung umsehen wollen. In unserem neuen Konzept sind nun die Ergebnisse der
Befragung der TeilnehmerInnen und neue Ideen zu Moderation und Organisation aufgegriffen
worden. |
|
akj-Comic:
Exi X in Aktion
Exi
X informiert (seit 2006)
von Olaf M. Braun
seht
selbst... |
|