Sondervotum
Blog des akj-berlin
annex
Schriftenreihe
des akj
zu Recht und Politik
Erstsemesterheft
Ausg. 1/99
Ausg. 2/99
Ausg. 3/99
Ausg. 1/00
Ausg. 2/00
Ausg. 3/00
Ausg. 1/01
Ausg. 2/01
Ausg. 1/02
Ausg. 1/03
Ausg. 2/03
Ausg. 1/04
Ausg. 1/05
Ausg. 14|06
Ausg. 15|07
Ausg. 16|08
Ausg. 17|09
Ausg. 18|10/11
Ausg. 19|12/13
ISSN 1867 - 2124
Ausgabe 18 | 2010/11
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Editorial |
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Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einem Nichtannahmebeschluss vom 20. September 2007 entschieden, dass es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe nicht verwehrt sei, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Der verfassungsrechtliche Förderauftrag aus Art. 6 I GG berechtige den Gesetzgeber, die Ehe als eine Lebensgemeinschaft von Frau und Mann gegenüber anderen Lebensformen (hier die eingetragene Lebenspartnerschaft) herauszuheben und zu begünstigen. »Eine allgemeine rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe besteht im deutschen Recht nicht.« |
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Ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung wird für den gesellschaftlichen Erwerbsprozess nicht mehr benötigt. Diesen Menschen fehlt das Erwerbseinkommen. 6,54 Millionen Menschen beziehen Hartz IV, davon sind 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren, deren Anzahl stetig steigt.1 Unter diesen Voraussetzungen musste das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Februar 2010 über ein konkretes Normenkontrollverfahren entscheiden, welches die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für alle betraf. Grundsätzlich ging es bei diesem Urteil um mehr als nur die Höhe der Regelleistung, es ging um den existenziellen Begriff der Menschenwürde, um die Rolle, die Erwerbslosen in der deutschen Gesellschaft politisch zugeordnet wird. |
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Kaum eine Entscheidung auf europäischer Ebene hat solch heftige Reaktionen ausgelöst, wie die Mangold-Entscheidung des EuGH zum ungeschriebenen primärrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung. Nicht nur Roman Herzog – ehemaliger Bundespräsident und ehemaliger Präsident des BVerfG – forderte den offenen Verfassungskonflikt zwischen Karslruhe und Luxemburg, in dem er das BVerfG aufforderte: »Stoppt den Europäischen Gerichtshof«. Dieses sollte dem EuGH in der Terminologie des Lissabon-Urteils einen sog. ultra-vires-Akt bescheinigen. Auch die Reaktionen in der arbeitsrechtlichen Literatur waren von heftigster Polemik gegen die Entscheidung gekennzeichnet. Hintergrund dafür dürfte sein, dass das gesamte deutsche Arbeitsrecht von Regelungen durchzogen ist, die an das Alter der Beschäftigten anknüpfen. Dieser Beitrag möchte am wohl umstrittensten Punkt des arbeitsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung – den Höchstaltersgrenzen, die zu einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters führen – die These wagen, dass eine benachteiligunsfreie Ausgestaltung des Arbeitslebens nur um den Preis der Aufgabe gewohnter ArbeitnehmerInnenrechte zu haben ist. |
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Bereits in den letzten beiden Ausgaben haben wir versucht, uns dem Thema Sicherungsverwahrung mit zwei Interviews aus verschiedenen Perspektiven zu nähern: Der Strafverteidiger Sebastian Scharmer setzte sich kritisch mit diesem Sicherungsinstrument und seiner Realität im Strafvollzug auseinander und forderte dessen Abschaffung.(lesen) Die Strafrechtlerin Barbara Petersen berichtete vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als Nebenklagevertreterin von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Trotz großer Übereinstimmung mit den Positionen Scharmers, insbesondere hinsichtlich der schlechten Vollzugs- und Therapiebedingungen für Sicherungsverwahrte, sprach sie sich für die Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsverwahrung als ultima ratio aus, beschränkt auf schwerste Straftaten, die die persönliche Integrität von Menschen betreffen.(lesen) Mit dem nachfolgenden Interview des Brandenburgischen Justizministers Volkmar Schöneburg, 1991–1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Detlef Kraus an der Juristischen Fakultät der HU, wollen wir diese Interviewreihe beschließen und in der nächsten Ausgabe eine eigene Position vorstellen. |
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Das Wunsiedel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 2009 erinnert stark an einen schwedischen Bestsellerroman. Zumindest hat es alle erfolgsversprechenden Elemente: Eine Leiche, eine gefährliche im Untergrund der Gesellschaft agierende Organisation, die versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen, einen ohnmächtigen Staatsapparat, der nicht in der Lage ist dem Treiben Einhalt zu gebieten, einen Protagonisten, der um das Böse zur Strecke zu bringen sich nicht immer an das geschriebene Gesetz hält, sowie eine abstruse Verschwörungstheorie, die bis heute ihre Anhängerschaft findet. Bereits die ersten Zeilen des ersten Leitsatzes – § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar – verraten den zunächst völlig abwegig scheinenden Ausgang der erfolgreichen Fortsetzungsreihe zur Meinungsfreiheit und obwohl der Ausgang der Geschichte bereits nach den Leitsätzen feststeht, ist das Spannende an den nachfolgenden Zeilen der Weg mit all seinen Wendungen, der zu diesem Ausgang führt. |
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In seinem Urteil vom 22. Februar 2011 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass auch privat(isiert)er öffentlicher Raum nicht allein dem Gutdünken des Eigentümers untersteht, sondern ein Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung bleibt, in dem das Grundgesetz Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewährleistet. Auf diese Weise hat Karlsruhe die Grenzen des Privateigentums neu gezogen und zugleich dessen Sozialpflichtigkeit unterstrichen. Es reagiert damit auf die sich verschiebenden Orte öffentlicher Auseinandersetzung, die längst nicht mehr allein auf oder an der Straße zu finden sind. Ob damit zugleich dem Trend ein Riegel vorgeschoben ist, durch Kommerzialisierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Begegnungsräume lästige Kritiker_innen abzuschütteln, die lautstark oder in Pamphleten das »Elend der Welt« in die ungestörten Welten des Konsums tragen, bleibt abzuwarten. Die Verfassungsrichter_innen haben ihnen jedenfalls ein »Forum« geschaffen, auf das sie bestehen können – unabhängig von Eigentumsrechten. |
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Das war knapp: Mit dem Erlass der BKA-Daten-Verordnung ist das Bundesinnenministerium einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Verbunddatei »Gewalttäter Sport« zuvorgekommen. Das Gericht hat die Sache dann auf der Grundlage seiner bisherigen – problematischen – Rechtsprechung entschieden. |
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Recht aus aller Welt |
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Der internationale Bekanntheitsgrad Venezuelas ist im vergangenen Jahrzehnt stark angestiegen. Während das südamerikanische Land bis Anfang des neuen Jahrtausends noch relativ wenig Aufmerksamkeit in der internationalen Medienlandschaft fand, rückt es heute immer wieder in den Mittelpunkt der medialen Öffentlichkeit. Das dabei vermittelte Bild ist etwa so stark polarisiert wie das Land selbst. |
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Recht und Geschichte |
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Das Forum Justizgeschichte setzt sich mit der jüngsten Rechts- und Justizgeschichte auseinander. Dabei will es vor allem zur Aufklärung über die Rolle der Justiz in der deutschen Vergangenheit beitragen. Es wurde gegründet, um die mangelhafte Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in der Jurist_innenausbildung zu thematisieren und in Wissenschaft und Justiz kritische Aufarbeitung anzustoßen. Jedes Jahr im Herbst findet dazu eine Wochenendtagung statt, die sich mit einer Fragestellung vertieft auseinandersetzt. Für Studierende steht ein Kontingent an ermäßigten Plätzen zur Verfügung und es bietet sich die Gelegenheit mit Vereinsmitgliedern aus Wissenschaft und Praxis über konkrete Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Justiz zu diskutieren. Dieses Jahr wurde über politische Prozesse in verschiedenen Systemen diskutiert und ein Bogen vom Kaiserreich bis zu BRD und DDR geschlagen. Häufig wurde an Otto Kirchheimers Werk »Politische Justiz« angeknüpft, aber durchaus auch Weiterentwicklungen präsentiert. |
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Rezensionen |
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Die politikwissenschaftliche Dissertation von Axel von der Ohe setzt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der 1950er und 1960er Jahre auseinander, um die »Abkehr vom Nationalsozialismus und die Durchsetzung des demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsauftrags […] nachzuvollziehen«. Die lesenswerte Arbeit kann leider nicht vollständig überzeugen. |
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Bislang sah es bei der Literatur zum Berliner Polizeirecht eher mau aus. Bis heute gibt es nur ein Lehrbuch und existierte lange Zeit nur ein Kommentar, der – in einem GdP-nahen Verlag erschienen – für die polizeiliche Ausbildung bzw. Praxis gedacht ist. Dieser stößt mit seiner Konzeption als Kommentar und Studienbuch zugleich und einem an Körperverletzung grenzenden kleinen Schriftbild auf wenig Gegenliebe. Der Ehrlichkeit halber sei aber erwähnt, dass die Erkrankung eines Mitautors eine grundlegende Überarbeitung der letzten Auflage vereitelte. Erste Konkurrenz bekam der »Platzhirsch« durch einen Taschenkommentar, der es schaffte, die Erläuterungen knapp zu halten, aber Streitfragen nicht auszusparen oder mit schlichten Verweisen abzuhandeln. Aber mittlerweile ist er sieben Jahre alt. |
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Als Antwort auf die Frage wie es denn um die Grundrechte in Deutschland steht – inwiefern sie als Abwehrrechte der Bürger_innen gegenüber dem Staat Geltung entfalten – kommt der Grundrechte-Report 2010 in Betracht. Im Gegensatz zum offiziellen Verfassungsschutzbericht, der »Bürger_innen als Hauptgefahrenpotential für die bundesdeutsche Verfassung darstellt«, wie Volker Gerloff in einer früheren Ausgabe von das freischüßler feststellte, konzentriert sich der Grundrechte-Report auf Grundrechtsverletzungen von Seiten des Staates. |
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Das Komitee für Grundrechte und Demokratie macht aus seiner Zielsetzung, der »Entknastung« unserer Gesellschaft keinen Hehl. Gefängniskritik ist jedoch so alt wie ihr Gegenstand und auch von seinen AdvokatInnen wird dieser nur als »ultima ratio« befürwortet – was soll eine Tagung zu Gefängniskritik und Knastalltag dazu noch beitragen? Die Stärke der in dem Sammelband zusammengefassten Tagungsbeiträge liegt in deren Fundiertheit durch Praxisnähe und Kleinteiligkeit, ohne dabei den Zusammenhang zu gesellschaftlichen Verhältnissen aus den Augen zu verlieren. |
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Sieben Klausuren innerhalb zweier Wochen um dein gesamtes juristisches Wissen *zack!* zu präsentieren – deine ganze berufliche Zukunft hängt davon ab – Durchfallquote von 25 bis 30 % oder sogar mehr – und du hast ein Jahr Zeit, dich vorzubereiten (oder auch länger, wenn du es so lange aushältst …). Diese »hard facts« hört mensch seit dem ersten Jurasemester. |
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Als die friedliche Nutzung der Kernenergie in den 60er Jahren begann, galt sie als saubere und sichere Möglichkeit die Energieversorgung sicherzustellen. Doch niemand machte sich um die Endlagerung des dabei anfallenden heißen, hochgiftigen und strahlenden Mülls Gedanken. Heute weiß mensch, dass der Atommüll für eine Million Jahre sicher gelagert werden muss. Nach vierzig Jahren kommerzieller Nutzung der Atomenergie gibt es nach wie vor keine Lösung für das Lagerungsproblem. |
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Aus Anlass der Räumung des Mietshauses in der Liebigstraße 14 führten der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) und die kritischen jurist_innen der Freien Universität (kj) eine Einsatzbeobachtung in Friedrichshain durch. |
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Warum an einem Gruppenpraktikum teilnehmen, wenn es doch schon als Einzelperson so schwierig anmutet, einen Praktikumsplatz nach individuellen Wünschen und Vorstellungen zu ergattern. Denn eine nette Kanzlei mit spannenden Rechtsgebieten und möglichst herausfordernden Aufgaben soll es schon sein. Individuell heißt dabei, so sagt zumindest der Duden, auf einzelne Personen und ihre Verhältnisse und persönliche Eigenart zugeschnitten. |
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Wie sehr der Kanzleialltag vom jeweiligen Selbstverständnis einer/eines linken Anwältin/Anwalts geprägt ist, war auch Gegenstand der Thementage beim akj-Gruppenpraktikum. Nachfolgend dokumentieren wir den Vortrag eines langjährig politisch und juristisch tätigen Linksanwalts, der es wissen muss. |
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Was kann eine Kontakt- und Beratungsstelle leisten? Diese Frage stellt sich im Hinblick auf die aktuelle soziale und politische Situation von Flüchtlingen und Migrant_innen in Deutschland ganz nachdrücklich. Ihre Situation ist geprägt von Diskriminierungen, schikanösen Behandlungen durch Behörden, Sondergesetze oder Rückkehrberatung und den Zwang zur »Integration«. Was sollte eine solche Stelle leisten? Wie kann die Arbeit für die jeweiligen Menschen hilfreich sein, wenn sie doch den rechtlichen Bestimmungen folgen muss? Löst hier die ehrenamtliche Arbeit Probleme, die von Seiten des Staates erst geschaffen worden sind? Wird aus dieser Richtung schlicht einkalkuliert, dass sich unbezahlte, engagierte Menschen dieser Aufgaben annehmen? Beseitigt die Unterstützung nicht lediglich die schlimmsten Härten, während die Lösung der Probleme doch nur verschoben wird? |
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